Film & Kino aktuell
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Irgendwann störte den südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook, dass seine Filme wie „Die Taschendiebin" meist nicht wahrgenommen werden als das, was sie eigentlich sind: Liebesgeschichten. Wo sonst Rachethriller, Heist-Movie und Historiendrama bei ihm zu zynisch-lasziven Puzzles voller Gewalt und Intrigen verschmelzen, kreierte er deshalb ganz bewusst mit „Die Frau im Nebel“, einen fast zärtlichen Neo Noir, selbst Obsessionen strahlen hier noch etwas respektvoll Sanftes aus.
Unverändert die erzählerische Virtuosität, im Gegenteil, das rätselhafte Konstrukt entwickelt sich durch seine, die Perspektiven verändernden Spieglungen zu einer hochemotionalen Spurensuche von atemberaubender subtiler Schönheit und Spannung. Eine Hommage an Alfred Hitchcocks „Vertigo“.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Der belgische Regisseur Lucas Dhont erzählt in „Close“ von der Fragilität der Gefühle, der scheinbaren Selbstverständlichkeit des Glücks, das von einem Moment zum anderen sich auflöst, weil der Blick Anderer auf uns die Welt auf den Kopf gestellt hat. Und er erzählt von der Fähigkeit wie auch Unfähigkeit mit Verlust umzugehen.
Im Mittelpunkt steht die enge Freundschaft zweier dreizehnjähriger Jungen. Dhont lässt auf magisch subtile Weise die Grenzen zwischen Worten, Bewegung, Emotionen, Farben und Formen verschwimmen. „Close“ gewann letztes Jahr den Grand Prix in Cannes und ist nun nominiert als bester internationaler Film bei den Academy Awards 2023.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ali Abbasi inszeniert den suggestiven magisch düsteren Neo-Noir „Holy Spider“ als Spiegel patriarchalischer Strukturen im Iran. Der Film basiert auf einem wahren Kriminalfall zu Beginn der 2000er Jahre, damals lebte der heute in Dänemark ansässige Regisseur noch in Teheran.
Verbrechen zelebriert Abbasi nicht in der Tradition von US-Thrillern, sondern zeigt Gewalt als das, was sie ist, brutal, banal, kläglich, abstoßend, grotesk nicht ohne tragische Komik, Produkt extremer Frauenfeindlichkeit.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

„The Banshees of Inisherin“ erzählt von dem Zerbrechen einer platonischen Männerfreundschaft -schmerzhaft wie das Ende jener romantischen großen Liebe, die doch nur der Tod hätte trennen dürfen.
Es ist der berührendste, der schönste Film von Martin McDonagh, eine Parabel über die Sinnlosigkeit der Kriege: Zärtlich, kauzig, komisch, anarchisch und unendlich traurig, wenn Zorn oder Enttäuschung in grotesker Gewalt eskalieren. Eine melancholisch düstre Welt, durchdrungen vom Absurden in der Tradition Samuel Becketts. Schauspielerisch grandios: Colin Farrell und Brendan Gleeson.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

„Verlorene Illusionen“ schildert die Geburtsstunde der Trollfabriken und Fake News im Paris des frühen 19. Jahrhunderts. Eine Gesellschaft im Umbruch, die französische Metropole entpuppt sich als Monster, verführerisch, rachsüchtig und gierig.
Für eine Verfilmung von Honoré de Balzacs dreibändigem Roman braucht es Courage und auch eine Spur von Genialität. Regisseur Xavier Giannoli katapultiert die Zuschauer mitten hinein in den Strudel der Ereignisse: Was als scheinbar konventionell opulentes Historiendrama beginnt, entwickelt sich unerwartet zum rasanten gesellschaftskritischen Mix aus Gangster-Farce und Intrigen-Epos.
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- Geschrieben von: Cornelia Schiller, Jürg Lützelschwab -

Der Schweizer Wegbereiter für Film und Fotografie François-Henri Lavanchy-Clarke (1848-1922) filmte bereits im Jahr 1896 unterschiedliche Lebenssituationen in seinem Heimatland, um sie im vielleicht ersten Kinoraum der Welt vorzuführen: In einem extravaganten Pavillon auf der Landesausstellung im gleichem Jahr in Genf.
Eine aktuelle Ausstellung im Museum Tinguerly in Basel bringt seine fast vergessenen Filme und Fotografien ans Licht und entdeckt den Waadtländer Weltbürger auch als Konstrukteur von Automaten.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

„Rimini“ erzählt von der grotesk verzweifelten Suche nach einem letzten bisschen Glück am Ende von Leben oder Karriere. Pathos und Kläglichkeit, Kitsch und Sehnsucht kollidieren, wenn der abgehalfterte Schlagerstar Richie Bravo (Michael Thomas) wieder einmal sein „Amore mio“ liebeshungrigen Seniorinnen in geisterhaft leeren Hotelhallen entgegen schmettert.
Der österreichische Regisseur Ulrich Seidl tritt den Protagonisten mit jener radikalen Aufgeschlossenheit gegenüber, die ihn zum viel gepriesenen Ausnahmekünstler machte. Aber mit sich selbst dort auf der Leinwand konfrontiert werden in wenig heldenhafter Pose, kann es junge Laiendarsteller vielleicht überfordern? War dies der auslösende Faktor zu den Konflikten um Seidls Film „Sparta“?
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

„Bones and All“ ist die hinreißende Coming-of-Age Story zweier jugendlicher AußenseiterInnen in Reagans Amerika der Achtzigerjahre. Jene leicht verschrobene Kannibalen-Romanze voller Tragik, Zärtlichkeit, trockenem Humor und gelegentlich zersplitternden Knochen rührt zu Tränen, manche Zuschauer flüchten.
Der italienische Regisseur Luca Guadagnino entledigt sich mit frappierender Nonchalance den Zwängen des blutigen Horror-Genres, erzählt ästhetisch virtuos von der Suche nach Identität, von Begierden, Sucht und Liebe am Rande der Gesellschaft. Schauspielerisch umwerfend: Taylor Russell und Timothée Chalamet.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

David Cronenberg, Meister des Body-Horrors, begibt sich in dem dystopischen Science-Fiction-Thriller „Crimes of the Future“ auf eine verstörende wie eigenwillig erotische Exkursion in die inneren Galaxien unserer Existenz.
Ein kleiner Junge verdaut erfolgreich den eben mit Genuss verspeisten Plastikeimer. Als „meditative Annäherung“ deklariert der 79jährige kanadische Regisseur sein neues Werk über die Metamorphosen unserer Körper. Melancholisch ist dieser Film, düster und elegisch, ohne selbstgefällige Schockeffekte, wenn er provoziert, dann durch seine verblüffende Logik, die Überzeugungskraft und Weitsicht eines alternden Visionärs, der vom Künstler absolute Hingabe fordert.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Hamburg, 26. März 1996. Was Angst überhaupt ist, begreift der 13jährige Johann (Claude Heinrich) erst an jenem Morgen, als ihn seine Mutter Ann Kathrin (Adina Vetter) weckt, Jan Philipp sei entführt worden. Jan Philipp, das ist sein Vater, der Reemtsma-Erbe und bekannte Intellektuelle. Die Kidnapper fordern 20 Millionen Mark Lösegeld, später 30 Millionen.
In „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ inszeniert Regisseur Hans-Christian Schmid mit frappierender Sensibilität und Präzision das emotionale Beziehungsgeflecht einer ungewöhnlichen Schicksalsgemeinschaft. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Johann Scheerer, der aus seiner Sicht als 13jähriger die scheinbar nie enden wollenden 33 Tage bis zur Befreiung Reemtsmas schildert.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Die niederländische Regisseurin Halina Reijn kreiert mit ihrer nihilistisch amüsanten Slasher-Satire „Bodies Bodies Bodies“ ein wundervolles Gegenstück zu Ruben Östlunds vor Metaphern strotzender Farce „Triangle of Sadness“.
Aus dem Gesellschaftsspiel verwöhnter reicher Kids wird bei Reijn bald blutiger Ernst und eine schrille bösartige Horrorkomödie nach Whodunit-Manier. Die Generation Z präsentiert sich als orientierungslose narzisstische Wesen zwischen Depression, Sucht, Überheblichkeit und der permanenten Begierde, andere zu erniedrigen, um das eigene Image aufzuwerten.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Regisseurin Aelrun Goette erzählt von den kreativen Nischen eines brüchigen totalitären Systems, dem schillernden Ostberliner Underground und ihrer eigenen Jugend kurz vor der Wende. Models hießen damals Mannequins, und auch ohne Laufsteg wagte man den aufrechten Gang.
„In einem Land, das es nicht mehr gibt“ eröffnet als subtile wie packende Coming-of-Age Story neue ungewohnte Perspektiven, ist von verblüffender Aktualität. Es geht um Freiheit und Verrat, die große Liebe, den Preis der Solidarität, um selbstbewusste Frauen und kämpferische Paradiesvögel.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Hochstaplern gelingt es in der Regel, sich auch die Sympathie des Kino-Publikums zu erschwindeln, ihrem Charme und zwielichtigem Einfallsreichtum können wir nicht widerstehen. „Tausend Zeilen“ als emotionale Underdog-Story funktioniert genau umgekehrt: Unser Herz schlägt allein für Elyas M’Barek in der Rolle des einsamen Kämpfers, der den Lügner entlarvt.
Regisseur Michael „Bully“ Herbig witterte früh das satirische Potenzial in dem spektakulären Medien-Skandal um Starreporter Claus Relotius. Raffiniert rasant jongliert der Altmeister deutscher Parodie mit den Genres. Täuschung entwickelt sich zum dramatischen Prinzip in diesem anarchischen Hochglanz-Thriller, leider schmälern Kitsch und Klamauk gelegentlich das Vergnügen.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

„Moonage Daydream“ entwickelt sich zum atemberaubenden, immer schneller drehenden Kaleidoskop aus Bildern, Sound und Reflexionen, es katapultiert den Zuschauer mitten in den kreativen Kosmos des 2016 verstorbenen David Bowie, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Musikszene. Jener visionäre Ausnahmekünstler, der ständig Stile und Persönlichkeiten wechselte, vom Chaos inspiriert, Grenzen überschritt.
Der US-amerikanische Regisseur Brett Morgen sichtete fünf Millionen Dokumente, Filmaufnahmen, Konzertmitschnitte, Interviews und Tagebücher für seine genreübergreifende assoziative Leinwand-Collage.