Theater & Tanz in und um Hamburg
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -

Die Finanzmärkte kommen nicht zur Ruhe, die Schuldenberge wachsen ins Unermessliche und kaum einer kennt noch die Mitverursacher.
Den texanischen Energie-Konzern „Enron“ beispielsweise, der vor zehn Jahren 70 Milliarden Dollar verheizte. Lucy Prebble hat den bislang größten Firmenskandal in der US-Geschichte zu einem Wirtschaftskrimi verarbeitet, der Ross und Reiter beim Namen nennt. In „Enron“ an den Hamburger Kammerspielen spielt Martin Semmelrogge bis zum 25. September den größenwahnsinnigen Finanzchef und Bilanzfälscher, der die Schuldenberge in einem ausgeklügelten System aus Schattenunternehmen versteckte.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -

„In die Kirche ging ich morgens, um Komödien zu schauen, abends ins Theater, um mich an der Predigt zu erbauen“, schrieb Heinrich Heine.
Bei Michael Batz kann man jetzt auch abends Komödien in der Kirche sehen. Der Hamburger Autor, Regisseur und Lichtkünstler hat den zehn Türen von St. Michaelis „Portalspiele“ auf den hölzernen Leib geschrieben. Open Air werden sie beim „Theaterfest am Michel“ erstmals en suite aufgeführt: Zehn Türen. Zehn Stücke. Zwanzig Aufführungen.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -

Es war ein Gejohle und Gepfeife wie bei einem Rock-Konzert. Selten hat man das Publikum der Hamburger Staatsoper derart aus dem Häuschen erlebt, wie bei dem Gastspiel-Auftakt des Alvin Ailey American Dance Theaters (AAADT).
Wann sieht man auch schon mal derart mitreißenden Tanz?! Die New Yorker Compagnie ist einfach großartig. Technische Perfektion paart sich hier mit purer Lebensfreude. Für Alvin Ailey (1931-1989) war Tanz das reine (Über)Lebens-Elixier und genau das bringen seine stupenden Tänzer noch in der kleinsten Bewegung zum Ausdruck. Vielleicht haben die Zuschauer auch deswegen so enthusiastisch reagiert: Hamburgs Ballett ist geprägt von John Neumeiers elegischen Choreographien und seinen elfengleichen Ballerinen. Das AAADT ist der glatte Gegenentwurf. Die fröhliche Power der afroamerikanischen Tänzer erfrischt ungemein. Sie dringt ungebremst über die Bühnenrampe und öffnet auch noch im obersten Rang die Herzen der Zuschauer. Wie schade, dass die offiziellen Kulturbotschafter der USA so selten nach Europa kommen.
- Geschrieben von Claus Friede -

Das Ernst Deutsch Theater in Hamburg erhält 2011 die höchstdotierte Privattheaterauszeichnung, den „Pegasus-Preis“ des Unternehmens ExxonMobil.
Bereits 2003 konnte das EDT, wie es liebevoll abgekürzt wird, den Preis ins Haus holen. Eine Jury aus Theater- und Kulturjournalisten formulierte soeben als eines der ausschlaggebenden Kriterien für die Vergabe: „Die Intendantin Isabella Vertés-Schütter und ihr Team haben in den letzten Jahren einen markanten Strukturwandel des Hauses vollzogen. Dabei ist ihnen eine interdisziplinäre Vernetzung mit der Stadt gelungen.“
Claus Friede traf Isabella Vértes-Schütter im Ernst Deutsch Theater und sprach mit ihr über Vernetzung, strukturellen und programmatischen Wandel und über Jugendarbeit.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Obwohl man in den Großen Bleichen 23-25 vermutlich schon unermüdlich die Kisten voll packt, wird derzeit natürlich auch geprobt.
Das vorletzte Stück vor dem Umzug ins Bieberhaus heißt ‚Rutfischt’. Zur Abwechslung mal kein Engländer sondern ein Franzose, René Fauchois, schrieb diese Komödie, die im Original ‚Boudu sauvé des eaux’ heißt, ‚Boudu, aus den Wassern gerettet.’
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Kürzlich wurde mir vorgeworfen, viel zu positiv zu rezensieren: „Du lobst beinah nur!“
Es stimmt, die typische Wollust am Zerfetzen, der Kritiker so gern nachgeben, geht mir ab. Ich lobe gern, oder, wie meine Mutter es ausdrückt: „Du kannst so schön preisen.“
Wenn ich ein Stück oder einen Film nicht bespreche, liegt das meistens entweder daran, dass ich es nicht gesehen habe – oder es gefiel mir nicht.
- Geschrieben von Carolin Peiseler -

Der in Freiburg/Br. lebende Schauspieler Bernd Lafrenz hat sich mit seinen Soloadaptionen der Shakespeare-Klassiker vom Geheimtipp zur festen Größe mit Kult-Potential in die Herzen der Hamburger gespielt.
Für Shakespeare-Kenner ein wahres Feuerwerk intelligenter Persiflagen, und für alle anderen, die vergnüglichste Art, mit Shakespeare und seinem Werk Freundschaft zu schließen.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Die Komödie im Winterhuder Fährhaus zeigt Sommertheater. Am 30. Juli war Premiere, das Stück wird bis 12. September gespielt.
Im großen Theatersaal ist es warm. Nicht heiß, nicht stickig, aber durchaus kuschelig. Einige Zuschauerinnen legen gern ihre Jacken ab. Wie sich das auf der Bühne anfühlt, unter den heizenden Scheinwerfern, zeigt sich, indem Romanus Fuhrmann sich im Lauf des Stückes immer häufiger mit einem großen weißen Taschentuch Kopf und Gesicht betupft – was vollkommen in seiner Rolle passt – und Jacques Breuer, der mehr herumtobt als alle anderen, sich nach zwei Stunden Jackett und Anzughose durchgeschwitzt hat. Das ist Hingabe. Hoffentlich trinkt er genug…
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -

"In Bayreuth zu inszenieren bedeutet, sportiv zu sein."
Das Enfant terrible des Theaters, Hans Neuenfels, über sein Verhältnis zu Richard Wagner, die Aktualität von "Lohengrin" und Merkels Politik.
Was dringt im Umfeld der Proben zum neuen Bayreuther "Lohengrin" aus dem Festspielhaus auf dem Grünen Hügel? Nur wenig - über die legendären Wut- und Verzweiflungsanfälle des Regisseurs Hans Neuenfels, einer der Väter des deutschen Regietheaters, über seinen Genauigkeitswahn. Und wilde Bilder, die er auf die Bühne bringt. Die Gerüchte kochen hoch, schließlich war Neuenfels für einige der wirkungsvollsten deutschen Theaterskandale verantwortlich: den Thalia-"Hamlet" von 1978, vor dem Klaus Maria Brandauer floh und in dem die verwirrte Ophelia als uralte Dame in einem Laufställchen saß; die Frankfurter "Aida" 1980, die als Putzfrau auftrat (zum Triumphmarsch flogen Brathähnchen in die Luft); den Berliner "Idomeneo" 2003, der wegen der abgeschlagenen Köpfe von Religionsgründern (auch Mohammeds) 2006 zu Bombendrohung, Absage und einem Fundamentalstreit über die Freiheit der Kunst führte. In Hamburg inszenierte Neuenfels 2004 Beethovens "Fidelio" an der Staatsoper.
- Geschrieben von Claus Friede -

„Treffpunkt Borgfelde“ heißt ein Theaterprojekt, das am 15. Mai 2010 einmalig in Hamburg-Borgfelde aufgeführt wird und in Kooperation mit dem Hamburger Sprechwerk von einem vierköpfigen Künstlerteam bestehend aus Madeleine Koenigs (Regie), Christopher Weiß (Regie), Kai Fischer (Video) und Susanne Eigenmann (Recherchen) mit den Einwohnern Borgfeldes umgesetzt wird.
Der Stadtteil wird an einem Theaterabend zur Bühne und alle Hamburger Bürger sind eingeladen, einen der unbekanntesten und kleinsten aller Hamburger Stadtteile zu entdecken.
Claus Friede traf die beiden Regisseure und sprach mit Madeleine Koenigs und Christopher Weiß.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Die schrecklichsten, blutigsten Katastrophen haben häufig immer noch ein Gutes: einen hohen Unterhaltungswert.
Allein die Weltkriege bieten unbegrenzt Stoff, von ernsthafter Dokumentation bis zu ‚so-hätte-es-doch-eigentlich-auch-sein-können’ (Hitler verbrutzelt in Pariser Kino).
Dasselbe gilt für Kriminalfälle, bevorzugt solche, die nie gelöst wurden. So gesehen hat Jack The Ripper viel für die Kultur getan.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Klassiker zu inszenieren hat besondere Vor- und Nachteile. Vorteil: keiner braucht über den Autor zu diskutieren, Shakespeare ist Shakespeare, bis vielleicht auf die sehr widerborstigen Tragödien (wie etwa Titus Andronicus) hat jeder längst mit Williams Stücken seinen Frieden gemacht.
Romeo und Julia dürfte sogar sein berühmtestes sein, ein schlichtes Synonym für Liebe. Die Sache mit der Lerche und der Nachtigall ist sprichwörtlich, und wie die Geschichte ausgeht, weiß der schlimmste Kulturmuffel. Natalie Wood hat Julia gesungen und Alexander Godunov hat Tybalt getanzt, wir kennen die Story verfremdet und umgekrempelt, vermusifiziert und verballetiert, in der City und ‚auf dem Dorfe’, gekräuselt und schlicht. Ich halte es nicht für nötig, die Handlung zu umreißen.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Seit 1999/2000 gibt es in der Komödie im Winterhuder Fährhaus in Hamburg die Kontraste, ein Genre, das sich vom ‚klassischen’ Boulevard auf der Hauptbühne durch absurden, schrillen, bösen Humor unterscheidet – schwarze Komödien gewissermaßen, in einem eigenen kleinen Bühnenraum im Haus, sehr liebevoll und engagiert präsentiert.
Am 17. November war hier Premiere des Stücks ‚Die Ratte’ von Justine del Corte.
Ratten an sich sind seit Gerhard Hauptmann über Küchengenie Rémy bis zu Leseratte Firmin recht kulturelle Tiere. Der Nager in del Cortes Komödie hat indessen lediglich einen Camoe-Auftritt und sorgt im Grunde nur für ein wenig mehr Gekreisch und einigen Gesprächsstoff.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -

Bei Gerhart Hauptmanns Dramen denkt man nicht automatisch ans Hamburger Ohnsorg-Theater – und umgekehrt. Aber eine gemeinsame Tradition ist durchaus vorhanden, in den 1990ern gab es hier den ‚Bieberpelz’, ‚Rose Bernd’ und ‚Fuhrmann Henschel’.
Diesmal hat sich Chefdramaturg Frank Grupe des schweren Stoffs angenommen und ihn mit geschickter Hand zurechtgestutzt sowie geplättet: "Ehr de Sünn ünnergeiht". (Die hervorragende Regie hat er außerdem zu verantworten.)
Wie wohltuend, wenn es mal nicht darum geht, dass jemand seine ‚Auffassung’ in den Vordergrund drängelt und damit einen Klassiker bis zur Unkenntlichkeit entgrätet!