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CF: Obwohl ein spürbares Interesse für Stadtentwicklung vorhanden ist: Glauben Sie, dass die Hamburger gerade was solche Bauprojekte wie die „Living Bridge“ und was zeitgenössische Architektur im Allgemeinen angeht konservativ sind?

HL: Es gibt in der Hansestadt beide Lager, ein sehr konservatives, mit der Tendenz generell erst einmal gegen neue Projekte zu sein. Und es gibt das aufgeschlossene Lager. Nach meiner Beobachtung ist dies allerdings etwas kleiner, und das Konservative ist etwas lauter. Eine offene Verbindung der Lager herzustellen, ohne vorgefasste Meinung, die genau weiß, was richtig ist, wäre mir wichtig. Aber ich glaube, da unterscheidet sich Hamburg nicht von anderen Städten.
Man mischt sich ein, man lässt die Dinge nicht so einfach geschehen wie beim Beispiel Gängeviertel. Über 10 Jahre hat man sich um den Ort nicht wirklich gekümmert und plötzlich entsteht aus einer bestimmten Gemengelage von gesellschaftlichen Intentionen und Ereignissen schließlich eine öffentlich geführte Diskussion. Daraus entwickelt sich ein wachsendes Interesse und die Einzelmeinungen bündeln sich.

CF: Gibt es denn auch eine architektonische, städteplanerische Herausforderung, der Sie sich werden stellen müssen oder besonders kritisch begleiten werden?

HL: Die HafenCity natürlich, die braucht noch Zeit, es gibt die stadtplanerische Absicht, aber die ist ja noch nicht fertig. Jörn Walter sprach von einem Zeitraum bis zum Jahr 2025.
Die Herausforderung ist – wie bereits erwähnt - die Einbeziehung der südlichen Stadtteile und besonders die mögliche Verlagerung der Universität auf das südliche Elbufer.

CF: Im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit im Vorstand des BDA Hamburg taucht immer wieder der Begriff „Meinungsführerschaft“ auf. Was steckt alles für Sie in diesem Begriff?

HL: Dieser Begriff ist mir „umgehängt“ worden, warum, habe ich nicht so genau herausbekommen können. Aber egal, ob es das Architektur Centrum oder den BDA betrifft, Meinungen lassen sich subsumieren. Das sehe ich nicht unter mathematischen Gesichtspunkten, sondern als Widerstreit von Meinungen. Meinungsdifferenzen werden in beiden Institutionen ausgetragen, und es entstehen teilweise streng geführte fachliche Auseinandersetzungen. Wenn man die verschiedenen Meinungen extrahiert und man kommt zu einem Konsenzergebnis oder eine Meinung setzt sich durch – aus welchen Gründen auch immer – dann sprechen wir von Meinungsführerschaft. Diese Führerschaft ist dann relevant. Gegen die habe ich mich nie gewehrt, im Gegenteil, die habe ich dann vertreten, weil sie schon intern stark geworden ist. Das ist der Grund, warum das Architektur Centrum eine Relevanz und Stärke hat, weil sie alle Meinungen zunächst einbezieht, dann aber daraus eine Meinungsführerschaft entwickelt.

CF: Wird die Zusammenarbeit mit der IBA unter Ihrer Präsidentschaft sich verändern, noch stärker werden?

HL: Die Zusammenarbeit mit der IBA ist ausgezeichnet. Wir sind quasi im ständigen Austausch. Ich erwähnte schon, dass das Architektur Centrum der Konventionspartner ist. Dafür habe ich im Hamburger Rathaus einmal eine Unterschrift geleistet, und das ist eine Verpflichtung. Wir besprechen Ideen, wir begleiten die Öffentlichkeitsarbeit der IBA und richten beispielsweise im kommenden Sommer ein sogenanntes „IBA-Frühstück“ aus. Das sind informelle Treffen bei denen wir Inhalte kommunizieren können.

CF: Was sind Ihre weiteren Pläne für die kommenden Amtsjahre?

HL: Besonders zwei Ziele verfolge ich: Den Ausbau der Diskussionsforen aller Beteiligten, von Stadtplanern und Ingenieuren über Soziologen bis zur Verwaltung und den Politikern. Dieses Profil möchte ich wahrnehmbar schärfen.
Der zweite Aspekt ist die Weiterbildung von Architekten und denen, die in deren Umfeld tätig sind. Manchmal polarisieren die Fachbereiche, an Stellen, an denen sie das eigentlich nicht sollten. Vielmehr können sie voneinander lernen. Die Themen der Weiterbildung sind, wie und was heute gebaut werden kann. Wir bauen ja nicht mehr wie im 19. Jahrhundert, obwohl wir häufig immer noch so tun. Es gibt heute ganz andere und neue Herausforderungen. Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um und wie berücksichtigen wir Nachhaltigkeit in der Architektur? Es gibt bereits ein benennbares gesellschaftliches Bedürfnis danach, das sich auch noch weiter entwickeln wird, und damit müssen sich Architekten auseinandersetzen. Dieses Bedürfnis wird die Architektur verändern und beeinflussen. Das ist ein riesiges Thema!
Wir benötigen übrigens auch die Industrie und die Wirtschaft als Partner, denn sie sind diejenigen, die produzieren. Wenn es bestimmte Technologien und Materialien noch nicht gibt, dann müssen diese entwickelt und produziert werden. Das sind die wesentlichen Aufgaben.

CF: Das klingt für mich mehr nach Bewusstseinsveränderung als nach Weiterbildung...

HL: Das ist doch Weiterbildung per se.

CF: Ihr Architekturbüro hat sich neben Neubauten insbesondere auf die Bewahrung und Sanierung von Bausubstanz und historischen Gebäuden spezialisiert. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Auftraggebern und Partnern weltweit machen können? Gibt es ein ausgeprägtes historisches und baukulturelles Bewusstsein?

LimbrockHL: Das ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. In China hat man auf diesem Gebiet eine ganze Menge zu reanimieren. Das historische Bewusstsein leidet nach wie vor unter den Aus- und Nachwirkungen der Kulturrevolution. Wenn es ums Bewahren geht, kann man in China eine ganz leichte positive Tendenz beobachten. Man geht mittlerweile etwas sorgfältiger mit der historischen Substanz um.
In Georgien, wo ich auch tätig bin, ist das wiederum ganz anders. Das Land ist bei weitem wirtschaftlich nicht so orientiert wie China, aber das historische Bewusstsein ist sehr ausgeprägt, dort pflegt man die Städte. Einerseits entstehen auch neue Gebäude mit Blick auf eine internationale Architektur, andererseits gibt es beispielsweise in Tiflis sehr sinnvolle Stadterhaltungsmaßnahmen. Das läuft allerdings ganz anders als hier. Das Recht liegt auf der Seite der Initiative, auf dem Praktischen und nicht automatisch bei den Ämtern und Behörden. Das führte dazu, dass die Hauptstadt Georgiens so aussieht, wie sie gewachsen ist, von frühen mittelalterlichen über die zaristischen Gebäude des frühen 19. Jahrhunderts, bis hin zu einer neuen, internationalen Architektur. Stadtentwicklung und -planung bedeutet in Georgien eine öffentliche Auseinandersetzung in Form von Workshops. Und das mediale Interesse an Stadtentwicklung ist dort auch sehr ausgeprägt, was wiederum einen Einfluss auf die Politik hat.
In Hamburg ist das Bewusstsein für das baukulturelle Erbe recht unterschiedlich evident. Es gibt historische Gebäude, die für die Gesellschaft eine relevante Wirkung haben. Ich meine das nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten. Bei der Umwandlung und Aufstockung eines alten Silos im Harburger Binnenhafen haben Bauherr und mein Architekturbüro die Kernaussage des Gebäudes nicht in Frage gestellt. Wir haben die milieuschaffenden Elemente erhalten. Das kann man nur tun, wenn ein allseitiges Bewusstsein dafür vorhanden ist.

CF: Zum Abschluss unseres Gesprächs möchte ich gerne von Ihnen wissen, welches neuerrichtete oder im Bau befindliche Gebäude steht für Hamburg?

HL: Ganz klar: Die Elbphilharmonie!

Architektur Centrums Hamburg

Alle Aktivitäten zum Thema Architektur und Bauen sind an einem zentral gelegenen Ort vereinigt. Das Architektur Centrum steht allen an Architektur, Städtebau und Planung Interessierten und Beteiligten offen und möchte für die verschiedenen Institutionen, Verbände, Firmen und die Öffentlichkeit ein übergreifendes, lebendiges Forum sein.
Weitere Informationen: Architektur Centrum - Gesellschaft für Architektur und Baukultur e.V.


Abbildungsnachweis:
Header: Astrid Ott. Portrait Heiner Limbrock © Architektur Centrum Hamburg
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