Kultur, Geschichte & Management

Es sind zwei der abgelegensten Gegenden der Welt, und doch haben wir alle Bilder im Kopf, wenn wir von ihnen hören.

Die Osterinsel, einsam im unendlichen Pazifik gelegen, ist berühmt für ihre kolossalen Steinstatuen, und die Magellanstraße, durch die Feuerland – auch das eine Insel! – ganz im Süden Lateinamerikas vom Festland getrennt wird, genießt einen wohlverdienten Ruf als eine der gefährlichsten Schiffspassagen der Welt.

 

Noch immer sucht Lübeck einen Ort für seine beträchtliche Völkerkundesammlung, und solange dieser nicht gefunden ist, werden ausgewählte Teile in Sonderausstellungen vorgeführt, die von dem Ethnologen Lars Frühsorge kuratiert werden. Wie schon zuvor bei einer Ausstellung über Magie, so dient auch jetzt das Museum für Natur und Umwelt als Ausweichquartier, ist aber gleichzeitig noch etwas mehr, denn natürlich werden auch ökologische Probleme angesprochen. In dem weitläufigen Patagonien leidet die Natur besonders unter der exzessiven Viehhaltung, worunter besonders die Schafweide zu verstehen ist, und die desolate Situation der Osterinsel muss, auf die von den Einwohnern vor Jahrhunderten selbst besorgte Entwaldung zurückgeführt wurden. Immerhin scheint sich die Bevölkerung an die schwierigen Verhältnisse angepasst zu haben, und so gilt heute nicht die ökologische Katastrophe, sondern der Kolonialismus als die Hauptursache der Probleme der Insel. Über Jahre wurden ihre Einwohner zur Sklavenarbeit nach Peru geschafft, und erst seit 1967 verfügen die Rapanui (die Einwohner von Rapa Nui, der Osterinsel) über eine gewisse Selbstständigkeit. Zeitweise war die Bevölkerung auf wenig mehr als einhundert Menschen geschrumpft.

 

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Der Titel der Ausstellung – „Hoffnung am Ende der Welt. Von Feuerland zur Osterinsel“ – geht auf eine Bemerkung eines Feuerländers zum Kurator zurück. Die Hoffnung, sagte er nämlich, beginne am Ende der Welt („La esperanza comienza en el fin del mundo.“). Tatsächlich scheinen sich beide Kulturen von den schlimmsten Verwüstungen durch den Kolonialismus erholt zu haben.

 

Die erste Hälfte der Ausstellung ist Rapa Nui gewidmet; vor insgesamt drei sehr eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen, auf denen sich natürlich auch die Moai finden, die kolossalen Steinstatuen, werden Exponate der verschiedensten Art vorgezeigt, Holzstatuen zum Beispiel, Schmuck oder Gebrauchsgegenstände. Ganz ähnlich der zweite Teil der Ausstellung, der Feuerland vorstellt, das sich sowohl kulturell als auch landschaftlich (weil viel weiter südlich gelegen und entsprechend kälter) von Rapa Nui unterscheidet. Während die Rapanui eher ein Rätsel aufgaben – wie und wann gelangten sie auf eine derart weit von jedem Festland entfernte Insel, und was bedeuten die schmalen, finster zum Horizont starrenden riesigen Steinköpfe? –, wurde den Feuerländern schon seit Darwin volles Menschentum abgesprochen; von Rassismus zu sprechen, heißt einen Euphemismus zu gebrauchen. Manchen Autoren schienen sie den Tieren näherzustehen als den Menschen.

 

In diesem Zusammenhang muss unbedingt der berühmteste Feuerländer aller Zeiten angesprochen werden, Jemmy Button, der von Robert FitzRoy, dem Kapitän von Darwins Expedition, mit nach England genommen (entführt…) worden war, später aber in seine Heimat zurückkehrte.

Julia Voss Darwins Jim Knopf COVERWie zuletzt Julia Voss in ihrem Buch „Darwins Jim Knopf“ gezeigt hat, war Botton wohl das Vorbild für Jim Knopf, den liebenswürdigen Helden von Michael Endes gleichnamigem Kinderbuch. Wer dieses Buch noch einmal liest, wird eine ganze Fülle von Anspielungen auf den Rassismus des 3. Reichs finden, die an Kindern natürlich noch vorbeigehen. Man denke nur an den Eingang nach „Kummerland“, der ausdrücklich allein den „reinrassigen Drachen“ erlaubt ist. Und ausgerechnet an diesem düsteren Ort findet sich eine unter einer vor Bosheit zischenden Lehrerin leidende Schulklasse, die wir heute als „divers“ bezeichnen würden, ihrer bunten Mischung aus den verschiedensten Nationen wegen. Es handelt sich also nicht allein um ein dank seiner bizarren Einfälle surrealistisch anmutendes Kinderbuch, sondern zugleich um eine hintersinnige Schrift gegen den Rassismus.

 

Die anregende und empfehlenswerte Ausstellung zeigt eine bunte Mischung von ungefähr hundert Exponaten.


„Hoffnung am Ende der Welt. Von Feuerland zur Osterinsel“

Zu sehen bis zum 3.9.2023 im Museum für Natur und Umwelt, Musterbahn 8, 23552 Lübeck

Eine Ausstellung der Lübecker Völkerkundesammlung mit dem Museum für Natur und Umwelt

Öffnungszeiten: Di - Fr 9 - 17 Uhr, Sa + So 10 - 17 Uhr

Weitere Informationen (Homepage Museum)

 

Julia Voss: Darwins Jim Knopf.

Fischer Taschenbuch

184 Seiten

978-3596370641

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