Der italienische Filmregisseur Francesco Rosi (1922–2015) hat sie alle gehabt: vom Goldenen Löwen von Venedig für „Die Hände über der Stadt“ („Le mani sulla città“, 1963) über die Goldene Palme in Cannes für „Der Fall Mattei“ („Il caso Mattei“, 1972) bis hin zum British Academy Film Award für „Christus kam nur bis Eboli“ („Cristo si è fermato a Eboli“, 1979).
Unter den mehr als 30 internationalen Film- und Festivalpreisen fehlen auch die Internationalen Filmfestspiele Berlin nicht, die Rosi 1962 gleich zum Karrierestart mit dem Silbernen Bären für die Kategorie Beste Regie von „Wer erschoss Salvatore G.?“ („Salvatore Giuliano“, 1961) und 2008 – sieben Jahre vor seinem Ableben – mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk auszeichneten.
Ein Jahrzehnt, nachdem der gebürtige Neapolitaner und Regisseur des frühen Films „Auf St. Pauli ist der Teufel los“ („I magliari“, 1959) in Rom verstarb, lässt die US-amerikanische Filmspezialistin Gaetana Marrone (Universität Princeton) im Gespräch mit der Cineastin und KulturPort.De-Gastautorin Gloria Lauri-Lucenti (Universität Malta) die künstlerische Entwicklung dieses zunächst auf Mafiafilme im Zeichen des italienischen Neorealismus spezialisierten und dann durch eine überraschende Hinwendung zum Genre der Literaturverfilmung hervorgetretenen Regisseurs Revue passieren. Dabei durchleuchtet die selbst filmerfahrene und -begeisterte Amerikanerin Marrone minuziös Rosis bühnenreife Lichttechniken ebenso wie sein Verhältnis zu Süditalien und seine ausgefeilte, mal unbarmherzige, mal poetische Filmsprache. Denn dank dieser Talente brachte der einstige Filmstudent und als Regieassistent von Luchino Visconti (1906–1976) bei „Die Erde bebt“ („La terra trema“, 1948) auf den Filmset gekommene „Mann aus dem Süden“ später selbst einen Klassiker der Filmgeschichte nach dem anderen in die Kinosäle. Anlässlich des rezenten Todes von Margot Friedländer (1921–2025) lassen insbesondere auch Gaetana Marrones Schlussworte über Francesco Rosis filmisches Erbe aufhorchen.
Gloria Lauri-Lucente (GLL): Bereits in einem Ihrer frühen Artikel über Francesco Rosis Rezeption in den USA („Francesco Rosi and American Criticism“, dt. etwa: „Francesco Rosi und die amerikanische Kulturkritik“, 1991) – der 1991 in einem vom sizilianischen Filmhistoriker Sebastiano Gesù herausgegebenen Band erschienen ist – bemängeln Sie, dass es an einer umfassenden kritischen Studie über Rosi auf Englisch fehle, obwohl seine unbestrittene Bedeutung als Regisseur von „Wer erschoss Salvatore G.?“ schon damals längst auf internationaler Ebene etabliert schien. Dreißig Jahre später ist diese Lücke, auf die Sie in Ihrem Überblick über Rosis amerikanisches Schicksal seiner Zeit hingewiesen haben, durch Ihre eigene Monografie über das Kino von Francesco Rosi („The Cinema of Francesco Rosi“, dt. etwa: „Das Kino des Francesco Rosi“, 2020) erfreulicherweise geschlossen worden: Der Band erschien vor fünf Jahren bei der Oxford University Press und ist im Jahr darauf mit dem renommierten Internationalen Flaiano-Preis ausgezeichnet worden. Erzählen Sie uns, wie Sie Rosi kennengelernt haben und wie es dazu kam, dass Sie schließlich selbst das Buch über sein Filmwerk auf Englisch geschrieben haben?
Gaetana Marrone (GM): Die Idee zu diesem Buch ist in mir tatsächlich lange gereift. Rückblickend würde ich aus filmkritischer Sicht sagen, dass der Flaiano-Preis 2021 und der Literaturpreis des Italienischen Kulturinstituts in Neapel 2022 eine bedeutende Hommage an Francesco Rosis Lebenswerk darstellen. Alles begann mit einem Zufall. Rosi war als Ehrengast zur Jahreskonferenz der US-amerikanischen Italianisten (American Association of Italian Studies) eingeladen worden, und die Veranstalter fragten mich, ob ich seine Kongressteilnahme mitgestalten wolle. Ich liebte Rosis Kino und sagte zu. Das alles geschah im Februar 1997, und ich entschied mich, zu Ehren Rosis eine 35mm-Retrospektive zu organisieren. Martin Scorsese schickte uns seine Kopie von „Wer erschoss Salvatore G.?“. Ich bewahre noch heute Rosis Brief auf, den ich von ihm erhielt, nachdem die offizielle Einladung, nach Amerika zu kommen, an ihn ergangen war. Rosi schrieb dem Sinn nach: „Ich freue mich sehr über die Wertschätzung meiner Filme seitens Ihrer Kollegen und Studierenden. Ihre Einladung und die der Princeton University, als ‚erster nicht-amerikanischer Künstler‘ die John Sacred Young Lectureship zu bekleiden, ehren mich nicht nur, sondern fördern auch die Beziehungen zwischen amerikanischen Studierenden und dem europäischen Kino [...]. Durch das Zusammenspiel meiner Vorlesungen und gemeinsamer Diskussionen darüber, wie Filme entstehen, rücken nicht nur die künstlerischen Aspekte eines Films, sondern auch strukturelle Aspekte, zusätzlich zu kinematographischen Techniken in den Mittelpunkt: Der Zweck unserer Zusammenkünfte wird dadurch umfassender und professioneller“.
Ich verstand mich auf Anhieb mit Francesco, der nicht nur ein Vollblutkünstler, sondern auch ein Mann von großer Menschlichkeit war. Sein Besuch in Princeton wurde rundum ein Erfolg. Er lud mich ein, ihn in Rom zu besuchen. Und so bekam ich in seinem Atelier Zugang zu seinem Privatarchiv, das heute teilweise in den Katalog des Turiner Kinomuseums integriert ist. Damals forschte ich auf dem Gebiet der Gender Studies und konzentrierte mich eigentlich auf europäische Regisseurinnen. Als ich im Juni 2000 meine Studie über die italienische Regisseurin Liliana Cavani im Kreis ausländischer Journalisten in Rom vorgestellt habe, war Rosi anwesend, saß in der ersten Reihe und äußerte sich mir und meiner Arbeit gegenüber sehr wertschätzend. Da beschloss ich, als nächstes ein Buch auf Englisch über sein Kino zu schreiben. Noch im selben Jahr kehrte er nach Princeton zurück, um die „Atempause“ („La tregua“, 1997) mit John Turturro vorzustellen.
GLL: Dank Einbeziehung biografischer Informationen, die Sie somit „aus erster Hand“ von Rosi leibhaftig erhielten, vermittelt Ihr Buch dem Leser nicht nur eine erste umfängliche Annäherung an „Rosi, den Regisseur“, sondern auch ein intimes und bewegendes Bild von „Rosi, dem Menschen“. Rosi hat Ihnen nämlich zunehmend freien Zugang zu seinem persönlichen Archiv gewährt, das Notizen, Tagebücher und anderes unveröffentlichtes Material über die verschiedenen Phasen seiner Dreharbeiten, Filmbearbeitungen und über den späteren -vertrieb enthält.
GM: Als ich anfing, Rosi gezielt aufzusuchen, war ich bereits mit anderen Projekten beschäftigt, aber ich begann, mehrere Sommer lang Archivmaterial in seinem Studio einzusehen. Er hatte mir einen Schreibtisch zugewiesen, an dem ich von neun Uhr morgens bis zum Abendessen buchstäblich „klebte“. Das Material, das damals noch nicht katalogisiert war (der renommierte italienische Filmkritiker und -historiker Lorenzo Codelli sollte das erst Jahre später tun), war wirklich sehr reichhaltig und für mich eine wahre Fundgrube. Rosi erlaubte mir, alles zu fotokopieren, was er nach und nach für mich bereitlegte: von Artikeln über diverse Themen und Drehbücher bis hin zu seinen privaten Notizen, die er während der Herstellung seiner verschiedenen Filme angefertigt hatte. Ich bekam auch die Gelegenheit, zahlreiche Interviews mit ihm zu führen.
GLL: Lassen Sie mich etwas genauer auf den kritischen Ansatz eingehen, den Sie Ihrem Ausflug in die „Kinowelt“ des Francesco Rosi zugrunde legen. Sie gehen strategisch von der breiteren Untersuchung des historischen und kulturellen Kontexts von Rosis filmischen Topographien zur genaueren Analyse der narratologischen und stilistischen Techniken über, die in jedem einzelnen Film Anwendung finden. In Ihrer Interpretationsmethodik bevorzugen Sie „die Art und Weise, wie die Beweise durch die schöpferische und transformative Vorstellungskraft des Regisseurs präsentiert werden“ – wenden sich also vorrangig „der Form“, die seine „Untersuchungen annehmen“, zu. Ihr entspringt die Bedeutung, die Sie Rosis visueller Meisterschaft beimessen: Diese drückt sich in der elliptischen Dynamik der Bilder, im Rhythmus des Schnitts, in den Rück- und Vorblenden, die die Linearität eines chronologischen Fadens durchbrechen, in der Kadrierung und der Beleuchtung aus. Dabei geht es Ihnen, kurz gesagt, um eine hohe Filmkunst, die sich in vielgestaltigen Aspekten der Regiearbeit und Inszenierung artikuliert. – Welche Bedeutung hat „die Form“ für Ihre kritische Analyse?
GM: Ich habe viele Jahre lang an diesem Buch gearbeitet. Anfangs bestand meine größte Schwierigkeit darin, einen methodischen Ansatz zu finden, der es mir ermöglichen würde, über das hinauszugehen, was die Kritiker – von wenigen Ausnahmen abgesehen – als ein im Wesentlichen „thematisch orientiertes“ Kino oder ein Kino der „zivilen Zeugenschaft“ eingeordnet hatten.
Rosi ist gewiss wegen seiner Themen interessant, die die Geheimnisse und Probleme des Nachkriegsitaliens hinterfragten. Meiner Meinung nach weist Rosis Untersuchungsprinzip aber einen ganz eigenen Stil auf, der sehr persönlich ist, und diesen Stilfragen bin ich nachgegangen. Man darf nicht vergessen, dass Rosi bei Luchino Visconti in die Lehre gegangen war und dass er zudem dessen technisches Filmteam (vom Kameramann Gianni Di Venanzo bis hin zum neapolitanischen Cutter und späteren Drehbuchautor sowie Regisseur Mario Serandrei) von Anfang an – ab „Die Herausforderung“ („La sfida“, 1958) – übernommen hat.
GLL: Wenden wir uns „Wer erschoss Salvatore G.?“ zu, der als ein Meilenstein in der Geschichte des internationalen Kinos gilt. In einem Essay über „Sizilien im Kino“ („La Sicilia nel cinema“, 1991) bezeichnet der sizilianische Schriftsteller, Politiker und ehemalige Europaabgeordnete Leonardo Sciascia (1921–1989) diesen Film als das der sizilianischen Realität und dem Phänomen der Mafia „wahrhaftig“ am nahekommende Werk. Er berichtet darin, wie er den Streifen zusammen mit „einem ausgesprochen außergewöhnlichen Publikum, [...] einem Publikum, das hauptsächlich aus Bauern bestand, die es nicht gewohnt waren, ins Kino zu gehen“, gesehen habe. Für dieses „primitive“ Publikum, fügt Sciascia hinzu, wird Salvatore Giulianos (1922–1950) Unsichtbarkeit als ein „mythisches Zeichen“ wahrgenommen, das den hagiografischen Aspekt des Banditen bestätigt und ihn sogar von jeglicher Beteiligung am Massaker von Portella della Ginestra freispricht [erstes Massaker im republikanischen Nachkriegsitalien, während dem die kriminelle Bande von Salvatore Giuliano am 1. Mai 1947 elf unschuldige italo-albanische und sizilianische Opfer in dem in der Metropolregion von Palermo liegenden gleichnamigen Bergdorf ermordet und 27 Menschen verletzt hat; Anm. d. Übers.]. Für Sciascia und für Zuschauer wie ihn, die den Film als ein denunziatorisches, anklagendes Werk begreifen, stellt der Heiligenschein der undurchschaubaren Dunkelheit, der sich aus dieser Vergänglichkeit ergibt, die schärfste Verurteilung der politischen Kräfte dar, die Salvatore Giuliano kontrollierten. Was halten Sie von Sciascias Worten über die „Unsichtbarkeit“ des Banditen Salvatore Giuliano und die Spannung, die zwischen dem, was in einem Deleuze’schen „Hors-champ“ im Off bleibt, und dem, was stattdessen auf der Leinwand konkret gezeigt wird, entsteht? Glauben Sie, dass die Unsichtbarkeit die Mythologie verdrängt oder sie verstärkt?
GM: Rosi und Sciascia hatten sich 1962 am säkularen, sozialistischen und reformistischen Mailänder Kulturzentrum „Circolo Turati“ während einer vom norditalienischen Widerständler und Politiker Ferruccio Parri (1890–1981) angeregten Debatte über die Mafia kennengelernt. Seitdem verband sie gegenseitig eine tiefe Wertschätzung und Freundschaft. Rosi erklärte später, dass er dank Leonardo Sciascia und dessen Denkansatzes einiges über Sizilien gelernt habe. Auf der Basis dieses Austauschs verfilmte er 1976 Sciascias Detektivroman „Tote Richter reden nicht“ (dt. auch: „Der Zusammenhang“, „Il contesto“, 1971) unter dem Filmtitel „Die Macht und ihr Preis“ („Cadaveri eccellenti“, 1976), in dem es um die erschütternde italienische Realität der 1970-iger Jahre und insbesondere um die Degeneration der Macht hin zum sogenannten „Trasformismo“ geht [Nivellierung der ideologischen Differenzen von parlamentarischen Gruppierungen; Anm. d. Übers].
Gleichwohl prägten die Dynamik der Macht und das Zusammenspiel von Mafia und Politik auch schon die Atmosphäre von „Wer erschoss Salvatore G.?“. Die Idee, den Film mit einer Aufnahme aus der Vogelperspektive von Salvatore Giulianos Leiche im Hof des Anwalts Gregorio Di Maria in der Via Mannone in Castelvetrano [nahe Palermo auf Sizilien liegende Gemeinde, in der Salvatore Giuliano seine letzten Lebensmonate verbracht hat und eines Morgens tot aufgefunden wurde; Anm. d. Übers.] zu beginnen, evoziert die Authentizität dessen, was Rosi einen „dokumentierten Film“ [„film documentato“; Anm. d. Übers.] nannte.
Das Bild ist von einem Agenturfoto inspiriert, und der Körper wird mittels Großaufnahme nachgestellt. Ein Journalist stellt die offizielle Nachstellung vom Tod des Banditen in der Nacht des 5. Juli 1950 in Frage. Ich nenne das einen „epistemologischen Realismus“: Im Mittelpunkt der Handlung stehen der Tod des „Königs“ von Montelepre [sizilianische Geburtsstadt von Salvatore Giuliano; Anm. d. Übers.] und die in Rückblenden erzählte Untersuchung der Umstände, die zu dessen Tod geführt haben – insbesondere die Verstrickungen Giulianos mit der Mafia und mit der politischen Macht auf der Insel. Rosi stützt sich ausschließlich auf dokumentierte Quellen wie die Niederschrift des Prozesses von Viterbo (1950–1952) über das Massaker von Portella della Ginestra, während dem Gaspare Pisciotta droht, die ganze Wahrheit zu sagen, und später im Gefängnis „Ucciardone“ in Palermo vergiftet wird. Salvatore Giulianos Tod bleibt ein Rätsel. Er wurde nur 27 Jahre alt. Seine Verteidigungsschrift ist verschwunden. Rosi war davon überzeugt, dass sie sich in einem Geheimarchiv in Washington befände.
Ich würde daher nicht von Mythologie sprechen, denn das Fehlen der Figur ist eine Entscheidung, die strukturell mit einem engagierten Diskurs verbunden ist. Nach „Der Fall Mattei“ [in dem es um den italienischen Manager Enrico Mattei der 1953 gegründeten staatlichen Erdölgesellschaft ENI geht, der 1962 durch einen unaufgeklärten Flugzeugabsturz umkam; Anm. d. Übers.] und „Lucky Luciano“ (1973) ist dies Rosis erster investigativer Film. Rosi glaubte an die aktive Rolle des Zuschauers, an die Herstellung einer dialogischen Beziehung zwischen Leinwand und Publikum. Der Film schließt mit der Leiche eines Mafioso, der auf einem Platz ermordet wurde, was bezeugt, dass die Macht und die Geheimnisse Italiens schwer fassbar bleiben. Das bäuerliche Publikum, auf das sich Sciascia bezieht, bestätigt die Mythologie um die Figur in der Volksvorstellung, nämlich die eines Banditen, der die Reichen bestahl, um den Armen zu helfen.
Ich bin mit den Geschichten über Salvatore Giuliano aufgewachsen. Meine Mutter stammte aus Castelvetrano, und einer meiner Onkel taucht in der Eröffnungsszene des Films auf. Er wurde zufällig von der Produktion rekrutiert. Ich habe mich auch mehrmals mit dem Anwalt Di Maria getroffen, der seine offizielle Aussage über die Geschehnisse in der schicksalhaften Nacht von Salvatore Giulianos Tod zwar nie revidiert hat, aber doch zuließ, dass etliche Zweifel über sie aufkamen. Tatsächlich kursierten unter den Älteren andere Gerüchte in Castelvetrano. In der Stadt gab es einen Militärflughafen, der während der Landung der Alliierten genutzt worden war. In dieser Nacht sahen viele ein Flugzeug, das auf den Banditen wartete, um ihn in die Vereinigten Staaten zu überführen. Offensichtlich wusste er zu viel und sollte zum Schweigen gebracht werden.
GLL: Eine paradigmatische Sequenz in „Wer erschoss Salvatore G.?“, auf die Sie im Buch eingehen, ist auch die der Mutter, die im Leichenschauhaus über die Leiche ihres Sohnes gebeugt weint. Sie schreiben, dass sich die Mutter in eine Figur verwandelt, die „die trauernde Mutter der mediterranen Zivilisation“ verkörpert. Welche technischen Strategien wendet Rosi an, um die Verwandlung von Salvatore Giulianos Mutter in eine archetypische Mutter in diesem akribisch inszenierten „Psychodrama“, um Ihre Worte zu gebrauchen, zu erreichen?
GM: Um auf das zurückzukommen, was ich vorhin zur Authentizität gesagt habe, die Rosi in seinem Film herstellen wollte, wurde diese Szene mit Virginia Leone gedreht, einer lokalen Bäuerin, deren Sohn unter ähnlichen Umständen ums Leben gekommen war. Sie war nicht darauf vorbereitet worden, die Szene der Identifizierung von Salvatore Giulianos Leiche zu „spielen“, sondern wurde direkt auf den Friedhof von Castelvetrano geführt und gebeten, die Leichenhalle zu betreten. Der Anblick des reglosen Leichnams auf der Marmorplatte löste in der Frau eine uralte Klage aus, eine Klage, die für den Süditalienspezialisten, Religionshistoriker und neapolitanischen Anthropologen Ernesto de Martino (1908-1965) an die große Mutter der mediterranen Kultur erinnert. Um die Szene zu drehen, hatte Rosi den Kameramann Di Venanzo gebeten, die Scheinwerferlichter zu verstecken und eine kleinere Kamera einzusetzen, die die Aufmerksamkeit der Frau nicht auf sich ziehen würde. Es ist eine der unvergesslichsten Szenen im Film geworden.
GLL: Zu den vorherrschenden Metaphern in „Wer erschoss Salvatore G.?“ zählt – wie in allen Untersuchungsfilmen von Rosi – die des Labyrinths, dessen Struktur sich dem beruhigenden narratologischen Abschluss verweigert und stattdessen die Verwirrung des offenen Endes ohne Auflösung vorzieht. Je mehr der Regisseur in das Labyrinth eindringt und versucht, der „historischen Wahrheit“ nahezukommen, desto mehr verstricken sich die Spuren der Vergangenheit, entgleiten dem Zuschauer und werden undurchschaubar. – Erzählen Sie uns mehr über Rosis „Labyrinth-Metapher“?
GM: Ich würde sagen: Rosi versucht gar nicht, die historische Wahrheit zu rekonstruieren, vielmehr zielt er geradezu auf deren nicht dokumentierte Auflösung ab. Die Fragmente und verworrenen Details der akkurat verifizierten Fakten bleiben als solche erhalten. Stilistisch wählt er einen nicht-linearen Schnitt, um ungelöste Ereignisse darzustellen. Bevor er mit dem Schreiben eines Treatments und dann des Drehbuchs begann, sichtete Rosi alle vorhandenen und öffentlich zugänglichen Quellen zu einem bestimmten historischen Fall. Er fügte nichts Erfundenes hinzu. In der klassischen Metapher des Labyrinths sucht man das Zentrum, um dem Ungeheuer zu begegnen. In Rosis Filmen führen unterirdische Labyrinthe, in denen nach verborgenen und bruchstückhaften Wahrheiten gesucht wird, nur zu einer offenen Lösung hin.
GLL: Das Labyrinth ist eine Zone der Schatten und Geheimnisse, die von Zweideutigkeit umhüllt ist. Das erinnert mich an die Worte des sizilianischen Autors Gesualdo Bufalino (1920–1996) und dessen Beschreibung des Sizilianers als „eine unwiederholbare psychologische und moralische Zweideutigkeit“ in dem von ihm und Nunzio Zago herausgegebenen Buch über die „Hundert Sizilien“ („Cento Sicilie. Testimonianze per un ritratto“, 1993).
GM: Zu den berüchtigtsten Rätseln, die das in seiner sozialen Identität zersplitterte Italien damals bereithielt, zählen die Mysterien, die sich um den Tod sowohl von Salvatore Giuliano als auch von Enrico Mattei (1906–1962) ranken, sowie die Unmöglichkeit zu beweisen, dass der italoamerikanische Mafiaboss Lucky Luciano (1897–1962) von Neapel aus den internationalen Drogenhandel koordinierte. Es besteht eine inhärente Ambiguität zwischen der legalen Macht, die durch den Staat und die Polizei repräsentiert wird, und der illegalen Macht des organisierten Verbrechens und des Banditentums. Rosi begibt sich in ein Labyrinth unterschiedlicher Versionen der Tatsachen – ein Prozess, der die offizielle Version in Frage stellt und sich am Ende, wie gesagt, für eine offene Lösung entscheiden muss.
Gaetana Marrone. Foto: Gerardo Puglia
GLL: Während der Dreharbeiten zu „Wer erschoss Salvatore G.?“ meinte Rosi, die Fotografie könne dem Publikum dabei helfen, die komplizierte Geschichte des Banditen zu verstehen. Welchen Beitrag leisteten die Fotografie und Bildgestaltung von Gianni Di Venanzo (1920–1966) bei der filmischen Darstellung dieser verworrenen Ganovengeschichte, die von der Geschichte Siziliens zwischen 1943 und 1960 nicht abzukoppeln ist?
GM: Di Venanzo, der 1966 jung verstarb, ist der bekannteste Kameramann der italienischen Kinogeschichte. Man denke nur an die Filme von Michelangelo Antonioni (1912–2007) oder Federico Fellini (1920–1993). Wichtig erscheinen mir vor allem die Wahl der Schwarz-Weiß-Farbigkeit, die nicht von der Objektivität der Geschichte ablenkt, und jene Ausrichtung der Beleuchtung, die das natürliche Licht des Ortes wiedergibt. Ein gutes Beispiel dafür sind die Nachtszenen in Castelvetrano mit den Straßenlaternen, die so eingestellt worden waren, dass sie jene Lichtspiralen und Schattenspiele erzeugen, die für die Geschichte bezeichnend sind, und, unter den Schlüsselszenen, die des Massakers an den Bauern in Portella della Ginestra am 1. Mai 1947. Die Sequenz wurde mit Weitwinkel und Gegenlicht gedreht, um die Landschaft und die Frauen, die über die Leichen ihrer Toten weinen, stärker hervortreten zu lassen. Es gibt nur wenige Nahaufnahmen in dem Film, da sich Rosi darin ganz auf eine kollektive Erfahrung konzentriert.
GLL: Rosi ist mit „Der Fall Mattei“ und „Lucky Luciano“ nach Sizilien zurückgekehrt, um dort einige Szenen aufzunehmen, hat dann aber „Die Macht und ihr Preis“ in einem Stil gedreht, den Sie als „neobarock“ bezeichnen. Wie erklärt sich diese stilistische Veränderung?
GM: Sizilien ist ein von Rosi favorisierter Drehort: Man denke in beiden Filmen nur an den Schauplatz der historischen Rede von Enrico Mattei in Gagliano Castelferrato [landwirtschaftlich geprägte sizilianische Kleinstadt nordöstlich von Enna; Anm. d. Übers.] oder an den Besuch von Lucky Luciano auf dem Friedhof von Lercara Friddi [von Landwirtschaft und Handwerk lebende sizilianische Stadt in der Metropolregion von Palermo; Anm. d. Übers.], sobald er in Italien gelandet ist. Aber im Roman „Die Macht und ihr Preis“ [der Originaltitel „Cadaveri eccellenti“ bedeutet wörtlich: „Herausragende Leichen“; Anm. d. Übers.], einem Noir, den Sciascia in seiner Einleitung als „eine Apologie der Macht in der Welt“ bezeichnet, setzt sich Rosi mit jenem monströsen System von Lügen auseinander, mit dem die Macht die Wahrheit verdunkelt, indem sie Unwahrheiten konstruiert.
Um dieses monströse Rädchen einer unsichtbaren Macht darzustellen, gibt Rosi den dokumentarischen Realismus seiner früheren Filme zugunsten eines „theatralischen“ Stils auf: Korruption, Verschwörungen und zivile Degradierung werden auf die Bühne der Geschichte projiziert. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr Einzelpersonen wie Salvatore Giuliano, Enrico Mattei oder Lucky Luciano, sondern die Spiele der politischen Macht, einer „Pest“ (wie Rosi es nennt), die sich von Palermo oder Neapel über das ganze Land ausgebreitet und den Staat „verseucht“ habe. Im Film ist zum Beispiel die Überwachungsfunktion der Geheimdienste tödlicher als die Macht der Mafia selbst. Was ich eine „labyrinthische neobarocke Reise durch den Süden“ nenne, zeigt die Rekonstruktion der Ereignisse durch eine fragmentierte visuelle Theatralik. Rosis Labyrinth ist ein Bild der Orientierungslosigkeit. Es ist eine der Formen des Chaos, wenn wir unter „Chaos“ die Komplexität eines okkulten, mehrdimensionalen Systems verstehen wollen.
GLL: Sie analysieren den Mord an der Figur des Staatsanwalts Varga, den Charles Vanel (1892–1989) meisterhaft spielt, mit tiefer Ausdrucksdichte, indem Sie in Ihrem Buch die Ermordung Vargas aus synästhetischer Sicht beschreiben. Im Film riecht der Staatsanwalt in den letzten Augenblicken seines Lebens an einer Jasminblüte (die Blume steht für die Quelle sinnlicher Freuden, fungiert hier aber auch als Vorbote des Todes), die er unter der gleißenden Sonne in der Hand hält, als er von einem Kugelhagel getroffen wird. Sie schreiben: „Rosi verwandelt Sciascias greifbare Assoziationen mit Sizilien (das Licht, die Farben, die Düfte) in Geheimnis, Dunkelheit und Tod“ [engl. Original: „Rosi turns Sciascia’s palpable associations with Sicily (the light, the colors, the scents) into mystery, darkness, and death“; Anm. d. Übers.]. Ich fühle mich dabei erneut an das Buch „Hundert Sizilien“ („Cento Sicilie“) erinnert, in dem Bufalino ein Sizilien beschreibt, das aus Dunkelheit und Licht besteht: „Die ganze Insel ist eine Mischung aus Trauer und Licht. Dort, wo die Trauer am schwärzesten ist, ist das Licht am schrillsten und lässt den Tod unglaublich, unannehmbar erscheinen“ [ital. Original: „l’isola tutta è una mischia di lutto e di luce. Dove è più nero il lutto, ivi è più flagrante la luce, e fa sembrare incredibile, inaccettabile la morte“; Anm. d. Übers.]. – Wie wichtig ist der Hell-Dunkel-Effekt in Rosis Darstellung eines chthonischen, atavistischen Siziliens, das sich gleichzeitig eng mit der gelebten Realität verbinden lässt?
GM: Die Eröffnungssequenz des Films, die in der Krypta der Katakomben des palermitanischen Kapuzinerordens gedreht wurde, ist stilistisch eine der denkwürdigsten in Rosis gesamten Filmwerk. Sciascia beginnt „Die Macht und ihr Preis“ mit dem Tod des Staatsanwalts Varga an einem Maiabend, getroffen von der Hand eines unbekannten Mörders, während er eine frischgepflückte Jasminblüte fest zwischen seinen Fingern hält. In der ersten Einstellung des Films sieht man die Silhouette einer geheimnisvollen Gestalt, die sich langsam und von einem Lichtstreifen geführt in die unterirdische Kapuzinerkrypta begibt. Eine Nahaufnahme zeigt ein ernstes und nachdenkliches Gesicht – das sich einer langen Reihe von Skeletten nähert, die an der Wand hängen und die in ein unheimliches, gelbliches Licht getaucht sind –, um dann stehenzubleiben und diese Ahnenreihe mit dem Ziel zu „verhören“, von den Toten mehr über die Geheimnisse der Lebenden zu erfahren.
Rosi führt das zentrale Thema des Films – den Tod – mittels der raffinierten Beleuchtung des Bildgestalters und Kameramanns Pasqualino De Santis (1927–1996) sowie Frédéric Chopins (1810–1849) Trauermarschs ein, der die Ermordung nicht nur des Staatsanwalts vorwegnimmt, sobald dieser aus den Katakomben wieder auftaucht, sondern auch einer Reihe von Richtern, die es später treffen sollte. Hinzu kommt die barocke Theatralik der majestätischen Sequenz von Vargas Beerdigung, die mit dem atemberaubenden Bild des von acht schwarzen, gefiederten Pferden gezogenen Leichenwagens endet. Rosi nutzte hierfür die historischen Karren der neapolitanischen Firma Bellomunno.
GLL: Rosi hat einmal gesagt, dass ihm Spanien zuweilen wie ein zweites Neapel oder ein zweites Sizilien vorkäme: Welches sind die charakteristischen Merkmale, die Rosis sizilianische Filme, einerseits, mit, andererseits, „Die Hände über der Stadt“ – gedreht in Neapel – und „Augenblick der Wahrheit“ („Il momento della verità“, 1965) sowie „Carmen“ (1984) – die beide in Spanien spielen – verbinden?
GM: Der Süden und insbesondere Sizilien repräsentieren den kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kontext Italiens, auch wenn Rosi in Filmen wie „Christus kam nur bis Eboli“ oder „Drei Brüder“ („Tre fratelli“, 1981) zugleich eine persönliche, innerlich durchlebte Erfahrung dramatisiert. In „Die Hände über der Stadt“ wird ein Problem der städtischen Spekulation und der politischen Korruption thematisiert, das weit über das lokale Territorium hinausgeht und den Skandal der Stadtentwicklung im Nachkriegsitalien verdeutlicht. Spanien steht ebenfalls für „den“ Süden – wie auch Kolumbien in „Chronik eines angekündigten Todes“ („Cronaca di una morte annunciata“, 1987). Das sind Filme, die auf ein nicht idealisierendes Porträt junger Matadore zurückgreifen, die in der Stierkampfarena den Tod herausfordern, um der atavistischen Armut entweder eines spanischen „Peón“ [dt.: ungelernter Hilfsarbeiter, Handlanger; Anm. d. Übers.] oder der „Gitanos“ [dt.: Sinti und Roma; Anm. d. Übers.] zu entkommen. Rosis Interesse gilt weiterhin den sozialen und geopolitischen Zusammenhängen. „Carmen“ ist kein Theaterstück, sondern wurde live in Andalusien gedreht. Hier genügt es, die Ouvertüre zu erwähnen, in der der Stierkämpfer sein Schwert zum letzten Schlag ausstreckt, um den Stier zu durchbohren – eine Szene, die Carmens Opfertod ankündigt.
GLL: Fast dreißig Jahre nach „Wer erschoss Salvatore G.?“ unternimmt Rosi mit „Palermo vergessen“ („Dimenticare Palermo“, 1990) seine letzte Sizilienreise, um dem Regisseur Luchino Visconti und seinem Werk „Der Leopard“ („Il Gattopardo“, 1963) zu huldigen. Der Streifen wurde im Palazzo Gangi gedreht, in dem auch Viscontis großartige Ballszene aufgenommen worden war. Es ist der letzte Film, in dem Rosi das Verhältnis zwischen Mafia und Politik thematisiert, wobei er dieses Mal den Schwerpunkt auf den illegalen Handel zwischen Sizilien und Nordamerika legt.
GM: In der Adaption des mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Romans „Oublier Palerme“ („Palermo vergessen“, 1966) der französischen Autorin und Widerstandskämpferin Edmonde Charles Roux (1920–2016) unter dem gleichnamigen Titel „Palermo vergessen“ – mit James Belushi in der Rolle eines Italoamerikaners, der in die Politik geht, um den Drogenhandel zu bekämpfen – wird die Reise nach Sizilien zu einem Showdown, der mit dem Tod des Protagonisten endet. Rosi bannt ihn in derselben Position auf die Leinwand wie einst den toten Salvatore Giuliano – eine ikonische Einstellung in Rosis Kino. Die schönste Szene ist zweifellos die Hommage an Visconti, die an den berühmten und prachtvollen Tanz des Fürsten von Salina (gespielt von Burt Lancaster) mit der jungen Angelica (Claudia Cardinale) erinnert.
GLL: Es gibt viele Sizilien-Bilder in der Literatur und im Kino – man denke nur an Giovanni Verga (1840–1922), Luigi Capuana (1839–1915), Luigi Pirandello (1867–1936), Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896–1957), Leonardo Sciascia, Gesualdo Bufalino, Luchino Visconti, Francis Ford Coppola (geb. 1939) oder Andrea Camilleri (1925–2019), um nur einige Namen zu nennen. Wie würden Sie die Charakteristika von Rosis Bildersprache zusammenfassen, die er uns hinterlässt und mit der er der traditionellen Sizilien-Darstellung seine ganz eigene Note verliehen hat?
GM: Sizilien ist eine privilegierte Landschaft, sowohl kulturell als auch visuell, mit seinen Farben und Düften. Rosi sagte gern voller Stolz und Rührung: „Ich bin ein Neapolitaner normannischer Abstammung.“
GLL: Rosi begann seine Filmkarriere mit einer Auswahl von an wahren Begebenheiten inspirierten Geschichten (seinen sogenannten „dokumentierten Filmen“), die er mit einem „ethnografischen Auge“ auf Celluloid verewigt hat. Er beschloss seine Karriere mit dem dokumentarischen „Neapolitanischen Tagebuch“ („Diario napoletano“, 1992) und zu guter Letzt mit der „Atempause“ („La tregua“) 1997, in denen er uns eine sowohl historische als auch persönliche Wegbeschreibung auf der Grundlage seiner Erinnerungen liefert. Welche Lehre können wir aus dieser Entwicklung ziehen, die von der Dringlichkeit des Fragens und des Zeugnisablegens zu den intimeren Tönen jener Selbstreflexion führt, die uns Francesco Rosis Filmschaffen noch über hundert Jahre nach seiner Geburt und zehn Jahre nach seinem Tod vermittelt?
GM: Für Rosi ist Erinnerung keine Nostalgie, sondern Geschichte in dem Sinne, dass sie im persönlichen Bezug zur Vergangenheit ein kritisches und moralisches Urteil wiederbelebt, das unsere nationalen Entwicklungen widerspiegelt. Am Ende der „Atempause“ hält die – von John Turturro im Film gespielte – Figur des [einer liberalen jüdischen Turiner Familie entstammenden; Anm. d. Übers.] Schriftstellers und Holocaust-Überlebenden Primo Levi (1919–1987) vor einer Schale Milchkaffee ein Stück Brot in der Hand. [Der Film „La tregua“ ist eine Filmadaptation des gleichnamigen autobiographischen Kurzromans von Primo Levi aus dem Jahr 1963, in dem Levi seine Erfahrungen im KZ Auschwitz auf der Rückreise nach Italien darlegt; Anm. d. Übers.].
Hierbei handelt es sich um eine persönliche Erinnerung des Regisseurs, gleichzeitig fixiert er mit seinem Blick die Kameralinse, bevor er beginnt, das Publikum mittels eines Zitats aus Levis autobiographischem Bericht „Ist das ein Mensch?“ („Se questo è un uomo“, 1947) dazu aufzufordern, nicht zu vergessen.
Der neapolitanische Regisseur Francesco Rosi zeugt noch heute von einem beeindruckenden ethischen Engagement, großer Menschlichkeit und vom Kino als Leben. Mit seinen Filmen hat er Italien in dessen ganzer Wahrheit und umfänglicher Relevanz abgebildet. Rosis Botschaft gilt über alle Zeiten hinweg, auch wenn sich etwa – wie jetzt gerade – die Zeitzeugen der historischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts allmählich verabschieden.
Gaetana Marrone
Zur Person:
Prof. Gaetana Marrone PhD ist Professorin für Italianistik an der Princeton University in den USA und auf moderne italienische Literatur, europäisches Kino der Nachkriegszeit sowie Genderstudien spezialisiert. Sie ist Autorin mehrerer Bücher – darunter „New Landscapes in Contemporary Italian Cinema“ (1999), „The Gaze and the Labyrinth: The Cinema of Liliana Cavani“ (2000) und „The Eye and the Labyrinth“ (2003) – sowie Mitherausgeberin einer zweibändigen englischsprachigen Enzyklopädie der italienischen Literaturwissenschaft („Encyclopedia of Italian Literary Studies“, 2007).
Marrone hat selbst preisgekrönte Filme produziert: „Woman in the Wind“ mit der verstorbenen Colleen Dewhurst, einen Dokumentarfilm über die intellektuelle und soziale Geschichte der Universität Princeton („Images of a University“) und „Zefirino: The Voice of a Castrato“ mit Anthony Costanzo in der Hauptrolle über die künstlerische Entwicklung der berühmten Kastratensänger. Ihr in unserem Beitrag vorgestelltes Buch über Francesco Rosis filmisches Werk (The Cinema of Francesco Rosi, 2020) wurde mit dem Premio Internazionale Flaiano 2021 ausgezeichnet. Ihr neuester, zusammen mit Maria Di Battista herausgegebene Band („Liliana Cavani’s Francesco Trilogy, 2025) ist der filmischen Franziskus-Trilogie (1966, 1989, 2014) der italienischen Regisseurin und Drehbuchschreiberin Liliana Cavani (geb. 1933) gewidmet.
Das vorliegende Interview wurde von der Italianistin und Filmwissenschaftlerin Gloria Lauri-Lucente (Universität Malta) mit Gaetana Marrone auf italienischer Sprache geführt und von Dagmar Reichardt für KulturPort.De leicht bearbeitet und ins Deutsche übersetzt.
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