Film & Kino aktuell
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Irland nach Wirtschaftskrise und Missbrauchsskandalen: John Michael McDonagh inszeniert seinen provokanten postmodernen Thriller als hintergründige Tragikomödie, die sich aber bald schon zum finster melancholischen Drama entwickelt.
Wie jeden Sonntag nimmt Father James (Brendan Gleeson) die Beichte ab. „Ich war sieben Jahre alt, als ich das erste Mal Sperma schmeckte”, der Mann, der da spricht, scheint kein reuiger Sünder, er will nicht Vergebung sondern Vergeltung. Fünf endlos lange Jahre hindurch wurde er von einem katholischen Geistlichen vergewaltigt. Wieder und wieder. Das Trauma hat er nie verwunden.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ein Dokumentarfilm getarnt als bunt schillernder Neo-Noir. Oder umgekehrt?
Wahrlich ein Meisterwerk, in dem Wirklichkeit und Fiktion ständig die Rollen tauschen.
Es ist der 20.000ste Tag im Leben des legendären Rockpoeten: Er beginnt mit dem Wecker-Klingeln und endet mitten in seiner Seele. Die Regisseure Iain Forsyth und Jane Pollard entführen den Zuschauer auf eine atemberaubende audiovisuelle Exkursion durch Zeit und Raum. Unerbittlich tippt der australische Musiker auf seiner kleinen strahlend blauen Schreibmaschine vor sich hin.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Satire oder Realität? Das ironisch amüsante Gesellschaftsdrama lehrt uns das Fürchten und die Unmöglichkeit des Traums einer klassenlosen Gesellschaft.
Vorbild für den Film der dänischen Regisseurin, Lone Scherfig, ist die exklusive Studentenverbindung des 1870 gegründeten Bullingdon Clubs an der Universität von Oxford. Zu den illustren Mitgliedern der geheimen Dining Society zählten viele, die später Macht und Einfluss hatten: König Edward VII und Edward VIII, Banker, Wirtschaftsführer, prominente Adlige, Politiker wie der englische Premierminister David Cameron, Schatzkanzler George Osborne und Londons Bürgermeister Boris Johnson. Weniger ruhmreiches Mitglied: Gottfried Alexander Leopold Graf von Bismarck-Schönhausen.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Wenn die Wahrheit für Opfer wie Täter unerträglich wird: Christian Petzold inszeniert seine provokante vielschichtige Parabel über Identität, Schuld und Liebe als Film Noir.
Juni 1945, die jüdische Sängerin Nelly Sachs (Nina Hoss) hat Auschwitz überlebt. Ihr Gesicht ist völlig zerstört, sie selbst schwer traumatisiert. Lene (Nina Kunzendorf), Mitarbeiterin der Jewish Agency, bringt die Freundin zurück nach Berlin. Nach einer operativen Gesichtsrekonstruktion macht sich Nelly auf die Suche nach Jonny (Ronald Zehrfeld), ihrer großen Liebe. Die Ehe mit dem Pianisten hat sie während des Nationalsozialismus lange vor der Deportation geschützt.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Philip Seymour Hoffman starb am 2. Februar 2014 an den Folgen einer Überdosis Drogen.
Der glücklose Kampf des einsamen Agenten Günther Bachmann war seine letzte große Rolle und auch seine persönlichste.
Anton Corbijn inszeniert den melancholisch abgründigen Spionagethriller nach dem gleichnamigen Roman von John le Carré als zorniges Melodram. Ein ästhetisch virtuoser Film und erschreckendes Porträt unserer Gesellschaft: Hamburg 2012, ein mysteriöser Fremder (Grgory Dobrygin) irrt durch die Straßen der Hansestadt: ausgemergelt, traumatisiert, obdachlos. Was den muslimischen Tschetschenen von anderen Illegalen unterscheidet, ist ein dubioses Millionenerbe auf dem Schwarzgeldkonto einer renommierten Privatbank.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ein packendes vielschichtiges Psychodrama. Grandios fotografiert. Volker Schlöndorffs stärkster Film seit “Die Blechtrommel”.
„Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen,” so lautet der Befehl Adolf Hitlers und General Dietrich von Choltitz (Niels Arestrup) ist fest entschlossen, ihn am Morgen auszuführen.
Es ist die Nacht vom 24. auf den 25. August 1944. Die Alliierten sind nach ihrer Landung in der Normandie auf dem Vormarsch. Die Zweite Französische Panzerdivision steht vor den Toren der Stadt. Das Oberkommando der Wehrmacht hat sein Quartier im luxuriösen Hotel Meurice an der Rue de Rivoli mit Blick auf den Jardin des Tuileries.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ein hinreißender fesselnder Film von verstörender Eindringlichkeit mit magischen wunderschönen Bildern.
Tiflis, Georgien, Sommer 1992. Eka (Lika Babuluani) und Natia (Mariam Bokeria) sind 14 Jahre alt und beste Freundinnen. Der Abchasien Konflikt droht zu eskalieren. Das Land leidet unter dem Bürgerkrieg. Armut, Gewalt, heruntergekommene Plattenbauten, überall nur bröckelnden schäbige Fassaden. Alles scheint in Auflösung begriffen: Traditionen, Beziehungen, Autoritäten. Eine postsowjetische Gesellschaft in Trümmern, das ist die Welt der beiden Mädchen und ihrer Schulfreundinnen. Wie will man da glücklich, unbeschwert sein?
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Dies soll sein letzter Film sein, hatte Ken Loach verkündet, aber so ganz glaubt er selbst nicht daran.
Ein Rebell wie er geht nie in den Ruhestand. Der britische Regisseur und bekennende Sozialist ist 78 Jahre alt. Seinen Überzeugungen treu inszeniert er das historische Politdrama: leidenschaftlich, ästhetisch virtuos, zuweilen mit fast beschwingter, ungewohnter Leichtigkeit. Aber nichts täuscht darüber hinweg, worum es geht: Ausbeutung, Unfreiheit, damals wie heute.
Irland 1932. Nach zehn Jahren im amerikanischen Exil kehrt Jimmy Gralton (Barry Ward) zurück in sein Heimatdorf. Der Bruder ist gestorben, er will sich um die Mutter und den winzigen Hof kümmern. Eine Landschaft von überwältigender, herber Schönheit, die politischen Verhältnisse dagegen sind erschreckend. Kirche und Obrigkeit paktieren, die reichen Großgrundbesitzer vertreiben die kleinen Pächter von deren Farmen.
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In Dominik Grafs unkonventionellem Historiendrama wird Dichterrebell Friedrich Schiller nicht zu unserem Zeitgenossen sondern wir zu seinem.
Die wahren Revolutionäre der Leidenschaft sind aber Frauen.
Im Sommer 1788, im thüringischen Rudolstadt beginnt die anrührende Ménage-à- trois zwischen dem Autor der “Räuber” (Florian Stetter) und den Schwestern Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung) und Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius).
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Diao Yinan inszeniert seinen makabren düsteren Thriller als bildgewaltige Allegorie auf die heutige Gesellschaft Chinas.
Eine abgehackte Hand zwischen schwarzer Kohle auf einem Förderband, ein menschliches Auge in der Nudelsuppe eines Schnellimbiss’, an den verschiedensten Orten tauchen weitere Leichenteile auf. Im tristen Norden des Landes sind bizarre Verbrechen keine Seltenheit. Die Ermittler glauben dem Mörder auf der Spur zu sein, doch die Festnahme endet als blutiges Fiasko. Zwei Polizisten werden erschossen, der leitende Kommissar, Zhang Zili (Liao Fan) kommt nur knapp mit dem Leben davon, muss seinen Dienst quittieren. Der Fall bleibt unaufgeklärt. Noch kurz zuvor sah der Zuschauer den glücklosen Detektiv auf einem Hotelbett zwischen Spielkarten und wutdurchtränkter Leidenschaft mit seiner Frau: das Abschiedsritual einer zerstörten Ehe. Am Bahnhof die letzte Umarmung, sie gleicht einem tödlichen Angriff und Zhang mehr einem Täter als dem Vertreter von Recht oder Ordnung. Ein Film Noir von abgründiger Schönheit.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Eine betörende melancholische Fabel, manche Kritiker aber empfinden ihre Poesie als puren Kitsch.
2001 verzaubert Jean-Pierre Jeunet das Publikum mit „Die fabelhafte Welt der Amélie”. Jetzt hat der französische Kult-Regisseur den gleichnamigen Bestseller von Reif Larsen als skurriles wie hintergründiges Roadmovie inszeniert. Atemberaubende Bilder, magische 3D Technik und ein kurioser Protagonist, den der 60jährige Filmemacher zu seinem Alter Ego auserkoren hat: T.S. Spivet (Kyle Catlett) ist ein genialer Erfinder, Kartograph und zehn Jahre alt.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Erschreckend wie faszinierend: Errol Morris’ biographischer Dokumentarfilm über den früheren amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.
Hat der Irak Massenvernichtungswaffen? Das war 2002 die alles entscheidende Frage. Noch heute ist der 81jährige ehemalige Politiker der Bush-Ära ein Meister der Verneblungstaktik. Seine Philosophie entlarvt sich auf der Leinwand schon bald als schier unerträgliche pseudointellektuelle Wortakrobatik. Doch jene rhetorischen Ablenkungsmanöver machten Geschichte und sind Kernpunkt des Interviews.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ihre Poesie war wie ein Aufschrei.
Albert Camus, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Jean Genet, sie alle bewunderten den Mut, die Kompromisslosigkeit, das schriftstellerische Talent von Violette Leduc. Regisseur Martin Provost inszeniert das Porträt der radikalen Außenseiterin als eine Chronik von Hingabe und Verzweiflung. „Ist eine Frau hässlich, kommt das einer Todsünde gleich. Ist man schön, dreht man sich nach Dir um, weil Du schön bist. Ist man hässlich, dreht man sich nach Dir um, weil du so hässlich bist.” Worte voller Bitterkeit. Verkannt, gedemütigt, ungeliebt, so fühlt sich Violette (Emmanuelle Devos) seit frühster Kindheit. 1907 in Arras, Nordfrankreich geboren als uneheliches Kind eines Dienstmädchens, der Vater aus wohlhabender Familie erkennt seine Tochter nicht an.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Ein ergreifendes Drama: kompromisslos, fesselnd, von seltsam fragiler Schönheit genau wie seine Protagonistin.
25 Jahre Familienleben inszeniert Katell Quillévéré als ungewöhnlichen Mix aus realistischer Chronik und romantischer Fiktion. Ein verstörender Film extremer Gegensätze, lakonisch, doch wenig später schon erbarmungslos emotional, abgründig ohne jeden Pathos, vor allem virtuos erzählt. Ein Puzzle voller Lücken: Unerwartet in fremde Schicksale verstrickt, sieht sich der Zuschauer immer wieder gezwungen, die Handlung weiterzuspinnen, Jahre zu überbrücken, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Episoden selber herzustellen.
