Film & Kino aktuell
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Den verzweifelten Kampf um Recht und Gerechtigkeit inszeniert Arnaud des Pallières als archaisch poetischen Western in der rauen Bergwelt der Cevennen.
Unwiderstehlich: Mads Mikkelsen als glückloser Ehrenmann.
Heinrich von Kleists Novelle verlor seit ihrem Erscheinen 1810 nie an politischer Aktualität, im Gegenteil: Regisseur Volker Schlöndorff verfilmte 1969 den Literaturklassiker dem damaligen Zeitgeist entsprechend als engagiert bemühte Parabel auf die weltweiten Studentenunruhen. Des Pallières geht den entgegengesetzten Weg: er konzentriert sich ganz auf seinen Protagonisten, dessen Gefühle, Ideale und inneren Konflikte. Der in Paris geborene Regisseur und Drehbuchautor kürzte den Text radikal, verlegte die Handlung aus dem 16. Jahrhundert von Brandenburg und Sachsen nach Südfrankreich, in die Cevennen: Eine oft karge steinige Landschaft, unwegsam durch ihre tiefe Schluchten und windigen Hochebenen. Hier lebt der Pferdehändler Michael Kohlhaas (Mads Mikkelsen) mit seiner Frau Judith (Delphine Chuillot) und der Tochter Lisbeth (Mélusine Mayance). Ein ruhiges fast idyllisches Dasein.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Den ersten Spielfilm in Saudi-Arabien hat eine Frau gedreht: Haifaa Al Mansour.
In einem Land, wo Kinos verboten sind, realisierte sie ein zauberhaftes, mutiges, packendes wie anrührendes Coming-of-Age-Movie. Die Arbeitsbedingungen waren abenteuerlich.
Die zehnjährige Wadjda (Waad Mohammed) am Stadtrand von Riad wünscht sich nichts sehnlicher als jenes grüne Fahrrad, das sie in einem Spielzeugladen entdeckt hat. Den Nachbarsjungen Abdullah (Abdullrahm Al Gohani) beim Wettrennen zu besiegen, davon träumt sie. Doch in dem islamischen Königreich ist es Mädchen untersagt, Fahrrad zu fahren. Wadjda macht sich wenig aus Regeln oder Verboten, unter ihrer schwarzen Abaya trägt sie enge Jeans und coole Chucks, tobt draußen herum wie ein Wildfang. Auf dem Schulhof betreibt sie regen Handel mit Mixtapes westlicher Popmusik, selbst geflochtenen Freundschaftsbändern, agiert als Überbringer unerlaubter Liebesbotschaften. Hauptsache es bringt Geld, denn das Rad ist teuer und von den Eltern keine Hilfe zu erwarten für so eine verrückte Idee.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Mit “Trainspotting”, “Slumdog Millionaire”, “127 Hours” avancierte Danny Boyle zum Kult-Regisseur.
Sein Grundsatz: Jeder Film ein anderes Genre. In dem raffiniert rasanten Neo-Noir-Thriller “Trance” lehrt er die hohe Kunst der Manipulation.
Raubüberfall auf das Londoner Auktionshaus Delancy`s, Francisco de Goyas legendäres Gemälde “Flug der Hexen” verschwindet spurlos. Was wie ein scheinbar gewöhnliches Heist-Movie beginnt, entwickelt sich innerhalb von Sekunden zum dramatischen bizarren Psychothriller.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Wieder heißt es: Greta Gerwig gegen den Rest der Welt.
Grandios spielt die Muse des amerikanischen Arthaus-Kinos eine unbeholfene 27-jährige Tänzerin beim Kampf um Karriere und Überleben im mondänen New York.
Den tragisch-komischen Selbstfindungstrip seiner kuriosen Heldin inszeniert Regisseur Noah Baumbach in melancholischem Schwarz-Weiß, ein Hommage an Jean-Luc Godard und Woody Allen. Das Drehbuch schrieb der Autorenfilmer zusammen mit Greta Gerwig. Die Geschichte handelt von Frances, der das Erwachsenwerden unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Die Ambitionen sind groß, doch Talent wie Arbeitseifer lassen zu wünschen übrig. Wenn sie in der Ballettschule vor dem Spiegel ihre Sprünge übt, etwas zu pummelig, ein wenig linkisch, zögerlich, ohne wirkliche Verve, kommen dem Zuschauer erste Zweifel, ob das die rechte Berufswahl war. In weniger als einer Minute und ohne Worte gelingt es Greta Gerwig uns ein Bild von Frances zu vermitteln, jene Mischung aus Selbstzweifel, Hoffnung, Naivität und absurder Zuversicht, die aus der Protagonistin die geborene Tagträumerin machen. Ihre kindliche Ernsthaftigkeit hat einen entwaffnenden Charme.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Sein elegischer Action-Thriller “Drive” wurde zum Hype, Kult, dem Synonym für Erfolg. Doch nun lockt Regisseur Nicolas Winding Refn die Zuschauer in ein infernalisches Labyrinth aus Gewalt und Käuflichkeit. Horrortrip oder Meisterwerk?
Euphorische Begeisterung, eisige Ablehnung: die Reaktionen auf “Only God Forgives” bei den Filmfestspielen in Cannes waren radikal wie das Rache-Epos selbst. Protagonist ist wieder Ryan Gosling. Er spielt Julian, einen Amerikaner, der nach Thailand flüchtete, um sich dem Zugriff der Justiz zu entziehen. Im verrufenen Rotlichtdistrikt von Bangkok betreibt er zusammen mit seinem Bruder Billy (Tom Burke) einen Thai Box Club, Fassade für ihre Drogengeschäfte.
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- Geschrieben von: Mirjam Kappes -

Ryan Gosling als Bankräuber, Bradley Cooper als Polizist: Im neuen Film von Regisseur Derek Cianfrance geht es um die schicksalhafte Kreuzung zweier Lebenswege, um Kriminalität und Moral, und darum was es heißt, eine Familie zu sein.
Fröhliche Jahrmarktsmusik dringt gedämpft durch die Tür. Ein tiefes, stoßartiges Ausatmen ist zu hören, und dann: die raschen Schnappgeräusche eines Klappmessers, auf und zu, auf und zu. Schon die ersten paar Sekunden von „The Place beyond the Pines“ sind akustischer Nervenkitzel, die spürbar in der Luft liegende Gefahr, das Adrenalin, das durch die Adern rauscht.
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- Geschrieben von: Anna Grillet -

Gesamtkunstwerk oder Blockbuster: Wong Kar-Wais melancholisches Martial-Arts-Epos verwirrt, fasziniert, bleibt unvergesslich.
Der Film erzählt vom Leben zweier Kung-Fu-Meister im China der 1930er-Jahre, von Verrat, Ehre, Liebe und Krieg. Inspiriert wurde Wong Kar-Wai zu “The Grandmaster” durch den legendären Wing Chun Lehrer Yip Man, der als Mentor von Bruce Lee gilt. Den Protagonisten spielt wie in “2046” und “In the Mood for Love” wieder Tony Leung Chiu-Wai. Als Yip Man ist er Erzähler und Chronist zugleich. “Kung Fu – zwei Worte, waagerecht und senkrecht. Nur der gewinnt, der stehenbleibt. Stimmst Du mir zu?” Der Zuschauer wird direkt angesprochen und am Ende der 123 Minuten soll er eine Entscheidung treffen. Regisseur Wong Kar-Wai, ein Virtuose der Abstraktion, geht es weniger um Körperbeherrschung oder Selbstverteidigung, sondern um die Philosophie und Ethik der Kampfkunst.
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- Geschrieben von: Claus Friede -

Das internationale 'Festival au Désert', gegründet im Jahr 2000, steht für eine Kultur, die in unseren Breitengraden so gut wie unbekannt ist.
In den Dünen von Timbuktu in Mali treffen sich jährlich Musiker, Künstler und Kulturvertreter der nomadischen Tuareg, die sich selbst Kel Tamaschek nennen, um gemeinsam ihrer bedrohten Kultur ein Forum zu geben. Durch die politischen Unruhen und den Krieg mit islamischen Fundamentalisten im Norden Malis sind die Macher und Künstler allerdings seit vergangenem Jahr in alle Sahara-Winde verstreut und das Festival ist "in exile".
Es findet in diesem Jahr quasi auch in Deutschland zumindest auf der Leinwand statt, denn die in München lebende Autorin und Filmemacherin Désirée von Trotha präsentierte soeben ihren Dokumentarfilm „Woodstock in Timbuktu", der mittlerweile seit April in mehreren Städten in den Kinos läuft.
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- Geschrieben von: Sam Geller -

Als Anfang des Jahres bekannt gegeben wurde, dass „Star Trek“-Regisseur J.J. Abrams, auch noch die Regie für den kommenden „Star Wars“ Film übernehmen würde, ging ein Aufschrei durch das „Star Trek“-Universum.
Werden „Star Wars“ und „Star Trek“-Fans doch seit jeher als Kontrahenten angesehen. Es wird als eine Art Glaubensfrage gehandhabt. So wie die alles entscheidende Frage ob Beatles ODER Rolling Stones. Beides geht angeblich nicht…
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- Geschrieben von: Claus Friede -

Abenteurer ist eine Berufsbezeichnung, die in der heutigen Zeit recht selten vorkommt.
Sie stellt eine Kategorie dar, die seit spätestens Ende der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts so gut wie ausgestorben scheint. Briten und besonders Skandinavier hatten ein gutes Jahrhundert die Abenteurer-Nase vorn: Roald Amundsen (Arktis), Sven Hedin (Tibet) und Thor Heyerdahl (Kon-Tiki), um nur einige zu nennen. Sie waren gleichwohl im Dienst der Wissenschaft unterwegs, als auch als Forscher, Entdecker, Filmer und Autoren.
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- Geschrieben von: Daniel Hirsch -

Pablo Larraíns „¡NO!“ ist nicht nur ein bewegender Film über den friedlichen Sturz des chilenischen Diktators Pinochet, sondern auch eine tiefe Verneigung vor der Werbeästhetik der 1980er-Jahre.
Verschleppung, Folter und tausendfache Hinrichtungen in den Reihen der Opposition sind auf immer mit dem grausamen Kapitel der Militärdiktatur Augusto Pinochets verbunden, der Chile nach dem Putsch gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende 17 Jahre lang autokratisch regierte. Die jüngere Geschichte des südamerikanischen Landes, der sich Pablo Larraín schon in seinen letzten beiden Filmen (Tony Manero und Post Mortem) widmete, ist gewiss kein einfacher historischer Stoff. Mit „¡NO!“ gelingt ihm dennoch ein wunderbar leichter Abschluss seiner Trilogie, der die alltägliche Repression der Diktatur bei allem Schmunzeln eindrücklich nachempfinden lässt.
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- Geschrieben von: Dagmar Seifert -

Die ‚Rosenstadt‘ Uetersen ist ein adretter kleiner Ort in Schleswig-Holstein, nicht weit von Hamburg.
Hier gibt es ein Heimatmuseum, einen kleinen Marktplatz, eine gar nicht mal so kleine, wunderschöne Barockkirche und überall massenhaft Rosen, was daran liegt, dass die Gegend von Rosenzüchtern umzingelt ist.
Uetersen hat sogar noch ein eigenes Kino, das „Burgtheater“. Im letzten Herbst genossen dort 24 Besucher, die zur Premiere vom neuen Bond, „Skyfall“, erschienen waren, in ihren Sesseln maximale Ellenbogenfreiheit.
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- Geschrieben von: Peggy Neidel -

Joe Wrights Anna Karenina-Adaption entlarvt den Film als das, was er ist: eine Inszenierung.
In diesem Fall eine opulente und gelungene.
Drehbuchautor Tom Stoppard und Regisseur Joe Wright fügen den bisher zehn Verfilmungen eine elfte hinzu: Kühn, berauschend und fantastisch beleben sie Leo Tolstois Romanklassiker „Anna Karenina“ von 1887. Der Inhalt dürfte bekannt sein. Es geht um das Schicksal dreier adeliger Familien, insbesondere um Anna Karenina, die sich, verheiratet mit dem biederen Staatsbeamten Karenin, auf eine leidenschaftliche Affäre mit dem attraktiven Grafen Wronskij einlässt und am Ende Selbstmord begeht.
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- Geschrieben von: Thomas Mießgang -

Es war eine bleierne Zeit: An einer geopolitischen Nahtstelle des Kalten Krieges versuchte sich ein nur oberflächlich entnazifiziertes Österreich als «Geisteskontinent» (Friedrich Heer) und Kulturgroßmacht neu zu erfinden.
Die «langen 1950er-Jahre» erstreckten sich bis weit ins nächste Jahrzehnt, in der Kulturpolitik dominierte, getragen vom Missionierungswillen des ÖVP-Unterrichtsministers Felix Hurdes, ein konservativer, rechtskatholischer Kulturalismus, der nahezu nahtlos an die Zeit vor 1938 anschloss.
Im Sinne einer offiziellen Staatskulturdoktrin war vor allem wichtig, was Burg und Oper an Sinn- und Bedeutungsproduktion lieferten, und auch ein gewisses Schwelgen im Habsburgermythos verband sich gut mit einem Kulturbegriff, der im erhabenen Überzeitlichen die Rettung vor der unmittelbaren Vergangenheit suchte.