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Aus dem Ohnsorg Theater rutfischt - Beate Kiupel

Obwohl man in den Großen Bleichen 23-25 vermutlich schon unermüdlich die Kisten voll packt, wird derzeit natürlich auch geprobt.
Das vorletzte Stück vor dem Umzug ins Bieberhaus heißt ‚Rutfischt’. Zur Abwechslung mal kein Engländer sondern ein Franzose, René Fauchois, schrieb diese Komödie, die im Original ‚Boudu sauvé des eaux’ heißt, ‚Boudu, aus den Wassern gerettet.’ Boudu, das ist ein klobiger Penner, der in seinen Absichten, sich selbst zu ersäufen, von einem wohlmeinenden Spießer gestört wird. Der Retter, ein Buchhändler, nimmt Boudu in seinem Heim auf (kurzfristig, glaubt er), um ihm weiter Gutes angedeihen zu lassen, vielleicht sogar wieder einen richtigen Menschen aus ihm zu machen.
Er hat dabei weder auf der Liste, dass der Gast sich deftig bis unappetitlich verhält, noch, dass er irgendwelche bürgerlichen Lebenslügen aufdeckt. Schon gar nicht, dass er nach und nach mit seinem rustikalen Charme die anwesende Weiblichkeit, nämlich frustrierte Ehefrau und junge Angestellte (und Geliebte), verwirrt.

Das Thema kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder; es wurde bisher dreimal verfilmt.
1932 zum ersten Mal von Regisseur Jean Renoir. Bei ihm spielte Michel Simon mit Rauschebart den Boudu und die Kritiker lobten den anarchischen Witz sowie die handwerkliche Virtuosität des Films. (Damals arbeitete übrigens Autor Fauchois am Drehbuch mit.)
Zum zweiten Mal auf der Leinwand landete der Stoff 1986 in Hollywood als ‚Zoff in Berverly Hills’. Mit Nick Nolte als Tramp, Richard Dreyfuss als verklemmtem Normalbürger und Bette Midler als seine unzufriedene Gattin, der überraschende Wohltaten aus der zunächst lästigen Gegenwart des ungeschlachten Besuchers erwachsen.
Als die Franzosen den Schrank Nick Nolte umher tapsen sahen fiel ihnen wahrscheinlich unwillkürlich Gérard Depardieu ein und sie verfilmten die Sache mit ihm ein weiteres Mal, 2005, unter dem schlichten Titel ‚Boudu’.
Was wieder mal zeigt, dass eine gute Geschichte sich endlos auswringen lässt und dabei amüsant bleiben kann.

Inzwischen gibt es natürlich eine deutsche Übersetzung (Wolfgang Kirchner) und Meike Meiners hat alles für die Erstaufführung am 17. April platt gemacht.
Joachim Bliese spielt den lebensrettenden Buchhändler Eduard Buddenbohm, Beate Kiupel seine Ehefrau Emma und Sonja Stein das reizende Lehrmädchen Annmarie, an dessen Blütenblättern Eduard heimlich gerne nascht. Dann tritt noch Edda Loges als Kundin des Buchladens auf – sowie die Hauptperson, der ungebildete und verwahrloste Bruno: Robert Eder mit Pudelmütze und raubeiniger Erotik.
Regie führt Hans Helge Ott, das Bühnenbild stammt von Katrin Reimers, die Kostüme von Christine Jacob und die Bühnenmusik von Serge Weber.
Das Stück "Rutfischt" läuft bis zum 28. Mai, der Vorverkauf hat begonnen.


Vorgestern war Beate Kiupel doch noch ‚ein neues Gesicht im Ohnsorg-Theater’? Inzwischen ist sie hier nahezu ein Urgestein, ein Stützquader – sofern man so was von einer zarten Blondine behaupten darf… Das folgende Gespräch mit ihr mag vieles klären:

Dagmar Seifert (DS): Bist du eigentlich ein richtiges Hamburger Mädchen? Hier geboren?

Aus dem Ohnsorg Theater rutfischt - Beate KiupelBeate Kiupel (BK): Ja. In Alsterdorf. In den ‚Alsterdorfer Anstalten’ sag ich gerne, das gibt so einen Schmunzel-Effekt, wenn die Leute wissen, worum es sich handelt. Damals gab’s eben noch eine Entbindungs-Station in Alsterdorf und meine Eltern urlaubten gerade in der Stadt. Meine Mutter stammt aus Hamburg.

DS: Was heißt, sie urlaubten? Wo wohnte deine Familie denn?

BK: In Hongkong, aus beruflichen Gründen. Dort ist auch meine Schwester Birgit* zur Welt gekommen und ich hätte gute Chancen gehabt, entweder ebenfalls dort oder sogar in Malaysia mein Leben zu beginnen. Denn die nächste Reisestation meiner Eltern, zum errechneten Geburtstermin, hieß Kuala Lumpur.
Deshalb wollten sie mich übrigens mit zweitem Namen ‚Kuala’ nennen, also Beate Kuala Kiupel. Aber dann erblickte ich in Hamburg das Licht der Welt. Jetzt bin ich gebürtige Hamburgerin. Und ich heiße mit zweitem Namen ‚Regina’ statt ‚Kuala’. Ist vielleicht auch besser…
(*bekannte Hamburger Historikerin, Musik-Historikerin, Autorin und Zeichnerin)

DS: Habt ihr dann in Malaysia gelebt?

BK: Nein, noch zwei weitere Jahre in Hongkong. Danach sind die Kiupels nach Hamburg gezogen. Ich bin also ‚ganz normal’ hier aufgewachsen. An Hongkong kann ich mich leider nicht erinnern, im Gegensatz zu meiner Schwester.

DS: Was war das für ein abenteuerlicher Beruf, der deine Eltern so rumreisen ließ?

BK: Gar nicht abenteuerlich. Mein Vater war Im - und Export Kaufmann.

DS: Wie kommt es, dass zwei Kaufmannstöchter später so kreative Wege beschritten haben?

BK: Tja. Also meine Mutter ist sicher auch schöpferisch begabt, die wollte eigentlich Modezeichnerin werden. Mein Vater schreibt witzige Gedichte im Stil von Ringelnatz oder Kästner. Und die hat er im Januar dieses Jahres in der ‚Wendeltreppe’ wunderbar vorgetragen – im Alter von immerhin 82 Jahren! Außerdem sind meine Eltern beide sehr musikalisch, das haben Birgit und ich geerbt. Wir singen viel.

DS: Wann hast du gemerkt, dass du lieber was anderes werden möchtest als Kauffrau?

BK: Du wirst lachen, genau das hab ich nach dem Abi gelernt: Industrie-Kauffrau, jawohl, abgeschlossen mit einer 2! Das Kind sollte ja was Anständiges lernen, nicht? Ja, aber da war mir längst klar, dass ich zur Bühne wollte. Zum ersten Mal hat’s mich gepackt beim Schul-Theater, eine Aufführung von Oscar Wildes ‚Bunbury’, ich spielte die Cecily und meine Schwester Miss Prism. Und später mit 16 beim Amateur-Theater ‚Die Glasmenagerie’ von Tennessee Williams, ich war die Laura. Das hat so einen Spaß gemacht, da hab ich gemerkt: das ist es…

DS: Und dann bist du zur Schauspielschule gegangen?

BK: Ins ‚Hamburgische Schauspielstudio’ von Hildburg Frese. Drei Jahre Ausbildung mit abschließender Prüfung von externen Prüfern – das war ja eine halbstaatliche Schule. Im letzten Jahr war ich aber schon am Staatstheater Braunschweig. Ich wohnte in Hannover und bin jeden Tag nach Braunschweig gefahren. Da hab ich bei jedem Wetter Autofahren gelernt! Fast zwei Jahre spielte ich dort in Stücken wie ‚Bluthochzeit’ von Federico García Lorca, ‚ Das Haus in Montevideo’ von Curt Goetz und ‚Peer Gynt’ von Ibsen, aber auch im neu gegründeten Kinder- und Jugendtheater, zum Beispiel die ‚Ansagerin’ in ‚Was heißt hier Liebe’ - ein Aufklärungsstück der Berliner Theatergruppe ‚Rote Grütze’. Danach bin ich zurück nach Hamburg gegangen und hab an verschiedenen Theatern vorgesprochen.

DS: Auch im Ohnsorg?

BK: Auch im Ohnsorg. Das war nicht erste Wahl, weder für mich noch für das Ohnsorg-Theater. Ich sprach ja kein Plattdeutsch! Damals war Walter Ruppel Intendant und Christian Seeler Geschäftsführer. Ich wurde zunächst für ein Weihnachtsmärchen in hochdeutscher Sprache engagiert sowie für eine kleine plattdeutsche Rolle später – man wollte mal ausprobieren, ob das geht. Und dann erkrankte plötzlich eine Kollegin und ich musste einspringen, zwei Wochen vor der Premiere, eine große Rolle mit Jochen Schenk und Herma Koehn in ‚Ein Matjes singt nicht mehr’ von Konrad Hansen.

DS: Konntest du deinen ‚platten’ Text?

BK:
 Ja, es ging gut. Und damit war’s eigentlich entschieden. Ende der 80er bekam ich eine feste Anstellung ins Ensemble. Da gab’s im Haus noch die ursprünglichen Ohnsorg-Stars, die Publikums-Lieblinge aus dem Fernsehen.
Das war eine ganz besondere Atmosphäre.

DS: Anders als jetzt?

BK: Völlig anders. Damals hatte das Ohnsorg-Theater zwar einen großen Bekanntheitsgrad, vor allem wegen des Fernsehens, aber es stand doch für eine andere Art des Theaters, vor allem wegen der Sprache. Wir waren viel mehr unter uns, gewissermaßen eine verschworene Gemeinschaft. Es gab kaum Regisseure ‚von außen’, die Stückwahl war auch ganz anders.
Aber Konrad Hansen, der Intendant vor Walter Ruppel, hatte schon vorsichtig angefangen, ganz andere Stücke drunter zu mischen und Ruppel machte damit weiter. Das Publikum wurde häppchenweise an andere Kost gewöhnt. Plötzlich gab es in den Großen Bleichen Stücke wie ‚Der zerbrochene Krug’ oder ‚Rose Bernd’ mit mir als Rose, also Kleist und Hauptmann auf Plattdeutsch, ganz neue Blickwinkel. Und Christan Seeler führt das ja verstärkt weiter.

DS:
 Das heißt, du bist dort zu einer besonders interessanten Zeit aufgetaucht?

BK: Unbedingt. Und ich konnte von Anfang an ganz unterschiedliche Sachen spielen.
Und das geht bis heute immer so weiter, von der ‚Kaktusblüte’ über ‚Charley’s Tante’ bis zur ‚Titania’ in unserem plattdeutschen ‚Sommernachtstraum’ im August 2011 im neuen Haus.

DS: Schaffst du’s, dabei noch ein Privatleben zu haben?

BK: Ich hab mein Glück auf der Bühne getroffen, auf einem hochdeutschen Theaterausflug meinerseits in den neunziger Jahren: ‚Die schöne Lügnerin’. Wir haben ein Liebespaar gespielt und der Funke ist übergesprungen. Jetzt sind wir seit sechzehn Jahren zusammen und seit vier Jahren verheiratet.

DS: In der Komödie ‚Rutfischt’ spielst du eine Ehefrau, die weniger glücklich ist…

BK: Die Emma Buddenbohm liebt es, zu kochen, sie lenkt sich damit wohl ab von der Tatsache, dass sie sich von ihrem Mann entfernt hat – und er von ihr. Sie weiß nicht, dass er sie mit dem Lehrmädchen betrügt, aber glücklich ist sie trotzdem nicht. Und dann kommt dieser Typ ins Haus, der alles durcheinander mischt. Das Ende ist ganz unverhofft! Es kommt so ein bisschen durch, dass es ursprünglich ein französisches Stück ist. Das prickelt so – wie plattdeutscher Champagner!

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