Kultur, Geschichte & Management
Teppich. © Sammlung Kulturen der Welt Lübeck

Im Lübecker Museum für Natur und Umwelt wird noch bis in das nächste Jahr hinein die Vielfalt der nordamerikanischen Kulturen vorgestellt.

Früher gab es in Lübeck ein Völkerkundemuseum, das bereits 2007 aus Kostengründen geschlossen und dessen sehr reichhaltige Sammlung in das ehrwürdige Zeughaus eingeschlossen wurde. Seit einigen Jahren werden dank eines engagierten Kurators, des Ethnologen Lars Frühsorge, aus diesem Fundos Sonderausstellungen zu den verschiedensten Themen veranstaltet. Jetzt sind es die Indianer Nordamerikas, deren unterschiedliche Kulturen mit der Hilfe einer Vielzahl von Objekten vorgestellt und mit dem leicht romantisch angehauchten Indianerbild der Deutschen konfrontiert wird.

 

Vielfalt ist fast ein zu schwaches Wort für das bunte Gemisch aus den verschiedensten Sprachen, Sitten und Kulturen eines ganzen Erdteils, denn wahrscheinlich trennen die Völker der nördlichen Küsten mehr von den Nationen Arizonas oder Mexikos als die Sizilianer von den Nordmännern der Ostsee. Ein kleines Playmobil-Ensemble demonstriert gleich eingangs der Ausstellung die fragwürdige Typisierung so individueller Kulturen, denn dort werden ein Tipi (das Zelt der Prairie-Indianer), ein Birkenrindenkanu (Transportmittel der Waldindianer) und ein Totempfahl von der nördlichen Westküste in einen Topf geworfen, als gehöre dergleichen zusammen.

 

Wie kommt es eigentlich zu dem so durch und durch positiven Bild, das die Deutschen schon seit Jahren von den Indianern pflegen? Geht das auf unseren Rousseauismus oder doch nur auf den sächsischen Lügenbold Karl May zurück, der mit der Hilfe seiner blühenden Phantasie und der Unterstützung durch Nachschlagewerke seine „Reiseberichte“ zusammenphantasierte? Nun, er war wohl nicht allein verantwortlich, und eine Vitrine mit den verschiedensten Druckerzeugnissen veranschaulicht, woher unsereins seine Kenntnisse der Indianerkulturen hat. Dort findet sich Lucky Luke neben Winnetou, aber es gab ja auch den vielgelesenen Fritz Steuben mit seinen Romanen über den Shawnee-Häuptling Tecumseh, eine historische Gestalt und einen großen Mann. In der alten Bundesrepublik weniger bekannt, hat die DDR-Autorin Liselotte Welskopf-Henrich mit ihrem umfangreichen Roman „Die Söhne der großen Bärin“ (1951) ein weitaus realistischeres Bild der amerikanischen „First Nations“ als die meisten anderen Autoren vorgelegt und wurde dafür sogar von den Lakota ausgezeichnet.

 

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Gezeigt werden in dieser Ausstellung Gegenstände aus eigentlich allen Lebensbereichen – nur der Krieg ist weniger stark präsent, als vielleicht manche annehmen. Aber die Jagd spielt eine große Rolle, selbstverständlich auch der Fisch- und Walfang. In diesem Zusammenhang sind auch die Inuit vertreten. Eine kleine Statuette ist so etwas wie eine Kollegin der Kopenhagener Meerjungfrau, stellt aber die Meerjungfrau Sedna dar, aus Speckstein geschnitten und wohl von vornherein für den Verkauf gedacht.

 

Gelegentlich wird in der Ausstellung auch das Aufkommen einer „pan-indigenen Identität“ angesprochen, die den Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen fördert. Denn wirklich, mögen Sprachen und Sitten auch ganz und gar voneinander abweichen, so finden sich doch erstaunliche Gemeinsamkeiten in der Ornamentik, die bis in die Anden reichen.

Es gibt mancherlei zu lernen in die Ausstellung – unter anderem, dass Indianer keinesfalls nur Lederkleidung trugen, sondern dass es auch Kleidung aus Baumwolle oder – für die Ärmeren – aus Agavenfasern gab. Schon frühzeitig wurde gewebt, und es finden sich einige ästhetisch sehr ansprechende Objekte, unter anderem drei Teppiche der Navajo, die heute zu fantastischen Preisen gehandelt werden.

Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, als in „Völkerschauen“ exotische Menschen fast wie Tiere präsentiert wurden, ohne jede Rücksicht auf mögliche Verletzungen ihrer Religion – das besonders – oder unter Missachtung ihrer Gebräuche. In dieser Ausstellung wird immer wieder auf unsere nur unzureichenden Kenntnisse hingewiesen, sei es auf den Ursprung und Alter der Objekte, sei es auf ihre Deutung. Wurden sie für die Touristen hergestellt, oder gehörten sie einmal wirklich zum Alltag ihrer Hersteller? Und religiöse Gegenstände, die fremden Augen verborgen bleiben sollten, werden nicht ausgestellt.

 

„Lee iolem me thama?“, „Was kann ich für dich tun?“, so heißt es gleich im Eingang der Ausstellung. Daneben steht einer der Thunderbirds, die David Seven Deers 1995/97 in Hamburg hergestellt hat; der ursprünglich weiße Donnervogel aus Alabaster wurde jetzt aber schwarz-gelb angemalt: keine Farben, die ich mit Indianern in Verbindung gebracht hätte. Aber da lag ich wohl daneben. Übrigens ist es möglich, dem Künstler den Sommer über im Dominnenhof zuzuschauen – also gleich neben dem Museum –, wie er den fast schwarzen Granit seines „Spirit Canoes“ mit seinem Meißel bearbeitet und filigrane Muster hervorzaubert.


„Fantasie und Vielfalt. Nordamerika in der Sammlung Kulturen der Welt“

Zu sehen bis, 4. Januar 2026 in den Räumen des Museums für Natur und Umwelt,  Musterbahn 1-3, in 23552 Lübeck

Sammlung Kulturen der Welt, Lübeck

Weitere Informationen (Lübecker Museen)

 

Lesen Sie bei KulturPort.De auch:

- Der kanadische Künstler David Seven Deers in Lübeck  

Geschrieben von: Stefan Diebitz - Mittwoch, 14. Mai 2025

 

- Untergegangen und vergessen: Indianische Kulturen
Geschrieben von: Stefan Diebitz - Donnerstag, 16. April 2020

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