Am 13. Juni wird im Lübecker Museum für Natur und Umwelt eine Ausstellung über die First Nations von Nordamerika eröffnet werden, wie sie sich in der Sammlung „Kulturen der Welt“ darstellen.
Für die Vorbereitung hat der Kurator der Sammlung, der Ethnologe Lars Frühsorge, den kanadischen Künstler David Seven Deers eingeladen, im Innenhof des Lübecker Doms einen großen, in zwei Teile geschnittenen Granitfindling zu bearbeiten. Deers gestaltet genauer gesagt ein Relief in einer Plastik und alle dürfen zuschauen.
Seven Deers bezeichnet sich selbst als Indianer und begegnet der Ablehnung dieses Wortes mit Unverständnis. Denn „Indianer“, erläutert er, sei ein Wort, das für die Bewohner Nordamerikas geschaffen sei, um diese von Indern zu unterscheiden. Er ist stolz darauf, ein Indianer und dazu ein Salish von der Küste zu sein, und so ist ihm „indigen“ zu allgemein und zu nichtssagend… Seine Muttersprache ist das Halkomelem[1], und wenn ich ihn recht verstanden habe (aber die Orthographie…), hat er mich mit „Kwéleches“ (dt.: Hallo) begrüßt. Die Stämme der Salish sind eine ethnische Gruppe, die in British Columbia, Oregon und Washington leben, also an der Pazifikküste Nordamerikas größtenteils in Kanada, ein wenig aber auch noch in den USA.
David Seven Deers und Lars Frühsorge bei der Projektvorstellung. Foto © Harald Czujek
Der Innenhof des Lübecker Doms ist ein beeindruckender, für die Präsentation mächtiger Kunstwerke sehr geeigneter Ort. Im Schatten der weit mehr als hundert Meter hohen Doppeltürme aus dunklem Backstein liegt er in der Sonne. Hier müssen alle Plastiken sehr stark sein, wenn sie vor dem gewaltigen, in seinen Ursprüngen romanischen und entsprechend archaisch wirkenden Kirchenbau bestehen wollen. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich dergleichen vor vielleicht fünfzig Jahren ein erstes Mal erlebt, als an diesem Ort Arbeiten Ulrich Rückriems ausgestellt waren. Waren es Eisenbahnschwellen? Dergleichen kann sich behaupten.
David Seven Deers beim Start des Projekts "The Spirit Canoe", 14. Mai 2025 © die LÜBECKER MUSEEN
Jetzt wird es ein Relief werden. Was David Seven Deers[2] vor Augen steht, scheint eine Abfolge mehr oder weniger traditioneller Bilder zu sein, die er aus dem harten Granit des in zwei Hälften geschnittenen Findlings herausmeißeln und -schlagen will. Dass der Granit „so weich wie Mamas Popo“ sei, behauptet der Künstler zwar, aber geglaubt wird das wenig. Würde er sonst sechs Monate veranschlagen, um sein „Spirit Canoe“ zu vollenden? Mit seinem Projekt schließt er sich ausdrücklich an eine weltweit verbreitete Symbolik an, die Tod wie Geburt mit dem Besteigen eines Schiffes veranschaulicht. Die religiöse Atmosphäre des Ortes ist ihm wichtig, und wo, wenn nicht hier, spielt der Tod seine Rolle? Im Ostchor der Kirche sind die Steinsarkophage von Bischöfen aufgebahrt, und über dem Altar findet sich das berühmte Triumphkreuz des Bernt Notke, das seit 1477 das Hauptschiff des Doms beherrscht.
Triumphkreuz im Lübecker Dom. Foto: Bodo Kubrak. Lizenz: CC BY-SA 4.0. Rechts. Vermeintliches Selbstportrait Notkes aus einem zerstörten Gemälde (Detail) von 1503.
Granit ist wegen seiner außerordentlichen Härte für Kunstwerke und besonders für Denkmäler hervorragend geeignet. Das Besondere wird sein, dass wir dem Künstler zuschauen dürfen, wenn er sich selbst an diesem Stoff abarbeitet.
Seven Deers ist ein ausnehmend freundlicher, sehr offener Mensch, der mit breitem Lächeln allerlei Weisheitssprüche heraushaut – sehr gern auch auf Deutsch –, in einer Muschel Salbei verbrennt, um so den Platz rituell zu säubern, und mit seinem Indianercharme besonders bei den Damen allerlei Punkte macht. Er lädt alle Besucher ein, zu ihm zu kommen und sich seine Arbeit anzuschauen, und ich werde das auch ganz unbedingt tun. Und ab Mitte Juni kann dann der fließende Übergang in die Nordamerika-Ausstellung erfolgen. Ja, und endlich der Dom – die gewaltige Kathedrale ist ganz unbedingt einen Besuch wert.
David Seven Deers: „The Spirit Canoe“ im Rahmen der Ausstellung „Fantasie und Vielfalt. Nordamerika in der Sammlung Kulturen der Welt“
Zu sehen vom 14.06. 2025 bis 04.01.2026 im Museum für Natur und Umwelt, Musterbahn 8, in 23552 Lübeck.
Weitere Informationen (Museum)
Fußnoten:
[1] Halkomelem ist eine Sprache der Indianer-Stämme, die am Fraser River und am Südende von Vancouver Island in British Columbia leben. Eigenbezeichnung: Hul’q’umi’num’
[2] 1995 war David Seven Deers in Hamburg und München eingeladen, an den jeweiligen Völkerkundemuseen Totempfähle zu schaffen. Außerdem arbeitete er für das Museum für Völkerkunde Hamburg (heute: MARKK) als Co-Kurator der Ausstellung zu den indianischen Kulturen Nordamerikas.
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment