Kultur, Geschichte & Management
Macerata. Foto: Luca Florio

Transkulturalität als nützliches Alltagswerkzeug? – Ja, im Kontext konstruktiver Narrative und bildgenerierender Metaphorik, die uns helfen, unsere lebensweltliche Komplexität leichter zu verstehen, zu bewältigen und zu gestalten! Ganz nebenbei erfährt man beim Erkennen, Anwenden und Praktizieren transkultureller Prinzipien auch den philosophischen Gehalt dessen, was nicht nur die Welt „in ihrem Innersten zusammenhält“, sondern auch was uns Menschen rund um den Globus verbindet und zu Erbaulichem befähigt.

 

Auf der Basis dieser zu diskutierenden konstruktiven Maxime fand zum ersten Mal eine internationale Konferenz zum Forschungsgebiet der Transkulturellen Studien in Italien statt.

 

An der traditionsreichen, 1290 gegründeten Universität von Macerata trafen sich in der gleichnamigen mittelalterlichen Provinzhauptstadt, die auf einem der in Richtung der Adria-Küste auslaufenden zentralappenninischen Hügeln südwestlich von Rimini in den Marken liegt, vom 9. bis 10. April zweiundzwanzig Gastredner aus verschiedensten Ländern in der Aula Magna vom Bildungszentrum der Fakultät für Erziehungswissenschaften, Kulturelles Erbe und Tourismus – vis à vis der am Horizont malerisch sich abhebenden, noch schneebedeckten Gipfel der Sibillinischen Berge – zu einem außergewöhnlichen Internationalen Kongress.

 

Zum ersten Mal auf italienischem Boden konfrontierten sich hier Fachexperten unterschiedlichster Studien- und Wissenschaftsgebiete systematisch mit aktuellen Forschungsergebnissen aus ihren jeweiligen Disziplinen und äußerten sich zum übergreifenden Thema „Grenzgebiete, Mobilität und Rechte im Zeitalter der Glokalisierung: Transkulturalität als (re-)konstruktive Methode“ („Terre di frontiera, mobilità e diritti nell’era della glocalizzazione. La transculturalità come metodo (ri-) costruttivo“ | „Borderlands, Mobility and Rights in the Era of Glocalization: Transculturality as a (Re-) Constructive Method“). Die aus Deutschland, Österreich, Belgien, Spanien, Frankreich, Marokko bzw. Kanada und überall aus Italien – aus Kalabrien, Apulien, Latium, der Toskana oder Lombardei, insbesondere aus den drei größten und einwohnerstärksten Universitätsstädten Rom, Mailand und Neapel – angereisten Kongressgäste referierten mit den „Maceratesi“ – ihren ortsansässigen FachkollegInnen – an zwei von lebhaftem Fachaustausch bestimmten, intensiven und ergebnisstarken Arbeitstagen über den derzeitigen Wissensstand bezüglich der wachsenden kulturellen und sozialen „glokalen“ Verflechtungen in Italien und der Welt.

 

Convegno Internazionale Studi Transculturali foto 1„Borderlands, Mobility and Rights in the Era of Glocalization: Transculturality as a (Re-) Constructive Method“. Foto: Università degli Studi di Macerata

 

Im Mittelpunkt der Vorträge und Fachgespräche stand der von dem kubanischen Soziologen und Ethnologen Fernando Ortiz 1940 eingeführte Begriff der „Transkulturation“ (Spanisch: „transculturación“), den der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch (geb. 1946) seit den 1990er Jahren zu einem innovativen Konzept der „Transkulturalität“ – bzw. in Welschs englischsprachigen Publikationen der „Transculturality“ – maßgeblich weiterentwickelt und dem Zeitgeist unserer (späten) Postmoderne entsprechend theoretisiert hat. Gleich zur Eröffnung wurde dem aus Bayern stammenden, zuletzt an der Universität Jena forschenden und lehrenden sowie heute als Emeritus in Berlin lebenden Erfinder der transkulturellen Netzmetapher Wolfgang Welsch sowie der marokkanischen Psychiaterin und Anthropologin Rita El-Khayat, die von dem ehemaligen italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano für ihr anhaltendes Engagement gegen geschlechtsspezifische Gewalt mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert worden ist, als Ehrengäste des Kongresses das offizielle Siegel der Universität Macerata überreicht.

 

Dabei standen den Kongressinitiatoren und -organisatoren Raffaele Tumino (Universität Macerata), Simone Betti (Dekan der Pädagogischen Fakultät an der Universität Macerata) und Dagmar Reichardt (Lettische Kulturakademie, Riga) regionale Vertreter der Marken zur Auftaktveranstaltung zur Seite, da sich der Rektor der Universität John F. McCourt entschuldigen musste: Nachdem 2024 im litauischen Vilnius das (als sog. „Summit“ deklarierte) 4. Gipfeltreffen der European Reform University Alliance (kurz: ERUA) in seinem Beisein stattgefunden und Rektoren verschiedener europäischer Hochschulen protokollarische Abkommen der Zusammenarbeit ausgehandelt hatten, fand just während der Konferenztage nicht nur in der Akademie der Wissenschaften in Lettlands Hauptstadt Riga die erste Präsenzsitzung des Entwicklungsprogramms für Führungskräfte (Leadership Development Programme) der European University Association (EUA) statt. Vielmehr trafen sich auch die verantwortlichen Teams und Vertreter der ERUA in Sofia, um an der Neuen Bulgarischen Universität (New Bulgarian University) den kommenden 5. ERUA-Summit zu planen, wohin auch der Rektor McCourt als Mitgliedsvertreter bestellt worden war, bevor er weiter nach China reiste.

 

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Ganz im Sinn der zunächst bis 2030 ausgerufenen Vision von „Universitäten ohne Mauern“ kann die ERUA als eine Allianz der Europäischen Reformuniversitäten – ebenso wie der Transkulturalitätskongress an der Universität Macerata und deren Rektor selbst – als sichtbare Zeichen eines auf Hochschulebene zusammenwachsenden Europas gewertet werden. Denn ungeachtet seiner Abwesenheit bei der Kongresseröffnung verkörpert auch der Rektor der Universität Macerata ein wissenschaftsgeschichtliches Novum: Zum ersten Mal wurde im November 2022 mit dem irischen Anglisten und James Joyce Experten John McCourt ein Nicht-Italiener zum Rektor einer staatlichen Universität in Italien ernannt. Zugleich gilt John McCourt als der erste irische Rektor einer kontinentaleuropäischen Universität seit James Smith 1743 Rektor der Karls-Universität in Prag wurde. (In dem Kontext fragt man sich unwillkürlich, wie international es eigentlich um die Besetzungspolitik der Universitätsrektorate und allgemein um die Integration nicht-„deutscher“ Hochschullehrer im deutschsprachigen Raum im ersten Vierteljahrhundert des 3. Millenniums bestellt ist). Von der italienischen Presse wurde die Wahl McCourts jedenfalls vor zweieinhalb Jahren als ein willkommener Beleg für die wachsende internationale Präsenz im Rahmen der italienischen Universitätslandschaft begrüßt.

 

Dass Europa im Kleinen wie im Großen – eben „glokal“ wie es der obige Kongresstitel verheißt – auflebt und (zwar langsam, aber sicher) zusammenrückt, spiegelt sich auch darin wider, dass das Expertentreffen in Sachen Transkulturelle Studien an der Universität Macerata bereits im Zeichen der ERUA angekündigt werden konnte, was sowohl aus den Pressematerialien als auch dem Kongressposter und -programm hervorgeht, die deren Logo ziert. Zu den Zielen dieser interuniversitären Einrichtung europäischer Universitätsallianzen zählt nämlich – neben der Stärkung der wissenschaftlichen Verbindungen zwischen einigen Universitäten zwecks Verbreitung von Wissen sowie Lehrkräfteaustausch – auch die Organisation internationaler Konferenzen. Seit 2024 gehört auch Macerata dank des Einsatzes von Rektor McCourt – neben den Universitäten Europa Universität Viadrina Frankfurt (Deutschland), Paris 8 Vincennes-Saint-Denis (Frankreich), der Universität der Ägäis (Griechenland), der Neuen Bulgarischen Universität (Bulgarien), SWPS-Universität (Polen), Universität Las Palmas de Gran Canaria / ULPGC (Spanien) sowie der Mykolas Romeris Universität (Litauen) – zu den aktiven Mitgliedern der EURA.

 

Während sich der EURA-Verbund paradigmatisch als eine „Stimme der europäischen Universitäten“ („The Voice of European Universities“) von vielen für die Förderung von Einheit, Wissen, Kreativität und sozialer Verantwortung im Verbund mit den teilnehmenden Hochschulen auf EU-Makroebene verstehen dürfte, zeigte sich Europa im Mikrokontext des Kongresses in Macerata in ganz konkreter berufspraktischer Hinsicht von seiner genuin transkulturellen Seite. Sie reflektierte sich insbesondere in der facettenreichen Bandbreite der im Zuge des transdisziplinären Austauschs zu Fragen rund um die „Grenzgebiete, Mobilität und Rechte im Zeitalter der Glokalisierung“ von den Rednern vorgetragenen Auslegungen, in denen sie die „Transkulturalität als (re-) konstruktive Methode“ aus immer neuen Perspektiven hinterfragten.

 

Hinter den Mauern der über 10.000 Studenten verzeichnenden, sich insbesondere auf dem Gebiet der Geistes- und Sozialwissenschaften profilierten Universität Macerata konzentrierten sich die Diskussionen vor allem darauf, einer falsch verstandenen „splendid isolation of cultures“ entgegenzutreten. Deren Grundlagen beruhen noch auf einer asymmetrischen Beziehung zwischen den Kulturen, was sich bis heute weltweit auf viele Bildungsstätten, Schulen, städtische Infrastrukturen, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen hinderlich auswirkt. In den Plenardiskussionen ging es vornehmlich darum, der Unterwerfung einer oder mehrerer (Herkunfts-) Kulturen unter eine vermeintlich dominante (Zugehörigkeits-) Kultur mit „(re-)konstruktiven“ Alternativen zu begegnen. Dabei boten die Vertreter so unterschiedlicher Fachrichtungen wie die der Anthropologie, Literaturwissenschaft, Psychiatrie, Philosophie, Rechtswissenschaft, Geografie, Medizin oder Soziologie bis hin zur Pädagogik und zu den Kulturwissenschaften (hier sind an erster Stelle die Transkulturalitäts- und Postkolonialen Studien hervorzuheben) dem Fachpublikum ebenso viele konstruktive wie auch kritisch zu beleuchtende Fallbeispiele mit entsprechenden Lösungsmöglichkeiten an.

 

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Palazzo Romani-Adami, Rektoratsgebäude der Universität von Macerata. Foto: Matteo Musto. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Eines stach im Rahmen dieses ausgewählten Wissenschaftlerkreises neben der mehr oder weniger stark akzentuierten Spezialisierung auf Fragen der systematischen Annäherung an die Transkulturalität bzw. den Transkulturalismus hervor. Die Arbeitsatmosphäre war durchweg von dem getragen, was im EU-Parlament – und leider auch in der internationalen Hochschullandschaft – nur allzu oft fehlt: eine reziproke, betont „offene“, wissbegierige und wohlwollend annehmende Geisteshaltung gegenüber den Arbeitsergebnissen der Vortragenden, deren Hochschulstellungen transgenerationell vertreten waren und von Doktoranden über Post-Docs und Nachwuchswissenschaftler bis hin zu sowohl amtierenden als auch emeritierten Lehrstuhlinhabern reichten. Aufgrund der Aufgeschlossenheit für die anhand einzelner Fallstudien exemplarisch vorgeführten methodischen Schlüsseltechniken zum Verständnis der Komplexität transkultureller Realitäten gelang es den meisten Sprechern, in den durch einzelne Impulsreferate angereicherten, zeitlich großzügig bemessenen Diskussionsrunden dem Publikum genauer zu vermitteln, wie sich authentische Beziehungen zu grundlegenden narratologischen, philosophischen, ästhetischen sowie gesellschaftlichen und anthropologischen Topoi der Subjektivität und Solidarität – wie Liebe, Tod, Gesundheit, sozialer Zusammenhalt, Hoffnung, Schönheit oder Transzendenz – (wieder-)herstellen lassen.

 

Als Fazit des Kongresses lassen sich neben der Leidenschaft zum gemeinsamen lösungsorientierten Nachdenken und dem produktiven Arbeitsklima dieser kollaborativ ausgerichteten, von einem solidarischen Grundton getragenen Fachbegegnungen auf Augenhöhe insgesamt folgende Erkenntnisse, Diskussionsergebnisse und sich daraus ergebende weiterführende Fragestellungen festhalten. Einig waren sich vom allgemeinen Tenor her alle Experten, dass es aus Gründen der transnationalen Friedens- und nachhaltigen Zukunftssicherung eines Paradigmenwechsels im Geiste bedarf, um Unwissenheit mit Respekt (Pietro Barbetta), der Sprache der Gewalt mit einer Pädagogik des Ungehorsams (Giancarlo Costabile) und der anhaltenden Genderproblematik mit dem Gedanken einer weltweit zu etablierenden Bruder- bzw. Schwesternschaft (Alfredo Ancora) zu begegnen. Letztere genderbetonte Schlussfolgerung ergab sich insbesondere aus der weiterführenden Relektüre von Fernando Ortiz’ 1940 erstmalig erschienenem Werk „Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar“ (Dt. etwa: „Kuba: Kontrapunkt zwischen Tabak und Zucker“), in dem der Kubaner der männlich konnotierten Welt – verkörpert von der imaginären, als erfolgreich und genuin dargestellten Figur namens „Don Tabaco“ (Dt.: „Herr Tabak“) – die den Zucker personalisierenden „Doña Azucár“ (Dt.: „Frau Zucker“) gegenüberstellt, welche Ortiz dem Leser als eher fremdartig und schädlich – somit mit tendenziell misogynem Unterton behaftet – vorstellt.

 

Verschiedene Beiträge machten hier deutlich, wie die Sprache – und speziell der Fremdsprachenunterricht (Simona Bartoli-Kucher) – bei der Genderfrage behilflich und entschärfend wirksam sein kann, indem auf eine Kommunikation geachtet wird, die sich der Konvivialität, Freundlichkeit sowie diversen Ausformungen der Verbindlichkeit und Verbundenheit verpflichtet (Rita El-Khayat, Ada Plazzo, Stefano Polenta). Dass nicht nur die Sprache und das Sprechen im linguistischen Sinn von einer individuellen, bewusst gewählten, transkulturell wirkkräftigen Anwendung seit jeher zivilisationsfördernd profitieren, sondern auch etwa die Sprachen der Kunst im Kontext kreativer Übernahmen und Hybridisierungen (Wolfgang Welsch) oder die der Musik als kontrapunktische Schichtungs- und Schlichtungsmöglichkeit im Gaza-Konflikt (Iain Chambers), zeigte sich anhand einiger besonders prägnanter Beispiele.

 

So ließe sich asymmetrischen Machtverteilungen auch im medizinisch-psychiatrischen Bereich entgegenwirken, indem gemäß des englischen Anthropologen und Soziologen Gregory Bateson etwa physische Symptome erkrankter Migranten als kulturelle Prägungen erkannt und entsprechend behandelt werden (Pietro Barbetta, Aditi Chauhan) und wenn andererseits gleichzeitig anerkannt würde, dass sich die transkulturelle Sprache des Gemüts nicht nur in (unbewusste, universale) Gefühle und (bewusste, individuelle) Emotionen einteilen, sondern dass sie sich auch als verbindendes Element nutzen lässt. Rund um den Globus sind auch der transformativ ausgerichtete Umweltschutz (Anna Maria De Simone, Elena Dell’Agnese), dekolonialistische Ansätze einer eurokritischen Komparatistik (Rosita Deluigi, Isabella Crespi), eine anthropologisch-hermeneutische Rechtsprechung (Arianna Alpini) oder die Landnahme, Vermessungen der Erde bzw. der Territorialisierungsdrang des Menschen (Flavia Stara, Gianluigi Corinto) Hebel, um qua Objektivierung Abstand zu sich selbst herzustellen und ein neues Mindset sowie entsprechend verändertes Verhalten an den Tag zu legen. Die Konzentration auf Gemeinsamkeiten hilft auch, postmigrantische Zustände gesellschaftlich verstärkt zu berücksichtigen (Costantino Maeder, Raffaele Taddeo, Anna Belozorovitch), sich nach Meinung des karibischen Autors Eduard Glissant zu „kreolisieren“, Europa im Sinn des aus Apulien stammenden, Jahrzehnte lang engagiert in Rom tätigen Literaten Armando Gnisci zu „dekolonisieren“ und sich dem süditalienischen Soziologen Franco Cassano zufolge dem Elend der Welt nicht nur zu stellen, sondern sich mit ihm regelrecht zu „vermischen“ (Rino Caputo), wobei gleichwohl, wie kritisch angemerkt wurde, hybride Identitäten auch nicht idealisiert werden sollten (Amaury Dehoux).

 

Kongressteilnehmer Macerata 04 2025Anthropologin Rita El-Khayat (MA), Literaturwissenschaftler Costantino Maeder (BE), Psychiater Alfredo Ancora (FR), Kulturwissenschaftlerin Dagmar Reichardt (CH/LV). Fotos: Università degli Studi di Macerata

 

Angesichts der methodisch breit gespannten, transdisziplinären Ansätze der anwesenden Wissenschaftler kam auch die Kreativität im Rahmen dieses produktiven akademischen Spiels und Experimentierens mit verschiedenen Welten nicht zu kurz. So ließen sich verschiedene Metaphern für das Phänomen der Transkulturalität finden. Sie reichen neben dem oft bemühten „Schmelztiegel“ über Vergleiche mit einem Mosaik, Puzzle, Kaleidoskop oder Prisma, über botanische Analogien zu Wurzelgeflechten, Rhizomen oder Mangrovenbäumen, bis hin zu Vogelmigrationen (in ihren Landesgrenzen überschreitenden Himmelsformationen), Teppichgeweben, Patchwork-Decken, Farbpaletten, Reisekoffern (im Plural) oder einer schlichten Schüssel Salat (der als Obstsalat – auf Italienisch: „macedonia“ – bezeichnenderweise nach der homonymen Benennung des antiken Königreichs und Vielvölkergemischs Mazedoniens so heißt). 

 

Dass der inspirierende Forschergeist der sich in Macerata versammelten Gäste jedoch weit über die wissenschaftlichen Versuche im geistigen „Laboratorium“ der großen Aula hinausdrängte, zeigte sich alsbald daran, dass sich die vom Philosophen Welsch eingeführte und während des Kongresses mehrfach angewandte Netzmetapher kaum eine Woche nach Abreise im Titel eines KulturPort.De-Artikels des Postkolonialismus-Experten Iain Chambers wiederfand. In seiner als „Netzwerke der Gegenwart“ überschriebenen Kolumne fängt der neapolitanische Wissenschaftler schottischer Herkunft die Stimmung in den USA nach einem rezenten Urlaub in Kalifornien aus postkolonialer Perspektive kritisch ein und greift darin anfangs den politischen Slogan „Kein Mensch ist illegal“ – als indirekte Fortführung des historischen Gesetzeszitats „All men are created equal“, mit dem zuletzt während des verfassungsrechtlichen Protestmarschs von Martin Luther King für die „Civil Rights“ der US-Bürger 1964 dezidiert öffentlich argumentiert wurde – auf. Dabei scheint es, als sende Chambers mittels Rekurs auf Welschs „Netzwerk“-Idee in der Überschrift ein freundliches Signal des symbolischen Grußes nicht nur an den fast gleichaltrigen deutschen Kollegen, sondern allgemein an alle Teilnehmer des Macerata-Kongresses und an alle an der transkulturellen Grundidee interessierten Leser.

 

Wolfgang Welsch in einer Konferenzpause DR Iain Chambers Podium F UdM

V.l.n.r.: Wolfgang Welsch im Gespräch mit einer Kongressteilnehmerin. Foto: Dagmar Reichardt. Rita El-Khayat, Arianna Alpini (beide unscharf) und Iain Chambers auf dem Kongresspodium. Foto: Università degli Studi di Macerata

 

Unter diesen Vorzeichen bleibt zu hoffen, dass die europäische Hochschullandschaft im Zeichen der Demokratie nicht nur weiter erblühen und gedeihen, sondern auch wissenschaftlich „(re-)konstruktiv“ wachsen wird. Nun müssen sich nur noch alle gesellschaftsrelevanten „inner circles“ von den universitären Fachrichtungen der 27 einzelnen EU-Mitgliedsstaaten kreuzweise und/oder transversal weiter verpartnern, flexibel positionieren und qualitativ behaupten, um sich auf föderaler Ebene im Wettstreit um kluge Köpfe und teamwillige Kooperationen für eine weltweit nachhaltige Kohäsion transkulturell stark zu machen. Der 2. Internationale Kongress für Transkulturelle Studien soll bald folgen und dann etwa frei nach dem Motto „Brücken statt Mauern“ („Bridges Instead of Walls“ | „Ponti invece di muri“) vermehrt auch außereuropäische Spezialisten und Gastredner in den wissenschaftlichen Diskurs über inklusive transkulturelle Transformationsdynamiken einbeziehen.


1. Internationale Konferenz zum Forschungsgebiet der Transkulturellen Studien in Italien

 

Die Konferenzbeiträge werden in der halbjährlich auf Englisch und Italienisch erscheinenden Zeitschrift für Transkulturelle Studien Transculturale der Universität Macerata (ANAVUR zertifiziert, Mimesis Verlag) in den nächsten zwei folgenden Nummern veröffentlicht.

 

- Partneruniversitäten der Universität Macerata im ERUA-Verbund

- Erstes Kohortentreffen im Rahmen des Pilotprogramms zur Führungskräfteentwicklung der European University Association (EUA) in Riga, Lettland, 9.4.2025 (auf Englisch)

- Der 4. Gipfel der European Reform University Alliance (ERUA) führender Wissenschaftler, Forscher und politischer Entscheidungsträger mit Teilnahme des Rektors Prof. John McCourt (zweiter von rechts) in Vilnius, Litauen, 25.-27.6.2024 (auf Englisch)

Weitere Informationen zum Kongress „Terre di frontiera, mobilità e diritti nell’era della glocalizzazione. La transculturalità come metodo (ri-) costruttivo“ | „Borderlands, Mobility and Rights in the Era of Glocalization: Transculturality as a (Re-) Constructive Method“ an der Università degli Studi di Macerata, Italien, 9.-10. April 2025 (auf Italienisch)

 

Weitere Beiträge zu den Kongressrednern Wolfgang Welsch und Iain Chambers bei KulturPort.De:

- Netzwerke der Gegenwart Geschrieben von Iain Chambers | Übersetzt von Dagmar Reichardt – 18. April 2025

- Wolfgang Welsch: „Wir sind schon immer transkulturell gewesen“ – Geschrieben von: Dagmar Reichardt - Dienstag, 07. Januar 2025

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