Kultur, Geschichte & Management

Eine sehenswerte Ausstellung über das beliebteste Getränk der Welt bietet noch bis Ende Januar das St. Annen-Museum in Lübeck.

In den spätgotischen Räumen des ehemaligen Klosters wird nicht allein sakrale Kunst präsentiert, sondern das St. Annen-Museum ist in Lübeck auch der Ort für Ausstellungen über die Kulturgeschichte und das Alltagsleben. Zur ständigen Ausstellung gehören deshalb Geschirr und Küchengeräte, Möbel oder Kleidung einer Hansestadt vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Jetzt wird die Geschichte, wie der Tee aus dem fernen China ins nördliche Mitteleuropa kam und dort das Alltagsleben veränderte, mit der Hilfe von 130 Objekten erzählt.

 

Es ist tatsächlich eine Geschichte, denn es geht um den Wandel, den der Genuss des Tees erfuhr, aber auch um Porzellan, Samoware oder Teekannen, die sich ebenfalls veränderten. Und schließlich mündet diese sehr abwechslungsreiche Geschichte in merkwürdige Geräte wie einen britischen „Teewecker“ (morgens illuminiert er das Schlafzimmer und beginnt in der gleichen Sekunde mit der Zubereitung einer Tasse Tee), in große Gefäße für „Tea to go“ und ganz zum Abschluss in die Präsentation einer Menge Lifestyle-Tees, zu der ein per Video zugeschalteter Rapper irgendetwas stammelt, nach dem der Genuss von Tee entspannend sein soll. Nicht wenige Besucher zeigten sich davon überrascht, dass die Teekultur auch diese Jugend erreicht zu haben scheint.

 

„Thee kombt mir vor wie Heu und Mist, mon Dieu.“ So schroff urteilte 1722 Lieselotte von der Pfalz, die ja bis heute für ihr kraftvolles Deutsch bekannt ist. Muss man ihr nicht recht geben, wenn man hört, warum die Teeziegel so beliebt waren? Tee wurde meist in Säcken auf Schiffen befördert, aber ein Teil des Tees erreichte Europa dank Kamelkarawanen in Form von Ziegeln, von denen in Lübeck zwei präsentiert werden. Es handelte sich dabei um gepresste Platten, die, so die gängige Vermutung, auf der langen Reise dank der abendlichen Feuer ein ganz besonderes Aroma angenommen hatten. Womit nun unterhielten Karawanen ihre Feuer? Wahrscheinlich war es der Rauch des getrockneten Kameldungs, dem der Tee sein liebliches Aroma verdankte, und die adlige Dame am vornehmsten Hof Europas hatte gar nicht so Unrecht.

 

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Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Tee ein wirkliches Luxusgut und sein Genuss den wenigen Vornehmen vorbehalten, auch wenn Lieselotte ihn nicht zu schätzen wusste. Selbst hundert Jahre später bezeugen noch silberne und dazu abschließbare Zuckerdosen, dass es sich keinesfalls um ein wohlfeiles Lebensmittel handelte. Wie teuer Tee damals gewesen ist, kann man im Museum leicht an der puppenstubenhaften Größe der Tassen und Kannen und noch mehr an den kunstvollen Porzellanmalereien sehen, die uns bis heute von der Chinamode des 18. Jahrhunderts künden – einer Mode, die sich in vielen Fällen sogar in eine Manie verwandelte.

 

Glanzlicht der Ausstellung ist wohl ein Service, das am 3. Januar 1752 im südchinesischen Meer unterging, um 1985 geborgen zu werden. Die Ladung muss außerordentlich sorgfältig verpackt gewesen sein, denn ein erheblicher Teil des Porzellans befand sich noch 235 Jahre nach dem Unglück in einem sehr guten Zustand und konnte bei Christie’s versteigert werden. Dem zwar schmalen, aber sehr interessanten Katalog kann man entnehmen, dass es auf allen Schiffen Porzellan gab – es musste ihn geben. weil die Packen Tee zu leicht waren und die Schiffe deshalb nicht genug Tiefgang besaßen, um wirklich seetüchtig zu sein.

 

Quasi im Vorübergehen wird in einem lesenswerten Katalogbeitrag von Julia Hartenstein die Frage beantwortet, warum es zwei Namen für Tee gibt, „Tschai“ (чай) in Russland, der Türkei und in den arabischen Ländern sowie „Tee“ bei uns. Die Europäer haben sich dank niederländischen Einflusses für die südchinesische, die anderen Nationen für die nordchinesische Aussprache des entsprechenden Schriftzeichens entschieden.

 

In Dresden (besser eigentlich: auf der etwas südlich gelegenen Festung Königstein, wo ihn August der Starke festhielt) entwickelte Johann Friedrich Böttger 1709 das Rezept für Porzellan, nachdem er überraschend mit dem Goldmachen gescheitert war. In seiner prachtvollen „Kulturgeschichte der Neuzeit“ sagt Egon Friedell von der aufblühenden Porzellankunst, dass es „ihre außergewöhnliche und ausschließliche Eignung für die polierte und elegante, kokette und aparte, fragile und spröde Miniatur“ war, die zur Rokokoseele sprach. Friedell macht es damit wahrscheinlich, dass es nicht allein der exorbitante Preis des Tees war, der das Geschirr so winzig klein bleiben ließ, sondern dass seine zarte Niedlichkeit zusammen mit den Pastellfarben den Geist der Epoche offenbart. Auf jeden Fall ist in dieser Ausstellung der Anblick der kleinen, sauber aufgereihten Tassen und Kannen ein ästhetischer Genuss – dank ihrer Zierlichkeit wie auch wegen ihrer kunstvollen Bemalung.

 

Quasi nebenbei wird eines der düstersten Kapitel der europäischen Geschichte beleuchtet. Heute wird verschiedenen Ländern der zweiten oder dritten Welt vorgeworfen, mit Drogen westliche Gesellschaften zu zerstören, aber damals geschah das umgekehrte: Um den Tee bezahlen zu können, schafften englische Kaufleute Opium von Indien nach China, von wo damals immer noch der meiste Tee kam. Zwischen 1839 und 1842 und 1856 und 1860 fanden die beiden Opiumkriege statt, unter denen China fürchterlich litt.


„Luxus, Lotterleben, Lifestyle. Tee verändert Nordeuropa“

Zu sehen bis Sonntag, 29. Januar 2023 im St. Annen-Museum, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck

Öffnungszeiten: 01.01-31.03.: 11-17 Uhr. 01.04.-31.12.: 10-17 Uhr

Weitere Informationen (St. Annen Museum)

 

Chanoyu KyotoThematischer Hinweis: Wer eine Fernreise nach Japan plant, sollte sich im Kyoto National Museum die Ausstellung "Chanoyu – Tea in the Cultural Life of Kyoto"  bis 4. Dezember 2022 anschauen.

Foto: Nobuko Wada auf Facebook

 

Kyoto ist seit langem ein Reiseziel für Menschen aus ganz Japan und der ganzen Welt. Besucher werden von der Architektur seiner Schreine und Tempel, von seinem raffinierten Kunsthandwerk und seinen Traditionen der darstellenden Kunst angezogen, zu denen Noh- und Kyōgen-Theater und -Tanz gehören. Das reiche kulturelle Erbe der Stadt, sowohl materiell als auch immateriell, wurde in den tausend Jahren, in denen Kyoto die Hauptstadt des Landes war, gepflegt.
Im Laufe seiner langen Geschichte wurden Reisende aus allen Gesellschaftsschichten in Kyoto mit einem Geist der Gastfreundschaft, genannt Omotenashi, begrüßt. Es ist das gleiche Willkommensgefühl, das im Herzen von Kyotos Teekultur von Chanoyu steht – allgemein bekannt als die japanische Teezeremonie – eine Tradition, die sich in der alten Hauptstadt entwickelt hat und in der modernen Stadt weiter gedeiht.

 

Die Zubereitungsmethode für grünen Tee in Pulverform, die den Grundstein für Chanoyu legte, kam gegen Ende der Heian-Zeit (794–1185) aus China nach Japan. Durch die aufeinanderfolgenden Epochen der Kamakura- (1185–1333), Nanbokuchō- (1333–1392) und Muromachi-Zeit (1392–1573) wurden die Teetraditionen allmählich domestiziert und nahmen die Form an, die heute auf der ganzen Welt als einzigartiges japanisches Symbol anerkannt ist Kultur. Kyoto hat in der gesamten Geschichte des Chanoyu eine zentrale Rolle gespielt und dient immer noch vielen Teepraktizierenden und Leitern der großen Teelinien als Heimat.

 

Diese Ausstellung stellt die Chanoyu-Kultur in Kyoto anhand von Meisterwerken aus allen historischen Epochen vor. Wir hoffen, dass diese Objekte, die sorgfältig aufbewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben werden, einen Eindruck von der langen Tradition des Tees in Kyoto und der ästhetischen Sensibilität seiner großen Teemeister vermitteln.

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