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Goethe! bleibt - der Film geht wieder

Es ist kein Wunder, dass es bislang kaum Filme gab, die sich mit Leben und Werk eines der deutschen Überfiguren beschäftigt hat: Goethe!
Er war scheinbar ein Alleskönner, war Dichter und Denker, Künstler, Forscher und Politiker. Niemand kommt in Deutschland an ihm vorbei, auch Regisseur und Drehbuchautor Phillip Stölzl mit Produzent und Drehbuchautor Christoph Müller nicht.

Es ist durchaus geschickt, keinen Film über den ‚ganzen’ Goethe zu machen, sondern sich vielmehr auf den jungen, in der Entwicklung Befindlichen zu konzentrieren und die Liebe, in den Handlungsmittelpunkt zu stellen. Das Unausgereifte hat seinen Reiz in der Normalität, zeigt Brüche und Lebensrealitäten eines jungen Menschen im späten 18. Jahrhundert. Nach gut 100 Minuten endet die Filmgeschichte: Goethe ist mit seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ europaweit bekannt geworden.

Biographisches verbindet sich mit fiktiven Episoden, ein Kinofilm darf Geschichten anders erzählen als die Geschichte, als der historische Hintergrund es uns vermittelt.
Dass der Film leider in der Kategorie „bald vergessen“ startet, liegt also nicht daran. Phillip Stölzl, der in seinem letzten Film „Nordwand“ das Bergdrama über weite Strecken glaubwürdig erzählen konnte, misslingt mit dieser Arbeit eine kontinuierliche Anknüpfung daran. Denn seinem „Goethe!“ fehlt in erster Linie die Glaubwürdigkeit. Das liegt an mehreren Sachverhalten: Am Schnitt, an schauspielerischer Kraft, an einigen Szenenbildern und an der Art und Weise wie die Geschichte erzählt wird.

Fangen wir also hinten an. Der Eindruck, der Film ist sehr zielgerichtet besonders für ein junges, unbedarftes Publikum gemacht, zieht sich von vorne bis hinten durch. Man merkt die Absicht und ist verstimmt, weil sie durch die Ausrichtung auf nur ein begrenztes Teilpublikum einen anderen Teil auszuschließen droht. Der Film richtet sich letztlich zu sehr "an Leute, die vorher nicht so viel mit Goethe haben anfangen können", wie es Stölzl formuliert.

Drehbuchautoren und Regisseur sind offensichtlich nicht an einem – möglicherweise etwas entrückten – Begriff der Gefühlswelt der Romantik interessiert, sondern transformieren den Gestus und die Haltung der Protagonisten in ein indifferentes Jetzt. So ist „Sturm und Drang“ kein gelebtes und geäußertes Weltgefühl jener Zeit, sondern haftet an einer Oberfläche von heutigen Allerwelts-TV-Inszenierungen. Das wird keinem der Beteiligten gerecht. Die Schauspieler können es, viel besser, aber sie zeigen es zu selten. Die Gründe dafür wären am Set und in der Arbeit zwischen ihnen und dem Regisseur zu suchen gewesen. Nur sehr wenige Szenen stechen aus der Mittelmäßigkeit eines uninteressanten Durchschnitts heraus: Das Zwiegespräch zwischen Vater Buff (Burghart Klaußner) mit seiner Tochter Lotte (Miriam Stein) im Kerzenschein vor dem von Johann Goethe (Alexander Fehling) gebauten Papiertheater gehört zu den wenigen überzeugenden inszenatorischen Highlights. Die Intensität, Ruhe und schauspielerische Gewissenhaftigkeit springt regelrecht jeden einzelnen im Kinosaal an. Doch die Freude darüber währt nicht lange, denn schon nach ein paar Schnitten verfallen die Hauptdarsteller wieder in jenen netten Einheitsbrei an Mimik und teilweise Gestik, der einer, sicherlich ungewollten Repertoirebegrenzung gleich kommt. Viel zu selten zeigt Alexander Fehling sein Können wie in der Szene im Hause Buff, als er ahnungslos in die Verlobungsfeier zwischen Kestner (Moritz Bleibtreu) und seiner geliebten Lotte hinzutritt und ganz langsam gewahr wird, was da eigentlich gerade vor sich geht. Hier stimmt dann mal der Begriff der Gefühlsdichte. Und gegenteilig; Fehlings aufgesetztes Spiel bei der Juraprüfung zeugt weder von einem selbstbewussten Verständnis eines Prüflings noch von der Unsicherheit in einer Prüfungssituation. Auch Goethe kann bei einer Prüfung ins Schwitzen gekommen sein und muss nicht nur auf lächerlich tun und wirr sprechen. Das Lassez-Faire-Spiel ist künstlich, gleichgültig, richtungslos wie bei einer Casting-Show. So bedienen Stölzl und Fehling wieder das heute.

Mit entscheidenden Setzungen des Schnitts hätten Cutter und Regisseur so manche dramaturgische Schwäche noch ausgleichen können, beispielsweise so, wie dann sehr überzeugend nach der besagten Prüfung bei Goethes ‚Buchstaben-Tanz’ im Schnee, das Berlichingen-Zitat erscheint.

Auch das Szenenbild hat Schwächen. Mit den heutigen Mitteln und Techniken kann man die Stadtbilder auch aus der Distanz gesehen von Straßburg, Wetzlar und Frankfurt weniger artifiziell gestalten. Die Drehorte und Kulissen in Quedlinburg, Osterwiek und Görlitz stimmen in ihrem Kleinklima zumindest.

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