Theater - Tanz
Gila Weitershausen - Blütenträume

Als „Engelchen“ war Gila von Weitershausen Ende der 1960er-Jahre Ikone des jungen deutschen Films und einer Generation, die sich „Make Love not War“ auf Jeans und Parker schrieb.
In Lutz Hübners „Blütenträume“ steht sie nun als Frieda auf der Bühne des Hamburger Ernst Deutsch Theaters – als eine Frau „im besten Alter“, die mit Hilfe eines „Flirt-Kurses“ der Volkshochschule den Weg zurück ins Leben sucht.

Isabelle Hofmann (IH): Lutz Hübners Komödie trifft den Nerv unserer Zeit. Die Gesellschaft ist voll von Singles „55 plus“, die einen Partner suchen. Wie sich zeigt, ist das Verlieben im fortgeschrittenen Alter allerdings schwieriger als gedacht.

Gila von Weitershausen (GW): Das liegt ja auch auf der Hand. Die meisten Menschen, die in diesem Alter allein sind, haben eine langjährige Beziehung hinter sich, sind geschieden oder verwitwet. Sich auf jemand Fremden einzulassen, bedeutet eine große Kompromissbereitschaft und Neugier.

IH: Die nimmt im Alter ab?

GW: Ich denke schon. Ich lebe mit meinem Mann jetzt seit 25 Jahren zusammen. Die Vorstellung, ich müsste mich jetzt auf jemanden Neues einlassen (Pause) – das kann ich mir gar nicht vorstellen!

IH: Sie haben Ihren jetzigen Mann relativ spät kennengelernt und erst mit 50 geheiratet. Hat es lange gedauert, bis Sie sich in ihn verliebten?

GW: Ich habe mich immer spontan verliebt. Bei meinem Mann natürlich auch!

IH: Mit 50 verliebt man sich aber nicht mehr so leicht, wie mit 15 Jahren.

GW: Man vielleicht nicht, aber ich! Ich habe nie einen Flirtkurs gebraucht.

IH: Speed-Dating ist groß in Mode gekommen, aber solche Strategien kommen bei den Kursteilnehmern schlecht an. Warum eigentlich?

GW: Zettel auszufüllen, Fragen zu beantworten, welche Schuhgröße man hat, was man gerne isst, ob man lieber italienische oder holländische Schuhe mag – das ist unserer Generation doch alles sehr fremd.

IH: Und Ihrer Figur, der Frieda, auch. Diese Frau hat ihren demenzkranken Mann bis zum Tod gepflegt.

GW: Ja. Frieda geht in den Kurs, weil sie wieder unter Menschen kommen will. Sieben Jahre hat sie in totaler Isolation gelebt. Ich stelle mir vor, dass sie Schwierigkeiten hat morgens aufzustehen. Sie steckt in einer schweren Depression und weiß vor lauter Einsamkeit nicht, wie sie den Tag rumbringen soll.

IH: Depressionen sind bei Frauen über 50 nicht selten. Ist ein Flirtkurs da hilfreich?

GW: In so einem Kurs entsteht ja eine gewisse Dynamik – in dem Stück ist es jedenfalls so. Frieda verweigert sich ganz lange, weil sie nicht kommunizieren kann, wird durch die Dynamik dann aber doch in die Gruppe gezogen. Irgendwann ist sie dann in der Lage, ihre Geschichte rauszulassen. Das ist schon eine Form von Therapie.

IH: Frieda schildert die Krankheit sehr berührend und schonungslos. Haben Sie sich früher schon mal mit Demenz auseinandergesetzt?

GW: Nicht wirklich. Ich empfinde es auch als sehr verstörend und beängstigend. Man sagt ja, seinen Kopf zu verlieren und nur noch Körper zu sein, ist das schlimmste, was einem passieren kann.

IH: Wie würden Sie wohl mit so einem Schicksalsschlag umgehen?

GW: Das weiß ich wirklich nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einem passieren könnte, ist ja gar nicht so gering. Da setzt man sich dann auch damit auseinander, ob man dann nicht auch einen anderen Weg gehen könnte.

IH: Sie meinen, Selbstmord zu begehen, wie Gunter Sachs?

GW: Das würde ich jedenfalls nicht verurteilen. Ich habe mich sehr mit Walter Jens beschäftigt. Inge Jens hat ein wirklich gutes Buch über Alzheimer geschrieben. Walter Jens hat früher in mehreren Interviews ganz klar formuliert, dass er sich den Freitod wünscht, wenn es mal soweit ist. Er hat es nicht gemacht.

IH: Er hat den richtigen Zeitpunkt verpasst.

GW: Vielleicht ist das Leben ja auch mit Alzheimer lebenswert? Das ist die große Frage!

IH: Wie auch immer - die Flirt-Teilnehmer finden einen überraschenden Ausweg aus der Einsamkeit: Sie gründen eine Alters-WG. Wäre das für Sie ein praktikables Modell in der letzten Lebensphase?

GW: Ich gehöre ja zu einer Generation, die diese Lebensform kennt. Ich könnte es mir vorstellen – aber nur mit sehr guten Freunden. Und in einem großen Haus mit verschiedenen Etagen, so dass jeder seinen Bereich hat.

IH: Haben Sie noch ein anderes Rezept gegen Einsamkeit im Alter?

GW: Familie! Ich komme aus einer sehr, sehr großen Familie mit fünf Geschwistern und wir sind immer noch ein richtiger Verbund. Familie gibt Sicherheit und eine Struktur. Ich gehe überhaupt nicht davon aus, dass ich 90 werde. Aber falls ich tatsächlich so alt werde, glaube ich, dass ich in der Familie aufgefangen werde.

IH: Warum sollten Sie nicht so alt werden?

GW: Ich habe nie besonders gesund gelebt und das geben meine Gene nicht her. Ich glaube, das will ich auch gar nicht. Ich finde es schon ganz toll, überhaupt so alt zu sein, wie ich jetzt bin. Ich habe mich gewundert, als ich 40 wurde. Auf einmal wurde ich 60. Das Leben ging so wahnsinnig schnell vorbei. Unglaublich! Und plötzlich geht man auf die 70 zu.

IH: Können Sie sich mit dieser Zahl überhaupt anfreunden?

GW: Ja, ich bin unheimlich gespannt. Ich lasse mich überraschen. Meine Freunde, mein Mann, die sind jetzt alle schon über 70. Na, und? Wir reisen, wir arbeiten, wir sind noch voll aktiv. Ich gehe auf das Leben nach wie vor mit einer großen Neugier zu und warte, was es noch für mich parat hält.

IH: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, singt Udo Jürgens.

GW: Ganz genau. Und jetzt bin ich endlich soweit, dass ich ein bisschen den Überblick habe.

IH: Welche Verrücktheiten haben Sie noch vor?

GW: Ach, so konkret gar nichts. Die Zeiten, in denen ich noch ganz viel ausgehen und erleben musste, sind vorbei. Das interessiert mich einfach nicht mehr. Ich bin auch froh, dass mein Sohn mit seiner Familie jetzt in Paris und nicht mehr in Los Angeles lebt. Die langen Reisen habe ich einfach satt.

IH: Das Alter sei nichts für Feiglinge, heißt es.

GW: Ja, gut, aber das Alter ist auch sehr schön - solange man gesund ist, Ich bin heute viel gelassener als früher. Ich genieße auch vieles mehr. Es ist herrlich, erwachsene Kinder und Enkelkinder zu haben. Das sind lauter schöne Sachen.

IH: Mit dem Stück „Blütenträume“ schließt sich in gewisser Weise ein Kreis: 1968 haben Sie mit den Engelchen-Filmen zur „sexuellen Revolution“ beigetragen, nun thematisieren Sie Alterssexualität, ein Thema, das immer noch tabuisiert wird.

GW: Das sehe ich gar nicht so. Andreas Dresen hat mit „Wolke 9“ doch einen wunderschönen Film darüber gemacht. Mit dem Älterwerden unserer Gesellschaft werden wir uns immer mehr mit solchen Themen auseinandersetzen müssen. Jedem, der sich ein bisschen damit beschäftig hat, ist klar, dass Sexualität bis ins hohe Alter gelebt werden kann.

IH: Es fällt aber schwer, sich ein altes Paar im Liebestaumel vorzustellen.

GW: Das hat etwas mit unserem ästhetischen Empfinden zu tun. Sexualität zwischen zwei alten Menschen stelle ich mir bildlich einfach nicht so gerne vor, wie zwischen zwei jungen Menschen. Der alte Mensch hat eine andere Schönheit. Und andere Gesichter. Ich liebe alte, gelebte Gesichter, das finde ich herrlich.

IH: Sie sehen ja auch im Alter sehr attraktiv aus. Haben Sie etwas nachgeholfen?

GW: Überhaupt nicht. Ich bin kein Freund von Schönheitsoperationen. Ich finde die Gesichter dann entstellt. Ich würde nie im Leben jemanden an mein Gesicht lassen! Ich würde mich fürchten, dann nicht mehr das Gesicht zu haben, das mir gehört.

IH: Ihr Gesicht gehört durch zahlreiche Fernsehfilme und -Serien zu den bekanntesten des deutschen Fernsehens. Warum sieht man Sie nicht im Kino?

GW: Ich weiß auch nicht warum. Kinorollen sind relativ weit weg für mich. Sie werden mir einfach nicht angeboten.

IH: Das sah früher mal ganz anders aus. Sie haben 1971 unter Louis Malle „Herzflimmern“ gedreht, sich dann in ihn verliebt und den gemeinsamen Sohn Manuel bekommen. Damals waren Sie auf dem Sprung ins große Kino. Warum haben Sie sich dann für seichte TV-Serien entschieden?

GW: So sehe ich das überhaupt nicht! Ich habe Kinofilme gedreht, mich dann aber von dem Vater meines Sohnes getrennt. Ich war alleinerziehende Mutter und musste Geld verdienen. Ich habe sehr, sehr gute Fernsehfilme gemacht, das war nicht nur seicht. „Der Landarzt“ war eine der ersten Serien in Deutschland, mit tollen Drehbüchern, spannenden Geschichten und einem wunderbaren Team.

IH: Das Fernsehen hat sich seitdem ziemlich verändert.

GW: Durch die Privatsender ist es sehr kommerziell geworden. Und im Verlauf der Kommerzialisierung wurden auch meine Filme immer kommerzieller. Irgendwann steht man vor der Frage: „Mach ich weiter oder höre ich ganz auf?“

IH: Sie haben sich für das Weitermachen entschieden.

GW: Weil ich immer sehr gern als Schauspielerin gearbeitet habe. Ich glaube, die Qualität eines Schauspielers liegt auch in der Kontinuität. Spielen ist permanente Praxis, Pausen halte ich für ganz schlecht. Und ich hatte das Glück zwischendurch immer wieder gute Filme zu machen. So zum Beispiel „Letzter Moment“ von Sathyan Ramesh mit Matthias Habich (Erstausstrahlung war Sept. 2010 bei Arte)

IH: Sie wollte gerne mal eine Kommissarin spielen, habe ich gelesen.

GW: Das wollte ich früher, aber heute bin ich zu alt – und auch ein wenig Krimi-müde. Jetzt finde ich eine Rolle wie die der Frieda ganz, ganz aufregend. Diese Frau hat sechs Jahre lang ihren kranken Mann gepflegt und ist immer noch neugierig auf das Leben. Das ist sehr berührend und betrifft mich unheimlich. Das zu spielen ist eine riesige Aufgabe.


"Blütenträume"
von Lutz Hübner

Regie: Hartmut Uhlemann
Bühne: Eva Humburg
Kostüme: Sabine Birker
mit Wolf Aniol, Ulrike Barthruff, Maike Bollow, Wolf Frass, Karin Nennemann, Georg Münzel, Günter Rainer und Gila von Weitershausen.
Noch bis 13.04.2012 im Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1 in 22087 Hamburg.

Foto Header: (c) Isabelle Hofmann

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