Theater - Tanz

Elsas Zauberkräfte schienen zur Deutschland-Premiere des Musicals „Die Eiskönigin“ bis ins Foyer des Stage Theaters an der Elbe zu reichen: Keine Spur von Abstandsregeln und Ängsten vor steigenden Inzidenzwerten.

Stattdessen dichtes Gedränge der 1.200 handverlesenen 2-G-Gäste, die bestgelaunt und weitestgehend maskenlos die neue Hamburger Musical-Königin feierten.

 

Menschen lieben Märchen. Und in diesen Zeiten, in denen die Welt von Pandemie und Zukunftsängsten beherrscht wird, scheint die Sehnsucht nach märchenhaften Geschichten, gewürzt mit viel Herz, Humor und Drama, immer stärker zu werden. Eine Nachfrage, die niemand so gut bedient wie Disney. Dieser Konzern bürgt für Tränen der Rührung, für Top Timing und eine tolle Show mit stuppenden optischen Effekten. Und er wacht darüber, dass die Musical-Fassungen seiner Zeichentrickfilme rund um den Globus ein identisches Erscheinungsbild und Niveau haben. So läuft auch „Die Eiskönigin“, die 2013 in die Kinos kam und mittlerweile als einer der erfolgreichsten Zeichentrickfilme aller Zeiten gilt, seit 2018 höchst erfolgreich als Broadway-Musical (Regie: Michael Grandage, Choreographie: Rob Ashford, Bühne und Kostüme: Christopher Oram) und mittlerweile auch in Japan.

 

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Wer 2013 den Disney-Film „Die Eiskönigin (Originaltitel „Frozen“) sah, hat die Geschichte um die zwei ungleichen Königskinder Elsa um Anna sicher noch gut in Erinnerung. Elsa besitzt magische Kräfte, die sie nicht kontrollieren kann. Alles um sich herum verwandelt sie in Eis. Als der Zauber versehentlich Anna trifft und die Eltern beschließen, sie zu trennen, wird es einsam um beide Schwestern, insbesondere nach dem Tod der Eltern. Jahre später, bei Elsas Krönungsfeierlichkeiten, eskaliert die Situation, Elsa verliert die Beherrschung, das Königreich Arendelle versinkt in Eis und Schnee. Die junge Königin flieht in die Berge, ihre Schwester folgt ihr, begleitet von Eisverkäufer Kristoff und seinem Rentier Sven, unterwegs stößt noch der liebesbedürftige Schneemann Olaf dazu. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, den ewigen Winter zu beenden.

 

Ursprünglich hatte der Disney-Konzern vor, Hans Christian Andersens Märchen „Die Schneekönigin“ auf der Leinwand zu animieren, dann wurde der Plot jedoch derart verändert, dass nur noch der Eispalast an den Ursprung erinnert. Seine Herrscherin ist keine gefühlskalte Kindesentführerin mehr, sondern eine missverstandene junge Frau, die in die Einsamkeit flieht, um ihren Mitmenschen kein Leid zuzufügen.

Nun ist „Die Eiskönigin“ also in Hamburg – als zweite nicht-englische Produktion weltweit. Hundertprozentig wird sie der Broadway-Inszenierung aber sicher nicht ähneln: Zu den acht Filmsongs, die ins Deutsche übersetzt wurden, kamen zwölf neue Lieder hinzu, die das 15-köpfige Musical-Orchester unter Aday Rodiriguez Toledo im Graben mit viel Temperament und Enthusiasmus begleitete.

 

Sabrina Weckerlin ist eine hinreißende Eiskönigin, die in dem Song „Lass jetzt los“ („Let it go, let it go“) alle Register ihres feinen Soprans zieht. Das Duett „Du bist alles“, gemeinsam mit ihrer Schwester, klag dagegen nicht ganz so harmonisch, wie es klingen sollte. Die beiden Stimmen passen nicht recht zusammen, überhaupt liegt die Stärke von Celena Pieper als Anna eher im Schauspiel als im Gesang. Liebenswert bodenständig, plappernd und quirlig gewinnt sie im Handumdrehen die Sympathien des Publikums. Das gilt ebenso für Kristoff (Benet Moneiro) und sein Rentier Sven (Antoine Banks Sullivan verbringt im Kostüm zweieinhalb Stunden im halben Liegestütz, eine akrobatische Leistung!), sowie dem Schneemann Olaf, der an der Hand von Puppenspieler Elindo Avastia zum absoluten Liebling avanciert. Selbst „Hans aus dem Süden“ (ein Bilderbuch-Prinz, auch stimmlich: Milan van Waardenburg), fliegen die Herzen zu. Nur schade, dass er sich zum Schluss als so ein fieser, perfider Lügner entpuppt.

 

Doch weder Inszenierung noch Darsteller sind in diesem opulent in Szene gesetzten Musical wirklich herausragend. Im Wortsinn brillant und absolut bestechend sind vielmehr die fantastischen Bilder, die auf einer neun Meter hohen, mit zahlreichen Spezialeffekten ausgestatteten Videowand wahrhaft wie von Zauberhand erscheinen (technischer Regisseur in Hamburg: Adrian Sarple). Absoluter Höhepunkt: Der Moment, in dem sich die düstere Bergwelt in einen blendend hellen, eisblumenzarten Palast aus zigtausend glitzernden Kristallen verwandelt, inmitten die funkelnde Eiskönigin in einem Kostüm aus 18 000 Perlen und Steinen. Hamburgs Ballett-Chef John Neumeier, einer der vielen Prominenten dieser Premiere, wird es vielleicht an sein „Dornröschen“-Bühnenbild erinnert haben, dass ähnlich jugendstilig-filigran gebaut war. Oder an seinen wunderbaren „Nussknacker“, in dem sich ein düsteres Wohnzimmer überraschend zu einem lichtdurchfluteten, hellblauen Ballett-Saal öffnet.

 

Ansonsten: Jede Menge Folklore, insbesondere in der Bergwelt, in der das skandinavische Lebensgefühl „Hygge“ von einem prächtig aufgelegten Ensemble in lappischer Volkstracht mehr als ausführlich zelebriert wurde. Stark auch immer wieder die Trolle, die in den entscheidenden Momenten zur Hilfe eilen. Die wahrhaftige Magie jedoch, die entzündete sich beim Anblick des Eispalastes. „Manche Menschen sind es Wert, dass man für sie schmilzt“, sagt Schneemann Olaf, der so gern die Freunde knuddelt.

Manche Momente auch.


„Die Eiskönigin“

zu sehen im Theater an der Elbe, Norderelbstraße 8, 20457 Hamburg,

Tickets ab 55.90 Euro, Ticket-Service-Hotline 01805 - 4444,

Mo-Fr. 8-20 Uhr.

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