Theater - Tanz
Artisten der Ausnahmeklasse im Hansa-Theater Hamburg

Paris, Las Vegas, Monte Carlo. In der Welt des Varietés gibt es viele klingende Namen, doch nirgendwo findet sich diese prickelnde Mischung aus Plüsch, Nostalgie, Unterhaltungskunst und Weltklasse-Akrobatik wie in dem Schatzkästchen am Hamburger Steindamm.

Thomas Collien und Ulrich Waller eröffneten am Donnerstag die 9. Spielzeit im Hansa-Theater mit einer fantastischen Artisten-Riege, einer etwas peinlich herausgeputzten Marianne Rosenberg und der vergnügt lästernden Moderatorin Gerburg Jahnke, die über „dementes Bindegewebe“ und ihr lädiertes Bein lamentierte – aber bei ihrem Sturz von der Trepp –, Gott sei Dank – nicht auf den Mund gefallen war.

Jedes Jahr überraschen Waller und Collien die Galagäste mit einer besonderen Kostümierung, diesmal kamen sie in klassischem Blues-Brothers- bzw. Udo-Lindenberg-Outfit (Schwarzer Hut, schwarze Sonnenbrille, schwarze Klamotten, quietschgrüne Strümpfe), und begeisterten damit restlos das Original im Parkett. Klar, Udo darf auf keiner Hansa-Gala fehlen, eben so wenig, wie Bill Ramsey, Nadja Tiller und Albert Darboven. Sie gehören zu den Hamburger Urgesteinen, auf wen sollten sich die Fotografen denn sonst stürzen? Und ab 10. November geht es auf der Reeperbahn „Hinterm Horizont“ noch weiter. Das Lindenberg-Musical kommt nach Hamburg, Waller hat inszeniert – allemal Grund genug für den Regisseur, als Udo-Double die Werbetrommel zu rühren.

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Die Künstler, die er und Collien in diesem Herbst im Hansa präsentieren, dürften eigentlich gar keine Werbung benötigen. Wenn es gerecht zuginge in dieser Welt, müssten ihnen die Werbefirmen, Fernsehanstalten und natürlich auch das Publikum die Bude einrennen. Jedenfalls hätten es Svetlana Belova, Francoise Rochais oder Duo Aliens allemal verdient, so populär zu sein, wie die Ballkünstler Ronaldo, Messi und Manuel Neuer.

Aber es geht nun mal nicht gerecht zu auf diesem Globus und so muss man den Menschen außerhalb der Artistenwelt erklären, wer zum Beispiel Svetlana Belova ist. Ganz kurz gesagt: Ein Phänomen. Die junge Ukrainerin, die sechs Jahre lang Mitglied des legendären ‚Cirque du Soleil‘ war, wurde, so scheint es, ohne Knochen geboren. Wo andere ein Rückgrat haben, hat sie ein dehnbares Gummiband. Die Biegsamkeit, Eleganz und Körperbeherrschung dieser „Kontorsionistin“, wie sie sich selbst nennt, ist atemberaubend und übertrifft alles, was man sich an menschenmöglichen Verrenkungen vorstellen kann.

Artisten der Ausnahmeklasse sind auch Viacheslav Spirin und Stanislav Kotelnikov. Der einarmige Handstand des einen auf dem Kopf des anderen erscheint im Programmheft wie eine Collage, doch die Figuren sind nicht zusammengeschnitten, ihre „Show der menschlichen Waagen“ ist völlig real und von stupender Perfektion. Hochkonzentriert und in absoluter Ruhe, ohne jeden Wackler, ohne Zittern und Zögern, schwingt sich der eine auf den Kopf des anderen, dreht, spreizt und windet sich mit einer (scheinbaren) Mühelosigkeit, die das Publikum vor lauter Staunen völlig verstummen lässt - um am Schluss in ein Gejohle auszubrechen, wie man es sonst nur auf einem Rockkonzert hört.

Ja, es ist wieder eine gelungene Mischung an Varietékünstlern zu Gast am Steindamm. Die Französin Francoise Rochais, eine Erscheinung wie aus F. Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“, lässt Schirme, Keulen, Tennisschläger und dazugehörige Bälle durch die Luft sausen, als sei es ein Kinderspiel und wurde dafür in Las Vegas auch schon zur Weltmeisterin gekürt. Magier Jidinis verwandelt Pudel in Dalmatiner und Meisterdieb Charly Borra klaut seinen „Opfern“ aus dem Publikum selbst die Brille von der Nase, ohne dass sie es bemerken. Große Klasse sind auch Puppenspieler Phillip Huber und der französische Seiltänzer Julien Posada, sowie die ‚Clicquot Brothers‘ als krönender Abschluss, die selbst Fred Astaire und Ginger Baker neidisch machen – wenn sie denn aus dem Himmel zusehen. Die beiden jungen Farbigen aus New York City steppen, bis der Arzt kommt – und das am liebsten zur Musik der goldenen 20er-Jahre.

Ja, und dann war da noch „Stargast“ Marianne Rosenberg. In High-Heels und einem Glitzerfummel, als hätte man sie gerade von der anderen Straßenseite des Steindamms geholt. Falls diese Frau einen Stylisten oder Imageberater haben sollte, gibt es nur einen Rat – sofort feuern.


Hansa Varieté Theater, Steindamm 17, 20099 Hamburg, bis 26.2.2017,
Tickets: (040) 4711 0644,
www.hansa-theater.de


Abbildungsnachweis: Alle Fotos: Stefan Malzkorn
Header: Alle Artisten
Galerie:
01. Svetlana Belova
02. ‚Clicquot Brothers‘
03. Phillip Huber
04. Norman Berrett
05. Jidini

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