Theater - Tanz
Oliver Dubois - Auguri

Das Kampnagel Sommerfestival startete in diesem Jahr mit Oliver Dubois‘ „Auguri“ – einem philosophischen Stück über den trostlosen Zustand unserer Gesellschaft: Ein Höllenlärm, alles dunkel, die Menschen rasen aneinander vorbei und manchmal krachen sie aufeinander.

In der Ankündigung liest sich „Auguri“ allerdings etwas anders. Olivier Dubois, der französische Star-Choreograf und Tänzer, bezieht sich in seinem Stück, das auf Kampnagel seine Uraufführung erlebte, auf die römischen Auguren: „Beamte, deren Aufgabe darin bestand, den Götterwillen und die Zukunft aus dem Flug von Vögeln abzulesen. Analog zu dieser Praxis der Ornithomantie, die in vielen unterschiedlichen Kulturen Anwendung fand, macht Dubois hier die Bühne zu einem Orakel der Menschheit.“ So jedenfalls steht es im Programmheft.

Mal abgesehen davon, dass die historischen Auguren Männer von Priester-ähnlichem Status waren, die in stiller Beobachtung und tiefer Kontemplation versunken den Flug und das Verhalten der Vögel (wie auch anderer Tiere) zu deuten versuchten – Dubois in seinem Stück eher die Vögel, als die Auguren auf die Bühne bringt – ist „Auguri“ wohl das minimalistischste Werk des Franzosen. Zuerst hört man nur ein verstörend lautes Klanggewitter – gleich einem Flugzeug, das sich bedrohlich nähert und gleich in die Halle zu krachen scheint. Ganz langsam verwandelt sich der Sound in ein immer stärkeres Pulsieren, das den Zuschauer auch körperlich angreift.

Die Bühne ist leer und dunkel, den Hintergrund unterteilen drei verspiegelte Kästen/Wände, hinter denen eine Person schemenhaft langsam entlanggeht, nur kurz wahrgenommen wird in der Dunkelheit. Das ganze wiederholt sich noch zwei, drei Mal, bis auf einmal vereinzelt Tänzer hervorschießen, geradezu über die Bühne fliegen, von links und rechts, hin und zurück, später auch aus der Mitte. Im Laufe der Stunde werden es immer mehr, zum Schluss rasen 22 Frauen und Männer über die Bühne, zu einem pulsierenden Sound, der durchaus mitreißt und fast in einen tranceartigen Zustand übergeht. Schließlich kollidieren sie auch, bilden Paare und taumeln gemeinsam durch den Raum. Diese Momente sind wirklich wunderschön und das „Ballet du Nord“, mit dem Dubois vor drei Jahren beim Sommerfestival auf Kampnagel mit „Tragédie“ gastierte, einfach großartig. Ihr Umher- und Umeinander-herum-Gehetze ist hochenergetisch, über weite Strecken berührend und beklemmend zugleich. Doch Vogelflug? Nein, diese Assoziation stellt sich wohl als letztes ein. Hier ist nichts Heiteres, nichts Helles. Keine Sonne, kein blauer Himmel, nur Düsternis und Verdammnis. Zum Schluss werden die Kästen transparent und geben die Sicht frei auf ein quirliges Körpergemenge. Das hat etwas von Maden in einem Reagenzglas, auch, wie die Tänzer schließlich über die Kästen kriechen und rollen, völlig erschöpft und schweißgebadet. Die Compagnie hat alles gegeben, doch weder die Intention von Olivier Dubois noch die hervorragende Leistung des Ensembles können darüber hinwegtäuschen, dass eine Stunde „Über-die-Bühne-Rasen“ ein höchst schwacher Auftakt für ein Sommerfestival ist. Ebenso schwach, wie dieser Sommer.

PS. Über „The Greatest Show on Earth“ am nächsten Abend lohnt es sich übrigens nicht, Worte zu verschwenden. Man war ja darauf gefasst, dass der Titel ironisch gemeint ist, doch was hier geboten wurde, war – mit Ausnahme der Meg-Stuart-Choreografie „Inflamavel“ – einfach nur ärgerlich. Am Anfang kam ein überlebensgroßer Scheißhaufen auf die Bühne und Jeremy Wade, der drin saß, forderte die Zuschauer auf „Alles Scheiße“ zu skandieren. Damit ist alles gesagt. Zeitverschwendung!

Internationales Sommerfestival Kampnagel
10. bis 28. August 2016
Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Weitere Informationen
Tickets online oder telefonisch: +49 40 270 949-49 (Mo-Sa 10:00 - 19:00) unter (040) 2709 4949


Abbildungsnachweis:
Header: Olivier Dubois „Auguri“. Foto: Francois Stemmer

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