Kultur, Geschichte & Management
Hamburg-Oberhafen – quo vadis?

Einige Anmerkungen zur Lage und zur Zukunft.
Am besten nirgendswohin, sondern einfach dort bleiben, wo er ist; und zu nutzen von möglichst vielen Kreativkräften und nicht nur von der selbsternannten Kreativwirtschaft.

Was wird aus dem Oberhafen in Hamburg? In diesem Jahr könnten wichtige Signale gesetzt werden. Doch sind es auch die richtigen? Zur Zeit läuft ein Bewerbungsverfahren der Hamburger Kreativ-Gesellschaft, aus dem aber nicht ganz deutlich wird, wohin die Reise gehen soll. Einige Mieter gibt es – so wie die Hanseatische Materialverwertung: „die zentrale Anlaufstelle für Materialien & Ideen. Bei uns bekommen die Hamburger Kultureinrichtungen, öffentliche Schulen, Universitäten, Künstler und Vereine die Materialien, die sie für die Realisierung ihrer sozialen, ökologischen oder kreativen Projekte benötigen.“ (Text der eigenen Web-Site) sowie bereits niedergelassene Künstler, dazu der Oberhafen e.V. mit Sebastian Libbert, der allerdings stark unter den Folgen von Sturm „Xaver“ und der abgesoffenen Oberhafenkantine leidet.

Der „Art Directors Club für Deutschland“ (ADC e.V.) wird im Mai seinen zweiten deutschen Jahreskongress abhalten; die HafenCity-Universität eröffnet in der HafenCity im Sommersemester 2014 ihren Betrieb und wird bald versuchen, mit Arbeitsplätzen am Standort Fuß zu fassen. Man hat ihr von Seiten der Stadt schließlich berechtigte Hoffnungen gemacht. Rote-Flora-Eigentümer und Mieter des „Landsend“, Klaus Martin Kretschmer, soll nach Willen seines Vermieters (einer Tochtergesellschaft der HafenCity GmbH), im Sommer verschwinden, die Verträge sind gekündigt.

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Es ist also was los im Oberhafen. „Ein bisschen mehr Berlin in Ham-burg täte schon gut!“ hatte vor einigen Jahren der alternative Hamburger Stadtplaner Rolf Kellner vom Büro üNN gefordert und es so ganz anders als das metropolensüchtige offizielle Hamburg gemeint. Rolf Kellner und viele andere Kreative suchen nach neuen Stadtentwicklungszielen, anderen Bedeutungen und einem alternativen Bild der Freien und Hansestadt Hamburg, die nachhaltig zum 21. Jahrhundert passen. Mehr ‚bottum up’ als ‚top down’. Man kann auch sagen: alternativ so wie gewisse Avantgardeszenen in New York oder eben Berlin es vormachen. Hamburg muss aufpassen, dass es sich im globalen Wahn, der alle großen Städte in bester Stromlinienmanier austauschbar macht, selbst treu bleibt. Es fehlt der diskrete Charme des Unfertigen und Alternativen stattdessen entstehen immer mehr Gebäude à la Kreuzfahrtterminals und Musicaltheater.

Hamburg scheint nach der Besetzung des Gänge-Viertels vor vier Jahren genau das begriffen zu haben, als die Initiative „Komm in die Gänge“ Kooperationen mit der Stadt aushandeln durfte. Jetzt sollte man auch im sogenannten „Wilden Osten“, also auf der Peute, in Hammerbrook oder Hamm, wo es phantastische Möglichkeiten sinnvoller Umnutzung gibt, aufwachen, statt die Vermächtnisse der alten Hafen- und Industriestadt zu schreddern und kampflos der Immobilienindustrie zu übergeben.

Die große Chance, auf der Peute den dringend benötigten zentralen Kulturspeicher für vier stadthistorische Museen – „hamburgmuseum“, Altonaer Museum, Museum der Arbeit, Archäologisches Museum/Helms Museum – zu etablieren, scheiterte am Veto der Hamburg Port Authority. Die Fabriken und das Lager der ehemaligen „Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine“ hätten als Ganzes erhalten und umgenutzt werden können. Es wäre das richtige Zeichen gewesen! Allein Hamburg plant weitere Gewerbeflächen dort für den Hafen, der ganz woanders wächst, wenn er überhaupt noch wächst.

In Wilhelmsburg hatte die Internationale Bauausstellung gleich mehrere Chancen, altes Industriebaugut in die neue Zeit zu überführen. Der Erfolg ist mäßig, nicht einmal die Soulkitchen-Halle wird überleben, wo einst Fatih Akin die Fassade für seinen gleichnamigen Film abgefilmt hatte und Streetman Mathias Lintl als Robin Hood einer alternativen Musikszene von LKWs und der platzraubenden Logistikindustrie überrollt wird. Nebenan wird ein Kreativprojekt der HafenCity-Universität, die sogenannte „Universität der Nachbarschaften“ gerade wieder abgeschafft, das in einem aufgegebenen Gesundheitsamt Platz gefunden hatte.

Mit dem Oberhafen gibt es noch einen richtigen Schatz. Der ehemalige Hauptgüterbahnhof ist heute Teil der HafenCity-Planungen und schließt direkt an die Kunstmeile und die Deichtorhallen an – mit dem Charme des Arsenale in Venedig, mit einer Spur von New Yorks „Tribeca“ oder der Wucht des ehemaligen Busdepots in Berlin-Treptow. 8.500 Quadratmeter Hallenfläche und wilde Outdoor-Dschungel auf alten Gleisflächen bieten dem Oberhafen eine kreative Chance. Hamburg könnte für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahre hier ganz groß denken.

Also aufgepasst – Hamburger Kreativszene: Gesucht wird ein erfinderisches (aber auch ökonomisch denkendes) Kuratorenteam, das ein tragbares Programm für eine Hamburger Biennale oder Documenta ausarbeitet und umsetzt. Auch eine Biennale auf Venedigs Arsenale hat einmal klein angefangen und verdient heute direkt und indirekt viel Geld für die Stadt. Es gibt auch in dieser Pfeffersackstadt durchaus kreative Kräfte (auch im Senat!), die sich damit anfreunden können – was fehlt sind natürlich Leute, die es anfassen und natürlich Geld mitbringen oder besorgen.

Ich bin davon überzeugt: Die kann man finden!


Fotonachweis: Alle Klaus Frahm
Header: Oberhafen-Kantine.
Galerie:
01.-06. Szenen aus dem Oberhafen

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