Die Zeit spielt im „Rosenkavalier“ eine große Rolle. Wenn Sie, lieber Leser und liebe Leserin, nicht über so viel Zeit verfügen, die ganze Kritik zu lesen, speziell für Sie dies vorweg: Eine Vorstellung dieser Strauss-Oper in Lübeck sollten Sie unbedingt besuchen!
Da Sie momentan noch weiterlesen, zusätzlich folgender Hinweis: Dieser Bericht ist nicht KI-generiert, er basiert auf „Schwärm“-Intelligenz. Denn zu Schwärmen gibt es viel bei dieser Inszenierung.
Fangen wir beim Orchester an: Was hier in Lübeck im „Wiener“ Graben abgeht, ist beeindruckend. Dirigent Stefan Vladar folgt konsequent den Anweisungen von Strauss: „Keine verschleppten Tempi!“ So brilliert das Orchester in allen Stimmgruppen, die zahlreichen instrumentalen Soli funkeln und berühren, musikalische Gedanken gliedern sich sinnvoll. Die von Vladar eingeforderte rhythmische Genauigkeit in Verbindung mit straffem Tempo verdeutlicht die klanglich zart bis abgrundartige, thematisch komplexe Struktur der Partitur meisterlich.
Bühnenbild mit märchenhafter Sogkraft
Die immense Ausdruckskraft, die zarte Leichtigkeit, die vom Graben ausgeht, strahlt auch das Bühnenbild (Stefan Rieckhoff) aus. In der speziellen weiß-silbernen Grundfarbe des Rosenkavaliers ruhen im ersten Bild nach stürmischer Ouvertüre die Marschallin (Evmorfia Metaxaki) und Octavian, genannt Quinquin (Frederike Schulten) in vornehmer Pracht gebettet. Dabei wird viel von dem, was Strauss in der Uraufführungsinszenierung gefiel, übernommen. Durch geschickte Lichtregie (Falk Hampel) wirkt das barocke Setting aber frisch und jung.

Frederike Schulten (Octavian), Karola Sophia Schmid (Sophie), Evmorfia Metaxaki (Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg). Foto: Jochen Quast
Überhaupt hat die Lichtregie großen Anteil an der prallen Inszenierung (Michael Wallner). Kosten wurden zwar gescheut, aber keine Mühen! Lübeck ist kein großes Theater, aber es macht großes Theater. Mit allen Mitteln, die hier zur Verfügung stehen. Und alle machen mit: Kostümwerkstatt, Choreografie, Dramaturgie, Chor und alle anderen vor und hinter der Bühne. So sind mit viel Liebe zum Detail Kulissen entstanden, die eine fantastische Wirkung entfalten. Wie im zweiten Akt, der mit Blick auf die Fassade des Palais Faninal eröffnet wird. Und dann verwandelt sich in einer grandiosen „Metamorphose“ (Strauss hätt`s gefallen) die Bühne in einen perspektivisch optimal geweiteten Raum mit großer barocker Prachtentfaltung. Im letzten Akt führen handwerkliches Können der Bühnenwerkstätten, gekonntes Regiekonzept, vielfarbige Lichtregie und vitaler Chor zu einer lebendigen Vielfalt von riesenradartiger Sogkraft. Ein Riesenrad spielt hier tatsächlich optisch eine Rolle, dies in Zusammenklang mit anderen Praterelementen. Mehr sei hier nicht verraten.
Glänzend harmonisierendes junges Sänger-Ensemble auf Weltniveau
Ob Rollendebütanten oder Rollenerfahrene, ob aus dem Haus oder als Gast: Es wird höchst lebendig, schauspielerisch feinmotorisch, zart, aber auch humor- und kraftvoll gespielt und auf höchstem musikalischem Niveau mit großer Wortdeutlichkeit ohne Abnutzungserscheinung musiziert: Steffen Kubach (Herr von Faninal) markant, entschieden, präsent. Johannes Maria Wimmer (Baron Ochs): warm, in heiterem Lokalkolorit singend und spielend, verbauert und baronesk im gleichen Atemzug. Andrea Stadel (Jungfer Marianne): zupackend, klar und stark. Karola Sophia Schmid (Sophie): mezzosopranisch milde bis in höchste Lagen, offen, leicht, zärtlich, bestimmt und zugleich verspielt. Frederike Schulten (Octavian): wandlungsfähig mit großem Umfang, reichem Farbenspiel, beeindruckend raumgreifend. Evmorfia Metaxaki (Marschallin): in wienerischer Leichtigkeit sängerisch und schauspielerisch Grazie und Feinheit darstellend. Die Highlights der Oper berühren, wenn die Zeit stillzustehen scheint wie bei der celesta-zarten Übergabe der Rose oder wenn die widersprechenden Empfindungen von Marschallin, Octavian und Sophie im Terzett zu musikalischer Einheit führen.
Nach den Worten der Marschallin, dass „die Sach‘ ein End hat“ und dem Liebes-Duett „Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“ fällt nach einem teils turbulenten, immer spannenden, von ganzheitlicher Schönheit getragenem Abend der Vorhang. Langanhaltender Applaus eines offensichtlich tief bewegten, bewundernden Premieren-Publikums. Viele, viele Vorhänge. Unbedingt hingehen!
Der Rosenkavalier
Komödie für Musik von Richard Strauss, Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Zu erleben im Theater Lübeck, Großes Haus, Lübeck
Weitere Termine 31/10, 18.00 Uhr, 09/11, 16.00 Uhr, 29/11, 18.30 Uhr, 07/12, 18.00 Uhr, 28/12, 18.00 Uhr, 11/01, 18.00 Uhr, 17/01, 18.30, 15/02, 18.00 Uhr,
Musikalische Leitung: Stefan Vladar | Inszenierung: Michael Wallner | Bühne: Stefan Rieckhoff | Kostüme: Tanja Liebermann | Choreografie: Kati Heidebrecht | Chor: Jan-Michael Krüger | Licht: Falk Hampel | Dramaturgie: Jens Ponath
Mit: Evmorfia Metaxaki, Johannes Maria Wimmer, Frederike Schulten, Steffen Kubach, Karola Sophia Schmid, Andrea Stadel, Noah Schaul, Delia Bacher, Viktor Aksentijević, Svjatoslav Martynchuk, Changjun Lee, Franz Gürtel-schmied, Imke Looft, Inge Bayer, Therese Meinig, Therese Fauser, Iris Meyer-Zentner, Aditi Smeets, Wonjun Kim, Yong-Ho Choi, Tomasz Myśliwiec, Young-Soo Ryu, Yong-Ho Choi, Young-Soo Ryu, Chul-Soo Kim, Simon Rudoff, Lars Jacobsen, Jaegyeun Choi, Mark McConnell, Thomas Stückemann; Chor des Theater Lübeck; Statisterie des Theater Lübeck; Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln.
Dauer: 4 Stunden (zwei Pausen)
Weitere Informationen (Theater Lübeck)

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