Musik Magazin
- Geschrieben von Anke Borscheid, Aija Kaukule -
Das Jahr Rigas als Kulturhauptstadt neigt sich langsam seinem Ende zu, doch auch im Herbst gibt es noch echte Höhepunkte im Programm.
Einer dieser besonderen Momente ist der Initiative des Goethe-Instituts Rigas zu verdanken, indem es zwei verschiedene Ensembles – die Berliner Experimentalmusiker „Andromeda Mega Express Orchestra“ und die „Sinfonietta Rīga”, ein staatliches Kammerorchester – in einem Projektorchester zusammenführte. Das Ergebnis dieses Experiments wurde am 26. September im Konzertsaal Riga präsentiert und ist mehr als gelungen. Die Eigenkompositionen des musikalischen Leiters Daniel Glatzel zeichnen sich durch eine neue, eigene Klangsprache voller faszinierender Gegensätze aus, welche bei der Uraufführung direkt einen Nerv beim Publikum treffen.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Wahnsinn. Neben mir singt Maria Callas.
Die Wahnsinnsarie aus Donizettis „Anna Bolena“, eine Aufnahme von 1958, entstanden kurz nach der Einführung von Stereo-LPs: feinst ziselierte Koloraturen, gewaltig in die Länge gestreckte Crescendi, ihr fast schon ersterbendes Pianissimo von keinem Knistern oder Knacken gestört, zupackendes Forte, glasklare Höhen. Der Chor fällt mit massiver Präsenz ein. So direkt habe ich der Callas noch nie beim Verfertigen der Töne zuhören können. Gänsehaut-Musik. Dasselbe bei „Lucia di Lammermoor“, noch eine Wahnsinnsarie. Ihre erste Opernaufnahme überhaupt, eingespielt noch mono im Jahr 1953 in Florenz. Man hört die Diva in spe in gnadenloser Brillanz, um winzige Spürchen verrutschte Töne inklusive, aber auch perlende Spitzentöne, zum Greifen plastisch ihre Stimme, und wie ein Messerstich das hohe Es am Ende. Und das „Ebben? Ne andró lontana“ aus Catalanis „La Wally“, aufgenommen 1954 in London, ebenfalls mono, fasst direkt ans Herz und rührt zu Tränen.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Helena kriegt sich gar nicht mehr ein: Sie soll endlich ihren „homme à la pomme“ bekommen, den sagenhaften Paris, Hirten-Prinz aus trojanischem Geblüt, der mit seinem Apfel einst den Beauty-Contest dreier zankender Göttinnen entschied.
Die Vorfreude darauf darf Jennifer Larmore in der Neuinszenierung der Hamburger Staatsoper von Jacques Offenbachs „La belle Hélène“ so hübsch wie endlos austirilieren, dass sie aus dem Bühnenhimmel heraus per Fernbedienung abgeschaltet werden muss.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Aufregende Avantgarde: Ensemble Resonanz spielt die Hamburger Sinfonien.
Als Baron van Swieten, Sohn des Leibarztes von Maria Theresia, Gesandter der Kaiserin in Berlin und Musikliebhaber, 1770 in Berlin eintraf, war er enttäuscht, den großen Bach dort nicht mehr zu finden. Carl Philipp Emanuel hatte die Dienste des Preußen-Königs Friedrich II. zwei Jahre zuvor nach 30 Jahren verlassen und war dem verlockenden Ruf nach Hamburg gefolgt, um dort die Nachfolge von seines Taufpaten Georg Philipp Telemann anzutreten. Der war 47 Jahre lang für das Musikleben der Hansestadt verantwortlich gewesen als Kantor am Johanneum und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen.
- Geschrieben von Mirjam Kappes -
Der Countdown läuft: Am 17. September startet das Hamburger Reeperbahn Festival in seine neunte Runde.
Mit über 600 geplanten Veranstaltungen in Sachen Musik, Kunst, Literatur, Film und Business fällt die Programmauswahl wie gewohnt schwer.
Das quietschgelb-neonpinke Logo des diesjährigen Reeperbahn Festivals strahlt uns nun schon seit Monaten von Plakaten, Flyern und Bierflaschen entgegen. Knallbunt und möglichst laut, das passt ja zum größten deutschen Clubfestival, das auch dieses Jahr wieder mit proppenvollem Vier-Tage-Programm auf die Spielstätten Sankt Paulis zieht. Die Messlatte haben die Macher dabei gleich noch eine Stufe höher gelegt: Über 400 Live-Konzerte sind angesetzt, dazu kommen zusätzlich 70 Programmpunkte aus den Bereichen Kunst, Literatur und Film. Für Branchenvertreter der Musik- und Digitalwirtschaft sind weitere 160 Business-Veranstaltungen vorgesehen.
- Geschrieben von Annedore Cordes -
Das gewaltige szenische Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ (Johanna auf dem Scheiterhaufen) von Arthur Honegger und Paul Claudel erklingt zwei Mal in der Laeiszhalle.
Die musikalische Leitung übernimmt Hamburgs Opernchefin Simone Young und die Titelpartie wird von der französischen Schauspielerin Fanny Ardant interpretiert.
Das Leben hingeben
„Niemand hat eine größere Liebe gekannt denn die, sein Leben hinzugeben für die Seinen“, lässt der französische Dichter Paul Claudel seine Heldin Jeanne d’Arc sagen.
- Geschrieben von Sarah Seidel -
Viele seiner Fans dürften Jacob Karlzon durch seine bewegenden Auftritte mit der Sängerin Viktoria Tolstoy kennen.
Oder durch seine Trio-Auftritte. Ob nun Pop, Rock oder Jazz – so genau nimmt es der 43-jährige schwedische Pianist mit den Genre-Grenzen nicht. Und tritt mit dieser Haltung in die Fußstapfen jenes Landmanns, der immer wieder im Vergleich mit ihm angeführt wird: Esbjörn Svensson. Natürlich ist der Vergleich vordergründig, aber es gibt tatsächlich Parallelen. Karlzon ist, wie seinerzeit Svensson, bevorzugt im Trio unterwegs und ist in einer am Pop orientierten Welt des Klangs zuhause. Der Jazz ist bei Karlzon eine Spielart, er löst sich von der Vorstellung eines klassischen akustischen Pianotrios.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Eine Auseinandersetzung mit dem Gottesbild.
Nachdem der Schlussakkord von Händels mächtigem Oratorium „Israel in Egypt“ verklungen war und der Applaus beim SHMF-Konzert in der Hamburger Laeiszhalle nicht enden wollte, sang der Balthasar-Neumann-Chor unter Thomas Hengelbrock als a-cappella-Zugabe Felix Mendelssohns Motette „Richte mich, Gott“ – auch in ihrem Text geht es vorderhand ein starker, aber unbarmherziger Gott, der seine Gläubigen alleine lässt in der Not. Und um einen starken Glauben, der sich nicht irre machen lässt und felsenfest an die Rettung glaubt. Entstanden gut 100 Jahre nach Händels Werk war das ein starker Schlusspunkt und das Nachzeichnen der Verknüpfung, die musikhistorisch zwischen beiden Komponisten besteht.
- Geschrieben von Thomas Janssen -
Über den sinn-, aber nicht zwecklosen Versuch, eine Verbindung von Kunst und Nachhaltigkeit zu konstruieren.
Jahrhunderte alt, kann eine Guarneri- oder eine Stradivari-Violine noch heute so gespielt werden, wofür sie gebaut wurde. Mehr noch: je länger und je regelmäßiger sie gespielt wird, desto nobler wird ihr Klang. Nicht nur Bewahrung, sondern Entwicklung von Potenzialen: Ist eine schonendere Nutzung einer Ressource wie Holz denkbar? Man könnte das nachhaltig nennen – und so dem Zeitgeist Tribut zollen.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
In der Berliner Philharmonie startete Ende Juni die Europa-Tournee des MIAGI Youth Orchestra.
Es ist das Flaggschiff eines der ambitioniertesten Musikprojekte des afrikanischen Kontinents – MIAGI bedeutet „Music Is A Great Investment“; die Organisation setzt sich auf vielen Arbeitsfeldern für ein friedliches Miteinander ein, zu dem Musik die zentrale Motivation gibt. Am 11. Juli gastiert das Orchester in Hamburg, am 15. Juli in Ludwigsburg.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink und Claus Friede -
Das Schleswig-Holstein Musik Festival öffnet seine Saison am 5. Juli und endet am 31. August 2014.
Seit seiner Gründung 1986 gehört es zu den herausragenden internationalen Kulturereignissen. Mit seinem neuen Intendanten Dr. Christian Kuhnt geht das Festival ab 2014 neue Wege und widmet wechselnden Komponisten eine Retrospektive. Von 1999 bis 2007 war er bereits als künstlerischer Direktor und stellvertretender Intendant tätig.
Hans-Juergen Fink und Claus Friede trafen Christian Kuhnt in Hamburg und sprachen mit ihm über die neue Ausrichtung, das Programm und die Retrospektive mit Felix Mendelssohn und seine Künstler von Sol Gabetta über Thomas Hengelbrock bis Elton John sowie über Perspektiven und Finanzen.
- Geschrieben von Kerstin Schüssler-Bach -
Pflicht und Liebe, Kopf und Bauch.
Pflicht oder Liebe? Diese Frage musste sich 1637 Antonio Cesti stellen. Das neunte Kind einer armen Familie aus Arezzo hatte nur eine Chance, sich durchzuschlagen: Mit 14 Jahren trat er in den Franziskanerorden ein. Aber die Liebe zur Musik wurde bald stärker, so dass er seine Ordenspflichten vernachlässigte. Als Kapellmeister in Pisa zog Cesti die Aufmerksamkeit der mächtigen Medici auf sich. Mit 27 Jahren feierte er seinen ersten großen Erfolg als Sänger im „Giasone“ des Monteverdi-Schülers Francesco Cavalli. Die Gattung der Oper war noch taufrisch, der Bedarf in den italienischen Zentren und Höfen war hoch. Cesti verdiente sich Lorbeeren als Kammerkapellmeister in Venedig und schloss Freundschaft mit Literaten und Malern in Florenz. Als „Ruhm und Glanz der weltlichen Bühne“ machte er tenorsingend von sich reden und gewann das Herz einer Sängerin. Kein Wunder, dass der Franziskanerorden ihn mit einem Rüffel für seinen „unehrenhaften Lebenswandel“ zurück ins Kloster zitierte.
- Geschrieben von Thomas Janssen -
Der Streichquartett-Wettbewerb „Premio Paolo Borciani“ stellt zur Zukunft von Kammermusik keine Fragen, er gibt aber Antworten.
Puristisch: Das ist das Stichwort. Kein populäres vielleicht, nicht im Musikbetrieb von heute. Keines aber bringt besser auf den Begriff, was das Streichquartett ausmacht, jene Gattung der Musikkunst der westlichen Zivilisation, in der sich das Paradoxon, durch Abstraktion das Konkrete menschlichen Erlebens auszudrücken, radikal realisiert. Abstrakt, weil ohne festgelegte Bedeutung – konkret, weil dennoch und deswegen voll emotionalem Sinn. „Musik pur, ohne schillerndes Tamtam“, nennt der Violinist Heime Müller das Quartett.
- Geschrieben von Christel Busch -
Berlin, die Hauptstadt an der Spree, würdigt die britische Musikikone David Bowie mit einer spektakulären Retrospektive.
Die vom Victoria and Albert Museum, London, kuratierte Ausstellung „David Bowie" wird im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt. Rund 300 Exponate, darunter Originalkostüme, Musikvideos und Filme, Fotografien und Soundtracks, Plattencover, Dokumente und handschriftliche Texte geben Einblick in das Leben eines Exzentrikers, der die Musikgeschichte revolutioniert hat. Die Berliner Schau wird zudem erweitert mit etwa 60 Objekten aus den Jahren 1976 bis 78. Eine Zeit, in der Bowie in Berlin lebt und hier drei seiner Alben entstehen. „David Bowie" ist keine museale, didaktisch geordnete Ausstellung, sondern eine perfekt inszenierte Multi-Media-Show, die den Mythos David Bowie kultiviert.