Kultur, Geschichte & Management
„Indigo” zwei Damen im Qipao Sig. Hang Zhiying, Zhiying Studio, Shanghai, China, ca. 1925, Farblithographie, 74,2 x 50,7 cm, Leihgabe BASF Corporate History, Ludwigshafen a. Rh., Deutschland/Germany, no. 2892 © MARKK, Foto: Sönke Ehlert . Rechts: Ausstellungsvariante von Weng Xinyu, YUUE Design Studio (Detail)

Für China waren die 1920er Jahre eine Zeit des Aufbruches. Rasanter Wandel, technische Neuerungen und eine regelrechte Bilder- und Medienflut förderten während der späten Qing-Dynastie (1611–1912) und der darauffolgenden Republikzeit (1912–1949) neue Vorstellungen von Nation, Fortschritt und Identität.

 

Das Museum an der Rothenbaum Chaussee (MARKK) in Hamburg widmet sich mit der Ausstellung „Druckfrisch aus den Zwanzigern. Einblicke in Chinas Moderne“ in sechs Themenbereichen den politischen, kulturellen, kommerziellen und wissenschaftlichen Aspekten, die die chinesische Moderne maßgeblich prägten: Drucke, Mode, Populärkultur.

 

Gedruckte Bilder, die Möglichkeit des Massendrucks, überhaupt neue Druckmethoden ermöglichten eine neue Art der Kommunikation. Zwar ist in der Ausstellung auffallend, dass die chinesischen Bilderschriftzeichen noch präsent sind, um Botschaften zu transportieren, jedoch dominieren nun Bilder, Fotografie und Grafik, auf denen das Individuum eine neue Rolle erhält.

 

Shanghai Bund seen from the French Concession

Shanghai um 1928, Postkarte, The Bund entlang des Huangpu-Flusses (Blick aus der Französischen Koncession, auf den internationalen Teil, der ab dem Torbogen beginnt). Fotograf unbekannt. Gemeinfrei

 

Auf der Stadt Shanghai, die nicht nur das kulturelle Zentrum der Republik China jener Jahrzehnte wurde, sondern auch durch internen wie externen Druck, durch Invasion und erzwungene Handelsfreigaben die internationalste Großstadt des Reichs der Mitte wurde, liegt ein besonderes Augenmerk.

 

Hier verbreiteten sich durch die ausländischen Zuwanderer, durch europäisches und nordamerikanisches Leben neue Ideen, Wissen und Technologien. Shanghai trug somit – zusammen mit Kommerz und Populärkultur – zu einer Dynamik gesellschaftlicher und kultureller Modernisierung bei.

 

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„Mechanisch hergestellte Druckmedien, die in den 1920er und 1930er Jahren massenhaft produziert und zirkuliert wurden, spiegelten die facettenreiche Moderne dieser Zeit nicht nur wider, sondern prägten sie auch aktiv mit. Von Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern und Bilderbögen über Kalenderposter bis hin zu Schulbüchern – Druckmedien durchdringen alle Lebensbereiche. Dadurch entsteht das Bild einer mehrdimensionalen, facettenreichen Zeit, deren Eindrücke bis heute nachwirken und weiterleben", heißt in einem Begleittext.

 

Ein Themenbereich namens „Gestaltung einer Nation" widmet sich dem Verhältnis der einstigen Hauptstadt im Süden, Nanjing, und Hamburg. Die ausgestellten Gegenstände und Texte sind Teil der Sammlung des MARKK und gehen zurück auf eine wissenschaftliche Kooperation zwischen chinesischen und deutschen Ethnologen in den Jahren 1928–1932.

 

Blick in die Ausstellung 02 F Claus Friede

Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede

 

Nachdem die Ethnologen Theodor Wilhelm Danzels (1886–1954) und Otto William Samsons (1900–1976) aus China nach Hamburg zurückgekehrt waren, zeigte das Museum für Völkerkunde die von ihnen gesammelten Objekte zusammen mit denen der Academia Sinica (Nanjing) in der Sonderausstellung Chinesische Volkskunde (1933). Der Katalog ordnete China als „Kulturvolk" ein, dem jedoch „mythisches Denken" unterstellt wurde. Museumsdirektor Georg Thilenius (1868–1937) unterschied zwischen „Kulturvölkern" Europas und „Naturvölkern" außerhalb Europas. So wurde China gleichzeitig auf- und abgewertet. Auch chinesische Ethnologen übernahmen solche kolonial geprägten Hierarchien.

In der Ausstellung werden diese damaligen Vorstellungen in Frage gestellt, neu bewertet sowie korrigiert.

 

Die weiteren Themenabschnitte widmen sich der Mode und dem Bild der Frau, der Metropolisation Chinas Städte, den verschiedenen Künsten, Performance, der Popkultur und den Printmedien und schließlich der Individualisierung von gesellschaftlichen Persönlichkeiten, die keine Beamtenfunktion oder vom Kaiser Berufene waren, als vielmehr im westlichen Sinn qua kultureller und gesellschaftlicher Leistung und Tätigkeit zu Stars, Berühmtheiten und Kapazitäten wurden.

 

Auffallend ist die herausragende graphische Gestaltung der Ausstellung. Weng Xinyu, Yuue Design Studio, das seit 2018 in Berlin in dieser Form arbeitet, ist bekannt für seinen sensiblen Umgang mit asiatischen und europäischen Traditionen. In diesem Sinne ist nicht nur die Gestaltung transkulturell gelungen, sondern auch die Sichtbarmachung von Wertewandeln – damals wie heute.

 

Die Besucher erhalten dadurch nicht allein den Wertewandel der 1920er-Jahre in China präsentiert, sondern auch unseren Wertewandel der Beurteilung, ehemaliger Deutungshoheit und unseres Blicks auf einen kurzen Zeitabschnitt der langen Geschichte Chinas.


Druckfrisch aus den Zwanzigern – Einblicke in Chinas Moderne

Zu sehen bis zum 12. Juli 2026 im Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt (MARKK), Rothenbaumchaussee 64, in 20148 Hamburg.

Öffnungszeiten: Di. bis So. 10–18 Uhr, Do. bis 21 Uhr

Weitere Informationen (MARKK)

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