Kultur, Geschichte & Management

Sechs Männer mit Tropenhelmen inmitten von riesigen Stoßzähnen und Bronzeskulpturen. Voller Stolz präsentieren sie ihre kostbare Beute aus dem prächtigen Palast des Königs von Benin dem Fotografen.

Diebe, Plünderer? Britische Soldaten auf „Strafexpedition“ 1897. Hamburg gibt seine damals ins Völkerkundemuseum gelangten Kunstschätze noch in diesem Jahr zurück und verabschiedet sie mit einer gleichsam inventarischen Überblicksschau: „Benin. Geraubte Geschichte“.

 

Für Barbara Plankensteiner ist es eine echte Herzensangelegenheit. Bereits 2010, damals noch am Weltmuseum Wien, hatte die Direktorin des Museums am Rothenbaum den „Benin Dialog“ ins Leben gerufen, ein europäisch-nigerianisches Netzwerk mit dem Ziel, das über die ganze Welt verstreute Kulturerbe Benins zurückzugeben. Die Diskussion darüber schwelt seit Jahrzehnten. Bereits in den 1970er Jahren hatte Nigeria, auf dessen Gebiet das ehemalige Königreich Benin liegt, die Rückgabe des in alle Welt verstreuten Nationalschatzes verlangt, das 1200 britische Soldaten 1897 als „Kriegsbeute“ deklarierten. Sie brannten damals weite Teile der Stadt Edo (Benin City) nieder, verwüsteten die prächtige, weitläufige Palastanlage und verschleppten das unschätzbar kostbare Inventar. Wie viele Afrikaner damals ums Leben kamen, ist nicht überliefert. Überall in Europa staunten Museumsdirektoren wie Justus Brinckmann in Hamburg oder Felix von Luschan in Berlin über die Kunstfertigkeit der afrikanischen Metall-Arbeiten und kauften, was sie ergattern konnten.

 

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Für das Edo-Volk aber, das keine Schriftsprache nutzte, waren die größten Heiligtümer ihres Landes, sowie ihr visuelles Archiv abhandengekommen. Alle wichtigen Ereignisse und Taten der Oba, der gottgleichen Benin-Könige, wurden über Jahrhunderte in Figuren und Relief-Platten dargestellt. Schätzungsweise 5000 bis 10 000 Artefakte, die man heute unter dem Begriff „Benin-Bronzen“ zusammenfasst (darunter auch viele Holzarbeiten und Elfenbein-Schnitzereien) umfassen das kollektive Gedächtnis, das die Briten dem Edo-Volk stahlen. Dass Deutschland sich (nun endlich) seiner „historischen und moralischen Verantwortung stellt, koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten“ (Kulturstaatsministerin Monika Grütters im April 2021), ist nicht nur dem neuen Humboldt Forum in Berlin zu verdanken, sondern auch der beharrlichen Initiative von Barbara Plankensteiner. Und so war die Eröffnung dieser „Abschiedsausstellung“ eine Zeremonie, wie man sie in Hamburg noch nicht erlebt hat. Tanzend, lachend und singend feierte eine nigerianische Abordnung (zwischen sechs überlangen Reden) das „klare Versprechen“ von Kultursenator Carsten Brosda, „dass alle sich in Hamburg befindenden Benin-Objekte restituiert werden“.

 

Die Ausstellung selbst präsentiert das gesamte Inventar der Hamburger Sammlung: 179 historische Benin-Artefakte, gedrängt auf 270 qm Fläche, von den fantastischen Gedenkköpfen verschiedener Könige, Altar- und Tierfiguren bis hin zu einfachen Haushaltsgegenständen. Keine auf Ästhetik bedachte Inszenierung, sondern vielmehr eine Bestandsaufnahme der Dinge, die so lange im Haus schlummerten, flankiert von erklärenden historischen Dokumenten, Fotos und einem Zeichentrickfilm, der die Entwicklung des Königreiches von den Anfängen um 600 n. Chr. bis zu dem britischen Überfall 1897 überaus plakativ und mit viel Sympathie für die Opfer schildert. Doch zur vollständigen Geschichte gehört auch, dass Benin seine kulturelle Blüte und große Machtstellung dem Sklavenhandel während der Kolonialzeit verdankt. Ein Aspekt, der in dieser Ausstellung kaum in Erscheinung tritt. Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wurden aus Westafrika schätzungsweise 10 Millionen Menschen verkauft. Das für seine grausamen Sitten bekannte Königreich Benin (Menschenopfer waren an der Tagesordnung) war einer der wichtigsten Umschlagplätze. Die Handelsbeziehung mit den Portugiesen, Franzosen und auch Engländern, deren Schiffe die Sklaven nach Amerika transportierten, verliefen jahrhundertelang ganz prächtig.

 

Doch das eine Unrecht hebt das andere nicht auf. Oder, wie Carsten Brosda formulierte: „Was uns nicht gehört, gehört uns nicht. Punkt.“


„Benin. Geraubte Geschichte“

die Ausstellung läuft bis zur Rückführung der Objekte Ende 2022

im Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt, Rothenbaumchaussee 64, 20148 Hamburg,

Geöffnet: Di bis So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

 

Weitere Informationen (Homepage MARKK)

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