Film
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Der Film ‚Shanghai’ wurde in einer Vorführung im Abaton-Kino in Hamburg gezeigt. Im Vorraum des Kinos nimmt ein Schwarz-Weiß-Szenenfoto eine Wand ein: Humphrey Bogart hält Ingrid Bergmanns Kinn hoch und hat wohl gerade gesagt: „Here´s looking at you, kid“, oder wie die deutsche Übersetzung lautete: „Ich seh dir in die Augen, Kleines“.
Im Hintergrund muss Sam klimpern und jeder weiß, worum es geht.

Die Brüder Weinstein, Bob und Harvey, hatten mehrfach angekündigt, sie wollten einige amerikanisch-asiatische Filme produzieren mit Stars aus beiden Ländern.
Und in einem Interview las ich, dass der schwedische Regisseur Mikael Hafström seit langem plante, etwas wie ‚Casablanca’ zu machen.
Nun haben sie’s gemacht.
Ich bezweifle allerdings stark, dass ‚Shanghai’ jemals ein Kultfilm werden wird. Es ist fast zu befürchten, dass er wenig beachtet bald nach der Premiere wieder untergeht. Dieser Film ist nicht spektakulär, nicht wahnsinnig witzig, nicht supergruselig. Kampfszenen? Ja. Auch Grausamkeiten, aber kein wildes Gemetzel. Keine ausufernden Sex-Szenen, kein 3D. Drei der Stars sind tatsächlich Asiaten und haben bei uns, obwohl wir uns erinnern, sie schon gesehen zu haben, keinen hohen Bekanntheitsgrad.

Genau wie in ‚Casablanca’ geht es in ‚Shanghai’ um eine Stadt im zweiten Weltkrieg, durchsetzt von Intrigen, Spionage und Bösewichten (Deutsche oder/und Japaner). Der damalige Film spielte 1942 und entstand auch im selben Jahr. Der aktuelle wurde knapp siebzig Jahre später gedreht. Wir befinden uns hier im Jahr 1941, kurz vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour.

Der Held ist jeweils nicht mehr ganz jung, etwas deprimiert und illusionslos. John Cusack als Bogart-Nachfolger finde ich gar nicht mal so übel. Seine schwarzen Augen schauen inzwischen ja wirklich ähnlich traurig und müde. Trotzdem hat er einfach eine andere Ausstrahlung. Während Bogey, der überzeugte Zyniker, hin und wieder wunderbar menschenverachtend das Gebiss bleckte, spitzt Cusack seinen Engelsmund und guckt überwiegend so, als glaube er im Prinzip noch an das Gute.

Bogarts ‚Rick’, der Amerikaner in der exotischen Stadt, war Kneipier oder Café-Besitzer. Cusacks ‚Paul’ ist dann schon gleich amerikanischer Agent. Während ‚Casablanca’ damit endet, dass Rick und Capitaine Renault eine ‚große Freundschaft’ beginnen, beginnt ‚Shanghai’ damit, dass für Paul eine große Freundschaft endet.
Sein Freund Connor (Jeffrey Dean Morgan) wurde jüngst auf offener Straße erschossen. Nun war der zwar ebenfalls Agent und das ist ja irgendwie Berufsrisiko, aber Paul, der gerade von Spionagetätigkeiten aus Nazi-Deutschland zurück nach Shanghai kommt, fühlt sich durch den Verlust tief getroffen. Seine Augen – leicht mit Kajal ummalt, doch das trägt Cusack immer so – schwimmen in Tränen, als er vor dem flaggendekorierten Sarg steht.
Nun hat er nicht nur ein berufliches, sondern auch ein persönliches und emotionales Interesse, den Fall aufzuklären.

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Vieles an ‚Shanghai’ wirkt altmodisch auf eine sehr angenehme Art, indem es die Atmosphäre der 40er perfekt überträgt und behutsam in Düsternis taucht. (Sehr viel besser, meiner Ansicht nach, als das der Film ‚Pearl Harbour’ von 2001 geschafft hat.) Die Musik von Klaus Badelt unterstreicht diese Stimmung gekonnt.
Die Geschichte ist nicht unkompliziert, man muss gut aufpassen, wo die Verwicklungen sich knoten. Der iranische Drehbuchautor Hossein Amini kommt auf etwas zurück, das in Filmplots Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr sehr häufig anzutreffen ist: das wirkliche Dilemma ergibt sich nicht so sehr durch Krieg und Geschichtsdrama, sondern durch diese rätselhaften, undurchschaubaren Wesen des zweiten Geschlechts - Cherchez la femme!
Oder, wie ein Kollege nach dem Film bemerkte: ‚Eigentlich dreht es sich doch vor allem um die Frage, wie sehr man eigentlich einer Frau, die man liebt, trauen kann?’
Freund Connor wurde beispielsweise direkt vor der Haustür seiner Geliebten umgelegt, einer hübschen Japanerin (Rinko Kikushi) die eigentlich einen ganz anderen Partner hat.
Und Paul lernt bald darauf den höchst charismatischen Gangsterboss Anthony Lan-Ting (Yun-Fat Chow) kennen, was vor allem deshalb relevant ist, weil er vorher bereits dessen wunderschöner Frau Anna (Li Gong) begegnete, die ihn verständlicherweise tief beeindruckt hat.
Da haben wir wieder die Casablanca-Problematik! Immer sind die Rassefrauen schon mit jemand anderem verbandelt.
Auch der japanische Agent Captain Tanaka (Ken Watanabe, wir kennen sein interessantes Gesicht aus ‚Letters from Iwo Jima’ oder ‚Inception’) der so kalt und fanatisch wirkt, stolpert über sein Herz. Und ein anderer verliebter Asiate verliert, weil er einer Frau vertraute, sogar buchstäblich den Kopf.

In einer nicht unwichtigen Nebenrolle taucht übrigens Franka Potente, das karamellfarbene Haar in reizende Kriegsfrisuren gebändigt, als Gattin eines Nazi-Ekels auf. Sie hat vor allem zwei kleine Szenen, in denen sie Li Gong vorgestellt wird beziehungsweise ihr wieder begegnet. Beide Frauen unterdrücken dabei tapfer ihren Brechreiz und tauschen ein winziges Bisschen höflichen Smalltalk, das ist sehr hübsch. Und es ist immerhin Franka, die mit John Cusack in die Kiste darf.

Nein, ein Kultfilm wird das nicht.
Nein, er reicht an ‚Casablanca’ bestimmt nicht heran.
Aber mich hat ‚Shanghai’ trotzdem sehr angesprochen. Der Film ist, auf seine Art, ausgezeichnet gemacht und verzichtet darauf, krampfhaft mehr sein zu wollen als ein Stück gut und sauber gezeigte Vergangenheit. Ich werde mir die DVD kaufen, sobald es sie gibt.

Nur eins hab ich nicht begriffen: wieso das Werk als ‚Mystery-Thriller’ angekündigt wird.
Thriller? Okay. Und mysteriös von mir aus auch.
Aber Mystery?
Nö. Oder ich hab was übersehen…

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Kinostart: 15.09.2011 (geändert)

Darsteller: Jeffrey Dean Morgan (Connor), John Cusack (Paul Soames), David Morse, Franka Potente, Yun-Fat Chow (Anthony Lan-Ting), Li Gong (Anna Lan-Ting), Ken Watanabe, Rinko Kikuchi, Hugh Bonneville (Ben Sanger), Daniel Lapaine (Ted), Nicholas Rowe (Ralph), Ronan Vibert (Mikey), Wolf Kahler, Michael Culkin (Billy), Christopher Buchholz (Karl), Selina Lo (Mei Ling), Gemma Chan (Shin Shin)
Regie: Mikael Hafström
Drehbuch: Hossein Amini

Foto-Copyright: Centralfilm

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