Film

„Moonage Daydream“ entwickelt sich zum atemberaubenden, immer schneller drehenden Kaleidoskop aus Bildern, Sound und Reflexionen, es katapultiert den Zuschauer mitten in den kreativen Kosmos des 2016 verstorbenen David Bowie, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Musikszene. Jener visionäre Ausnahmekünstler, der ständig Stile und Persönlichkeiten wechselte, vom Chaos inspiriert, Grenzen überschritt.

 

Der US-amerikanische Regisseur Brett Morgen sichtete fünf Millionen Dokumente, Filmaufnahmen, Konzertmitschnitte, Interviews und Tagebücher für seine genreübergreifende assoziative Leinwand-Collage. 

 

Brett Morgen („Kurt Cobain: Montage of Heck", 2016, „The Rolling Stones: Crossfire Hurricane“, 2012) lässt dem brillanten Sänger- und Songwriter seine Geheimnisse, der Magier Bowie entscheidet allein, welche Tricks er uns verrät: „Everything is rubbish, and all rubbish is wonderful“. Der Rockstar-Philosoph beschwor 1971 das einundzwanzigste Jahrhundert, am Dienstag war er Buddhist, am Freitag zitierte er Friedrich Nietzsche und den Tod Gottes, es ist nun an den Menschen Götter zu werden. „Moonage Daydream“ will weder Dokumentarfilm noch Biografie sein, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Chronologie, im Gegenteil, aber auch die ungestüme Ästhetik des Oeuvres in all ihrer Perfektion drängt sich nicht in den Vordergrund, was wir spüren, ist die pulsierende expressive Spiritualität des Protagonisten. Ob als Ziggy Stardust, Elephant Man oder Major Tom, ob auf der Theaterbühne, bei Dreharbeiten, Live-Auftritten oder unterwegs in fremden Galaxien, die Suche nach sich selbst ist für ihn, den Gender-Dissidenten, das Kreieren neuer Ausdrucksformen.

 

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Das überragende Ausnahmetalent spielte mit Identitäten und Alter Egos, und doch verschwand er selbst nie ganz hinter den Rollen. Jeder von uns entdeckt für sich, unabhängig von Geburtsjahr oder Fan-Status, einen anderen David Bowie in diesem fulminanten audiovisuellen Rausch der Sinnlichkeit. Was die Zuschauer miteinander verbindet sind Vergangenheit, Fortschritt wie Rückschritt, Film- und Popkultur, alles unvorstellbar ohne ihn, den Alien. „Moonage Daydream" beginnt mit Bildern des Mondes, seiner Wahlheimat, Bowie sang von Flügen ins All, in Nicolas Roegs Science Fiction Epos wurde er 1976 „Der Mann, der vom Himmel fiel“ und blieb für seine Fans ein Außerirdischer par excellence. Live-Auftritte alternieren mit Film-Zitaten von George Méliès, Jean-Luc Godard, Bildern aus „Nosferatu“, „Metropolis“ und „Ivan der Schreckliche" Bowies selbstreflektierende Kommentare ebnen den Weg durch sein Universum, ein suggestiver Sog, der uns verschlingt. Meisterhaft wie Brett Morgen die verschiedenen Ebenen sich überschneiden lässt, miteinander verbindet oder kontrastiert, dem Werk die Unberechenbarkeit eines ungezähmten Wesens verleiht. Die meisten Kritiker begeistern sich für das psychedelisches Hommage, das keine Gefahren scheut, viele Erinnerungen zurückbringt, Songs oder fast vergessene Filme wie Nagisa Ōshimas Film „Happy Christmas, Mr. Lawrence“. 

 

Der Protagonist tritt in Interviews zurückhaltend höflich auf, hat er doch schon sein Innerstes der Welt offenbart. Manche bezeichnen ihn als Chamäleon, eine Formulierung. die ihm nicht gerecht wird, er ist eher ein Entdecker, jede Figur ein kühnes Kunstwerk, eine Verwandlung im metaphysischen Sinne, anfangs verbargen sie seine Schüchternheit, bis er in sich und der Partnerschaft mit dem Model Iman einen ruhenden Pol fand. Diese Ruhe überträgt sich, Bowie nimmt uns etwas von der Angst vor dem Tod, als wäre Vergänglichkeit nur eine weitere Verwandlung.

 

Entscheidend nur die Entschlossenheit, nie auch nur eine Stunde dieses Lebens zu vergeuden. Das David Bowie Estate gab Regisseur Morgen einzigartigen Zugang zu ihren Archiven, eine Ehre, die bislang noch keinem Filmemacher vergönnt war. In deren Sammlung befanden sich seltene und nie zuvor gesehene Zeichnungen und Dokumente. Morgen verbrachte vier Jahre mit der Sichtung und Zusammenstellung des Materials, und weitere 18 Monate mit der Gestaltung der Soundkulisse, der Animation und Farbpalette. Bowies Originalaufnahmen wurden vom Sound-Team, Musikproduzent Tony Visconti und der Oscar-prämierte Tonmeister Paul Massey („Bohemien Rhapsdy“, 2018) neu abgemischt und für die Kinoleinwand aufbereitet. 

 

Eskalation im Kalten Krieg, Szenen aus dem Weltgeschehen, Aufstände und Umbrüche, auf die Bowie in seinem Werk reagiert, werden Teil von „Moonage Daydream“, ein Film aus rein subjektiver Perspektive, der sich mehr auf den Spirit des Protagonisten konzentriert als auf schnöde Fakten. Berührend, wenn der Künstler offen seine Unsicherheit zeigt über die eigenen Gemälde, immer wieder wurden ihm Shows angeboten, aber er lehnte ab. Die Gemälde sind grandios, intensiv – wie seine Stimme mit jener Spannung zwischen Harmonie und Vulkan. Bowie fasziniert die Idee von Fragmenten und Chaos als organisatorische Struktur künstlerischer Ausdrucksform. Brett Morgen übernimmt sie, – „Moonage Daydream“ kommt einem Überfall gleich, greift etwas ganz tief in uns an, dort wo Angst und Sehnsucht verschmelzen.  

 

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Originaltitel: Moonage Daydream

Regie: Brett Morgen 

Drehbuch: Brett Morgen

Produktionsland: USA, 2022

Kinostart: 15. September 2022

Verleih: Universal Pictures International Germany



Fotos, Pressematerial & Trailer: Copyright Universal Pictures International Germany

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