Bildende Kunst
Grasharfe, 2016, Farbradierung, 3 Platten, 16,5x24,8cm © Otto Beckmann

Die als Retrospektive angekündigte Ausstellung im Nordfriesland Museum in Husum widmet sich dem Werk des 1945 in Knüppeldamm (Mecklenburg) geborenen und in Hamburg lebenden Künstlers Otto Beckmann.

 

Beckmann, der eigentlich Freie Kunst in Karlsruhe studieren will, tritt auf Druck der Eltern Ende der 1960er Jahre ein Studium der Kunstpädagogik in Flensburg an. Parallel zum Schuldienst versucht er als Künstler, Grafiker und Maler zu arbeiten, was misslingt, und erst als er das vermeintlich wohlige Beamtenleben 1985 aufgibt, fühlt er sich wieder frei.

 

Die Sonderausstellung zum 80sten Geburtstag in Husum ist eine Werkschau und geht dem lebenslangen Suchen des neugierigen und experimentierenden Künstlers nach. Das zeichnet die Ausstellung in besonderer Weise aus, denn man könnte erwarten, auf ein homogenes Werk zu stoßen, das das einst in jungen Jahren künstlerisch Gefundene, variiert. Nicht bei Otto Beckmann: die Themenbandbreite und die Ausdrucksformen sind groß. Den meisten Werken gemein ist die Verortung Norddeutschland und dass der Besucher der Ausstellung feststellen kann, dass die Werke des Künstlers immer als seine identifiziert werden können.

 

„Otto Beckmann“, heißt es treffend im Ankündigungstext zur Ausstellung: „ist viel herumgekommen, im Kleinen wie im Großen, in der Gegend und in der Welt. Und hier wie dort kennzeichnet eine Konstante das Wesen seiner Kunst.“

 

Die Grafiken, Zeichnungen und ausgesuchte Malerei oszillieren zwischen norddeutschen Landschaften, der dortigen Lebenswelt, den Objekten und Tieren, aber auch Gebäuden wie Kirchen, Höfen, Stallungen und Mühlen.

Sein Zuhause gestaltet sich im Kopf, auf Papier und Leinwand sowie auf der Radierpresse – Nordfriesland – die Halbinsel Eiderstedt und Föhr, Mecklenburg – Knüppeldamm der Gemeinde Finken, im Westen des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte und das Dazwischen-Sein. Viele der Werke zeigen nicht die Orte – oder wenn, dann lediglich in Andeutung oder als Fragment, sondern die Beziehung und Gefühlslagen des Künstlers zu ihnen. Beim Betrachten der Grafiken und Zeichnungen stellt sich eine ländliche Ruhe ein, ein Idyll in Vergangenheitsform, eine Idee von Kindheit und eine Liebe zum Beiläufigen. Die Geschichte formt sich als die persönliche Geschichte.

 

Kindheitserinnerungen an Knüppeldamm, Neugierde wie es dort nach der Wende ausgesehen hat, begleitet er zeichnerisch den Flecken ins Heute. Ein Kurzfilm, zu sehen in einem kleinen Kino am Ende des langgezogenen Ausstellungsraums, zeigt sein Arbeiten in der Ortschaft. Bruder des Künstlers, Kameramann und Filmemacher Harald Beckmann kam die Filmidee und er führte die Kamera im Jahr 2016.

 

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Filmstill „Knüppeldamm“. Foto: Claus Friede

 

Sein Landschaftsbegriff ist vielfältig und erweitert, neben Feldern, Baumreihen und -ansammlungen, Wattwiesen, Alleen und schlafenden Booten am Strand, die man als solche bei einem klassischen Thema erwartbar entdeckt, gibt es einige Werke mit ungewöhnlichen Perspektiv- und Blickwinkelwechseln.

 

Die Farbradierung „Siedlerhof“ (2016) zeigt im unteren Drittel einen Aufriss der Architektur eines Hofes, der auf geradezu ornamenthafter und schraffierter Erde thront, während sich darüber – wie übereinander gestapelt – Baumreihen, Sträucher, Schafs- und Ziegenherden bewegen, bewacht von einem regungslosen Hirtenhund. In der Bildmitte ein gepflügtes Feld aus der Vogelperspektive. Das Blatt ist wiederum von roten Linien überzogen, als ob jemand eine Wegskizze zur Orientierung angefertigt hätte mit Kreuzungen und Gabelungen.

 

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Eine Variation des Werks mit mindestens einem Arbeitsvorgang weniger heißt „Bauernstelle“ (2016). Die Tuschezeichnung mit Bäumen, Sträuchern und Herden ist hier weggelassen, ansonsten wurde die identisch gleiche Druckplatte verwendet wie beim „Siedlerhof“.

 

Auch die Kaltnadelradierung „Egge Harke Hof“ (2016) abstrahiert den Landschaftsbegriff und definiert diesen rein über die Werkzeuge der landwirtschaftlichen Bearbeitung. Beckmann hat ein Gespür für Kulturlandschaft, er beobachtet, erinnert sich an seine Kindheit, als er auf dem metallenen Sitz der Grasharfe saß und in seiner Fantasie damit in die Welt hinaus reiste. Drei unabhängige Metalldruckplatten ergeben den Dreiklang, untereinander gesetzt auf dem Blatt, aber in enger Verbindung stehend mit einer ländlichen Verantwortung für Landschaft, Bewirtschaftung und Pflege.

 

Otto Beckmann dreht seine Fantasien der Reise für uns um – ins Museum. Wir müssen nicht mehr in die Welt hinaus, der Künstler hat sie für uns in Husum präsentiert.

 

Die Experimentierfreudigkeit zeigt sich auch in der Wahl der künstlerischen Materialien und Techniken. Die vorher erwähnten Radierungen „Siedlerhof“ und „Bauernstelle“ weisen auf der weichen Druckplatte Trennscheibenspuren einer Flex auf. Der Künstler geht mit dem Elektrowerkzeug derart fein um, wie mit der Radiernadel, dem Spatel oder mit Wachs, Mastix und Asphalt, um eine Ätzradierung im Säurebad zu erhalten.

Die hinterlassenen Spuren auf dem Trägermaterial können auch Stanzungen, Bohrungen und herausgeschnittene Formen sein, die später mit gelötetem Draht geflickt erscheinen. „Arche I“ (1988), ein Plattfisch, der mit Tauen auf ein riesiges schwarzes Schiff gehievt werden soll und unten in der Mitte eine klaffende Öffnung aufweist, sich jedoch netzartig wieder mit den beschnittenen radierten Objekten in kommunikative Verbindung setzt.

 

OB Arche I Ätzradierung Bohrungen Durchschnitte und Ausschnitte mit eingelötetem Draht 1988 477 x 58 cm

Arche I, 1988, Ätzradierung; Bohrungen, Durchschnitte und Ausschnitte mit eingelötetem Draht, 47,7 x 58 cm.

 

Nur wenige Acrylbilder sind für die Ausstellung ausgewählt. Es sind aktuelle Werke aus diesem Jahr, 2025: „Boot“ und „Bleiche“, „Smoke on the Water“ und „Reise“ mit Schabungen und Fräsungen auf der Leinwand.

 

Otto Beckmann liebt die Gradlinigkeit des norddeutschen Menschenschlags, die auf dem Land leben, die dichten Menschenansammlungen der Stadt sind ihm suspekt.

 

Er arbeitet dennoch in seinem Atelier in der Großstadt Hamburg –, ein Hinterhof, der Hauptstraße etwas entrückt und gerne das Geschehen da draußen vergessend. „Oh, es regnet ja“, sagt er zum Abschied meines Besuchs bei ihm verblüfft – wir haben es beide bis zum Haustüröffnen nicht bemerkt, waren eingetaucht in seine Welt.


Otto Beckmann: „Schwarz auf Weiß“ radiert und geschabt 1974–2025

Zu sehen bis zum 28. September 2025 im Nordfriesland Museum. Nissenhaus, Herzog-Adolf-Straße 25, in 25813 Husum 

Geöffnet: Di.–So. 11–17 Uhr

- Weitere Informationen (Museum)

- Weitere Informationen (Künstler)

Der Katalog zur Ausstellung erscheint am 15. Juni 2025 und wird vom Künstler um 15 Uhr vorgestellt.

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