Der Horst-Janssen-Grafikpreis der Claus Hüppe-Stiftung ist mit 20.000 Euro die höchstdotierte Ehrung im Bereich Zeichnung und Druckgrafik. In diesem Jahr erwählte eine fünfköpfige Jury die Nachwuchskünstlerin Federle Maura Friede (*1997), die nun in der Hamburger Kunsthalle ihre eigenwilligen Arbeiten unter dem Titel „der saum löst sich“ präsentiert.
Ein überraschend minimalistischer erster Eindruck: 11 Arbeitsböcke stehen verteilt im Harzen-Kabinett der Galerie der Gegenwart, ein jeder belegt mit einem rechteckigen grauen Schaumstoffkissen. Darauf drapiert: Überaus zarte „Topografische Studien“, eigentlich eher flüchtige Notizen von Landschaft.
Keine Vitrine, kein Schutz nirgends für die empfindlichen halbtransparenten japanischen Papiere. Die 28jährige Ferdele Maura Friede, die erst im vergangenen Jahr Ihr Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst abschloss, trägt ganz bewusst das Risiko, ihre Arbeiten nach Ende der Ausstellung in einem anderen, u.U. deutlich schlechteren Zustand vorzufinden.
Man muss dazu aber auch sagen, dass Friedes Zeichnungen in einem Zustand präsentiert werden, der den Mitarbeitern des Kupferstichkabinetts sicher erstmal den Atem stocken lässt. Jede Galeristin, jeder Auktionator weiß, dass der kleinste Knick, die kleinste Faltung den Wert eines Blattes schmälert. Federle Maura Friede jedoch hat die Faltung zum Prinzip erhoben. Teils aus praktischen Gründen, wie die Künstlerin einräumt (kleingefaltet lassen sich die Papiere einfacher transportieren), doch vor allem, weil sie sich in diesem Werkkomplex explizit mit Verortung und Orientierung anhand von (gefalteten) Karten auseinandersetzt.
„Ein Freund erzählt, er sei einmal zwanzig Kilometer in die falsche Richtung gelaufen, weil er seine Karte die ganze Zeit auf dem Kopf gelesen hat. Ich muss an ein Foto denken, auf dem ich zu sehen bin, wie ich irgendwo stehe und versuche auf einer Wanderkarte den Weg zu finden“. Mit diesen Sätzen beginnt Federle Maura Friede ihren begleitenden Text, der in Großbuchstaben die ganze Wand einnimmt.
Wanderkarten begleiten die Künstlerin seit ihrer Kindheit, wenn es windig war, klebten die Karten an ihren Beinen und verwandelten sie selbst in eine Art „Karten-Skulptur“. Wer sich einmal anhand von Stadtplänen oder Wanderkarten zu orientieren versuchte, kann diese Erfahrung teilen: Wie mühevoll doch das Auseinander – und vor allem wieder Zusammenfalten der Karten ist. Irgendwie klappt das nie, zudem stellt sich noch die Frage, wie herum man sie überhaupt halten soll, wo oben und wo unten ist.
Fedele Maura Friede Verschiedene Proben 1 (2022), Grafit, Buntstift, Wasserfarbe auf Japanpapier, 53x78,5cm. © Fedele Maura Friede. Foto: Christoph Irrgang
Kurz gesagt, es geht dieser Künstlerin um Standortbestimmung. Um Raum als Sphäre von Außenwelt, aber auch um Standortbestimmung der Innenwelt. Das zeigt sich sowohl in ihrem Prosa-Text „Saum“ wie auch in den spannenden beiden großformatigen Bildern, die in ihrer collagenhaften Verschränkung von Malerei, Zeichnung und Textur an frühe Werke von Sigmar Polke erinnern. Federle Maura Friede stellt hier ihr eigenes Zimmer, insbesondere ihre flauschig-weiche Bettdecke ins Zentrum - Sinnbild für einen privaten, intimen Rückzugs-Bereich, der Schutz bietet vor den Herausforderungen der Außenwelt. Ein Raum, in dem man sich nicht verlaufen kann.
Federle Maura Friede „der saum löst sich“
Zu sehen bis 7. September 2025, in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg
Geöffnet: Dienstag – Sonntag 10–18 Uhr und Donnerstag 10–21 Uhr
Weitere Informationen (Kunsthalle)
Die begleitende Publikation „Standortbestimmung“ vereint Texte und Kunstwerke Friedes, die durch einen Beitrag der Schriftstellerin Tatjana von der Beek poetisch ergründet werden.
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