Architektur
Carl Ludwig Wimmel - Millerntor

Carl Ludwig Wimmel prägte Anfang des 19. Jahrhunderts als Architekt, Stadtplaner und erster Baudirektor Hamburgs über 30 Jahre das Stadtbild der Freien und Hansestadt.
Viele seiner öffentlichen Bauwerke sind dem Großen Brand von 1842 zum Opfer gefallen. Sie sind im Zuge einer Modernisierung abgerissen oder im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Nur wenige Bauten haben die Wirren der Zeit überdauert und sind heute noch präsent: die St. Pauli-Kirche, einige Wohnhäuser in der Esplanade, die Millerntorwache, das Allgemeine Krankenhaus St. Georg sowie die Börse.

Am 23. Januar 1786 als Sohn des Steinmetzmeisters Johann Heinrich Wimmel in Berlin geboren, machte der junge Mann zunächst eine Zimmermannslehre. Seinem Wunsch entsprechend Architekt zu werden, siedelte er um 1807 nach Hamburg über und besuchte hier Seminare an der Bauschule von Christian Friedrich Lange (1768-1833). Lange, der die Begabung seines Schülers erkannte, vermittelte ihm ein Stipendium der Patriotischen Gesellschaft. Nach einem kurzen Studium bei Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe und an der Polytechnischen Schule in Paris, führte ihn 1810 ein vierjähriger Studienaufenthalt nach Italien. In Florenz studierte Wimmel die Renaissancearchitektur und in Rom die antike Baukunst, wie zahlreiche Skizzen und Studien belegen. Studien, die er später in seiner Architektursprache artikuliert werden sollte. Zurück in Hamburg arbeitete er zunächst als freier Architekt und erhielt, dank der Unterstützung der Patriotischen Gesellschaft, erste Bauaufträge. 1816 erfolgte Wimmels Eintritt in den Staatsdienst als Stadtbaumeisteradjunkt. Da jetzt seine finanzielle Existenz gesichert war, erwarb er im selben Jahr das hamburgische Bürgerrecht und heiratete Johanna Juliana Sophie Frercks, die Tochter eines Hamburger Notars. Dem Ehepaar wurden sieben Kinder geboren.

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1841 erfolgte Wimmels Ernennung zum Baudirektor. Ein Jahr später brach am 5. Mai in der Hamburger Innenstadt eine verheerende Brandkatastrophe aus. Das Feuer wütete drei Tage und legte die Altstadt in Schutt und Asche. Das Rathaus und die Commerz-Deputation, St. Nikolai und St. Petri sowie etwa 2000 Häuser fielen den Flammen zum Opfer, 51 Menschen starben und über 20.000 wurden obdachlos. Die Katastrophenplanung zur Beseitigung der Schäden lastete auf den Schultern der Baubeamten und auf Wimmel, dessen ohnehin labile Gesundheit unter diesen Anforderungen litt. Hinzu kamen Differenzen mit Kollegen wegen des Wiederaufbaus, sodass er über einen Rücktritt als Baudirektor nachdachte, zu dem er sich aber letztendlich nicht entschließen konnte. Wimmel starb überraschend am 16. Februar 1845 im Alter von 59 Jahren.

Wimmel war 30 Jahre alt, als er 1816 in den Staatsdienst aufgenommen wurde. Hamburg hatte erst zwei Jahre zuvor seine Unabhängigkeit als Freie und Hansestadt wieder erlangt - 1811 gliederte Napoleon die Stadt als „Département des Bouches de l'Elbe“ in das französische Kaiserreich ein. Nach dem Ende der Franzosenzeit begann der Aufbau der von den Besatzern zerstörten Stadtteile.

Seine frühen Bauprojekte waren die neuen Tor- und Wachanlagen am Dammtor (1817), Steintor (1818) und Millerntor (1819). Zahlreiche öffentliche Großbauten folgten, wie die St. Pauli-Kirche (1819), das Allgemeine Krankenhaus St. Georg (um 1821) oder die neue Prachtstraße Esplanade mit ihren Wohnhäusern (um 1827). War Wimmel in den 1820er-Jahren noch der klassizistischen Architektur verpflichtet, änderte sich etwa zehn Jahre später sein architektonisches Vokabular. Der Rundbogenstil, der Elemente der antiken Baukunst, der Romanik und der Frührenaissance in einer neuen Architektursprache vereinte, fand Eingang in seinen Formenkanon. Ob aus persönlicher Vorliebe oder weil dieser Baustil gerade in Mode gekommen war, sei dahingestellt. Jedenfalls gehörte Wimmel neben Alexis des Chateauneuf zu den ersten Hamburger Architekten, die diesen Stil aufgriffen und damit der hanseatischen Baukunst neue Impulse gaben. Die an klassizistische Traditionen gewöhnten Zeitgenossen, taten sich schwer. War doch die Hamburger Baukultur sonst eher vom pragmatischen Denken seiner Kaufleute geprägt, die „ ... theoretische Feinheiten und eine Philosophie der Ästhetik als nebensächlich ansahen.“ Der Rundbogenstil fand nicht nur eine positive Resonanz. Man vermisste rechteckige Fenster, bemängelte die fehlenden Säulen im Inneren, die doch schon bei den Griechen und Römern die schönste Zierde aller größeren Gebäude waren. Kurz um: es sollte einige Zeit dauern, bis die Hanseaten den modernen Architekturstil akzeptierten. Zu seinen im neuen Stil realisierten, aber heute nicht mehr existenten Projekten gehörten das Heilig-Geist-Hospital am Rödingsmarkt (1835), das Maria-Magdalenen-Kloster (1838) am Glockengießerwall, Ecke Spitalerstraße und die Gelehrtenschule Johanneum auf dem ehemaligen Domplatz. Beim Johanneum, 1840 eingeweiht, akzentuierten gekuppelte Rundbogenfenster die zweigeschossige Rustikafassade. Eine Arkade verband den u-förmigen Baukörper und gewährte Zugang in einen Innenhof.

Auch die Börse, nach den Entwürfen von Wimmel und Franz Gustav Forsmann (1795-1878) geplant, präsentierte sich im Dezember 1841 im Rundbogenstil: ein aus zwei Geschossen bestehender Putzbau. Ein breiter, imposanter Risalit (Vorbau) dominierte die Frontseite zum Adolphsplatz. Zwischen den mit Figurengruppen geschmückten turmartigen Ecken spannten sich, durch vertikale Pilaster getrennt, fünf Rundbogenportale und -fenster. Die schlichte, mit Mittelrisalit und Pilastern gegliederte Fassade der Seiten- und Rückfront betonten rundbogige Fenster. Zentrum des Gebäudekomplexes war der dreigeschossige, 25 Meter hohe und 664 qm große mit Arkaden umlaufende Börsensaal. An dem Gebäude, das den Großen Brand von 1842 fast unbeschadet überstanden hatte, erfolgten in späteren Jahrzehnten zahlreiche Um- und Anbauten. So wurden unter anderem mit dem Bau des neuen Rathauses ab 1886 die Rückseite mit zwei neuen Flügeln und einem Innenhof erweitert, welche jetzt Rathaus und Börse verbinden; das Mauerwerk mit einer Fassade aus Sandstein verblendet, dem fünfachsigen Hauptportal eine Säulenreihe vorgesetzt. Trotz aller baulichen Veränderungen der Börse hat sich der ursprüngliche Charakter des Rundbogenstils von Wimmel und Forsmann bis heute erhalten.

Neben Chateauneuf war Wimmel einer der ersten Architekten in Hamburg, der statt der traditionellen Putzfassade an seinen öffentlichen Bauten gelben oder roten Backstein einsetzte, der mit seiner changierenden Oberfläche das Mauerwerk der Fassaden belebte (St. Pauli-Kirche, Schul- und Predigerhäuser, 1819-20). Auffallend ist, dass Wimmel nie im gotischen Stil gebaut hat und auch keine derartigen Baupläne überliefert sind.

Carl Friedrich Wimmel war als beamteter Baudirektor für die gesamte Entwicklung des Bauwesens in Hamburg verantwortlich. Er war ein Allroundtalent, ein Experte in der Bauarchitektur, Stadtplanung und im Ingenieurwesen. Er koordinierte administrative Aufgaben der Baudeputation, war in zahlreichen Ausschüssen und Wettbewerben als Gutachter vertreten, unterrichtete an einer Abendschule junge Bauhandwerker, etc.
In seiner dreißigjährigen Tätigkeit als Architekt und Stadtplaner hat er ein vielschichtiges architektonisches Gesamtwerk geschaffen, welches vom streng klassizistischen Stil bis zum neuen Rundbogenstil reicht. In den Archiven sind zahlreiche originale Zeichnungen, Baupläne und Entwürfe sowie Modelle erhalten, die das facettenreiche Spektrum seiner Bautätigkeit dokumentieren.

Anlässlich des Hamburger Architektursommers 2012 erinnern zwei Ausstellungen an den großen Stadtplaner:

Carl Ludwig Wimmel – Ein Hamburger Baumeister und seine Bauten

Die Ausstellung zeigt Originalzeichnungen, Grafiken sowie Modelle von Entwürfen und Bauten des ersten Hamburger Baudirektors Carl Ludwig Wimmel.
Ausstellungsort: Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg
vom 07. Juni bis 07. September 2012 – Eintritt frei
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9 – 17 Uhr, Freitag 9 – 16 Uhr


Carl Ludwig Wimmel und seine Zeit

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Wimmel-Bauplänen, ergänzt durch Zeichnungen und Abbildungen anderer Baumeister aus der Zeit zu Anfang des 19. Jahrhunderts.
Ausstellungsort: Staatsarchiv Hamburg, Kattunbleiche 19, 22041 Hamburg
vom 11. Juni bis 31. August 2012, Eintritt frei
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 10 – 18 Uhr, Freitag 10 – 16 Uhr.


Fotonachweis:
Header: Carl Ludwig Wimmel, Frontplan des Millerntores, 1819.
Galerie:
01. Portrait Carl Ludwig Wimmel, Kupferstich
02. Hamburger Börse, 1890. Unbekannter Fotograf. Quelle: Library of Congress, Prints and Photographs Division
03-04. Die neue Börse in Hamburg, Kupferstiche aus: "Originalansichten der historisch merkwürdigsten Staedte in Deutschland", 1. Hälfte 19. Jh. Verlag und Druck Bokelmann's Kunstverlag, Frankfurt am Main
05. Nördliche Bebauung Esplanade: Vorderansicht der Häuser Nr. 37-43 (heutige Nummerierung), Foto von 1926
06. Nördliche Bebauung Esplanade: Vorderfassade vom Mittelbau - Bauplatz Nr. 8, kolorierte Zeichnung, Carl Ludwig Wimmel, o.D.
07. Gelehrtenschule Johanneum: Ansicht vom Akademischen Gymnasium am Fischmarkt, Foto von 1919
08. Allgemeines Krankenhaus St. Georg: Vorderansicht - Entwurf (Ausschnitt), kolorierte Zeichnung, Carl Ludwig Wimmel, o.D.
09. St. Pauli-Kirche: Ansicht von Norden ohne Turm, Lithographie von H. Deppermann, o.D. Darstellung der Kirche, wie sie nach den Entwürfen von Wimmel 1820 errichtet wurde.
10. Englische Kirche: Perspektivische Gesamtansich, Aquarell, Wilhelm Heuer, um 1891
11. Englische Kirche: Drei Ansichten und Grundriss, kolorierte Zeichnung, Carl Ludwig Wimmel, 1825
12. Millerntor: Perspektivische Ansicht vom Millerntor - Entwurf, kolorierte Zeichnung, Carl Ludwig Wimmel, o.D.

Wir danken dem Staatsarchiv Hamburg für Abbildungsgenehmigung. Fotos wurden der Publikation: Der Baumeister Carl Ludwig Wimmel und seine Bauten (1786-1845), Verlag Verein für Hamburgische Geschichte, Hamburg, 2011 entnommen.

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