Bildende Kunst

Friedrich Einhoff WWK Gartow

 

Manchmal liegen zwischen Elysium und Inferno nur ein paar Pigmente und die Schreibung einer Zahl.
„Figuren im Wasser": Diesen Titel tragen zwei Bilder des Hamburger Malers Friedrich Einhoff, die im Zehntspeicher Quarnstedt zu sehen sind. Eines trägt die Ergänzungszahl „2", das andere „II". Der Hintergrund ist in einem Fall einer von Grauschattierungen, im anderen ein Aquamarinblau.


Kleine Differenzen – aber Differenzen, die den Blick auf das Gemeinsame richten. Denn so unterschiedlich die Stimmung beider Bilder durch die Farbwahl wird, so sehr sind die Bilder durch Motive und Technik verbunden: Die Verwendung von Acrylfarben, Kohlestift und Erde gibt in den Arbeiten Friedrich Einhoffs, die der Westwendische Kunstverein in Gartow zeigt, eine angedeutete und doch spätestens beim nahen Blick unübersehbare plastische Struktur. Die auch für den Blick von Weitem Folgen zeitigt, die drei Figuren in „Geschwister" etwa, deren stilisierte Gesichtsausdrücke an die Protagonisten von Kubricks „A Clockwork Orange" erinnern, scheinen plastisch im Bildraum zu stehen. Die Motivik kreist um den Begriff der Figur: Sie schließlich ist es, die auf das zentrale Moment weist, das die Bilder des 1936 geborenen Künstlers prägt, der viele Jahre an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften (früher: Fachhochschule an der Armgardstraße) unterrichtet hat. Denn auch wenn es in den Bildern immer um Menschen und Personen geht - sie werden unter der malerischen Hand Friedrich Einhoffs zu Prototypen. Menschlich und expressiv sind sie in Ausdruck und Affekt – aber nicht als Individuen, sondern als Charaktere, als Idealtypen.

 

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„Figuren als Stillleben" ist der Titel der Ausstellung des Westwendischen Kunstvereins (WWK). Der Bezug auf dieses klassische Genre ist nicht zufällig, denn die Funktion des Stilllebens, der ‚Vanitas‘ oder ‚Natura morte‘, wie es im Italienischen heißt, findet sich in den allegorischen Darstellungen menschlicher Zustände wieder, die in den Bildern als Erinnerungspuren aufscheinen – und implizit auf die Vergänglichkeit verweisen, indem sie von den Illusionen des Oberflächlichen zurücktreten. Die Reduktion dieser Menschenfiguren geht weit, die Grenzen zur Abstraktion werden in den Bildern immer wieder überschritten. Was Figur ist, kann in vielen Fällen auch Farbfläche sein, das Groteske der Silhouetten kippt immer wieder, das figurative Konturen in ein freies Spiel von Linien aufzulösen scheint. Wie die Abbilder – zu den menschlichen treten in einiger Fällen tierische – isoliert in einem leeren Bildraum stehen, der von den Materialstrukturen geprägt ist, so stehen sie als auf den Kern reduzierte Symbole für das, was Menschen erleben und fühlen. Darin sind sie vielleicht einem Lied vergleichbar, dem der italienische Komponist Salvatore Sciarrino „intime Expressivität" im Verbund mit „Stilisierung und Gebärden" attestiert. Und auch, dass im Lied wie im Traum die Proportionen verschoben sind, findet sich in den Gemälden Einhoffs wieder – eine Irrealität, die von den monochromen, fast immer von Grau- und Ockerschattierungen dominierten Hintergründen betont wird. Einhoffs halb surreale Figuren bewegen sich in halbrealen Universen.
„Traum vom Weglaufen" wirkt wie eine Umkehrung des am Abend am Fenster geträumten Traum von der „Kaiserlichen Botschaft" Franz Kafkas. Einhoffs „Junge Frau mit Manschette" steht im Bild wie „Vor dem Gesetz".


Im Unschärferaum ist auch die Bilderwelt einer Fotoserie aus diesem Jahr angesiedelt – die neuesten Arbeiten Friedrich Einhoffs, in denen der technische Prozesse analoger Fotografie nutzt, um den Bildern im Geiste der malerischen Arbeiten aus den Jahren 1981 bis 2015 Gewissheiten auszutreiben.

 

Korrespondierend zu der zu sehenden Ausstellung Einhoffs zeigt der WWK ab Freitag, dem 3. August (Vernissage 20 Uhr) in seiner Galerie Kunstkammer unter dem Titel „Menschenbildnisse" Arbeiten von dessen Schülerin und Wahlverwandten Heinke Both – korrespondierend im Thema, in der Farbwahl, in der bei Both durch Materialschichtungen ihrer Arbeiten noch gesteigerten Plastizität. Both verbindet in diesen Arbeiten Malerei, Zeichnung, collagiert beides mit Papier, Garn oder auch Glas. Das Ergebnis erinnert von Ferne an Röntgenbilder, Bilder aus dem Inneren der Gefühle. Auch die Fragmentierung der in leeren Räumen angesiedelten Figuren findet sich in beider Arbeiten.


Friedrich Einhoff: „Figuren als Stillleben"

bis zum 9. September im Westwendischen Kunstverein, Zehntspeicher Quarstedt, in 29471 Gartow
Geöffnet: Freitag: 16 - 18 Uhr | Samstag:12 - 16 Uhr | Sonntag: 12 - 16 Uhr
Weitere Informationen


Abbildungsnchweis:
Headerfoto: Thomas Janssen
Galerie:
01. Plakat zur Ausstellung
02. Blick in die Ausstellung. Foto: Thomas Janssen.
03. Friedrich Einhoff: „Zwei vertraute Figuren II“, 2008, Acryl, Kohle, Erde auf Leinwand, 150x115cm

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