Bildende Kunst
Für Augen & Ohren – Kunst und Vinyl

Vinyl is back! Vor Jahren bereits totgesagt, erlebt die Vinylplatte eine Renaissance. Nicht nur Nostalgiker, sondern auch Hipster und Liebhaber künstlerischer Plattencover freuen sich über das Comeback der Langspielplatte. Schallplatte und Kunst? Kein Problem, wie die aktuelle Ausstellung in der Herbert Gerisch-Stiftung Neumünster zeigt.
Der künstlerische Leiter der Stiftung, Claus Friede wählte gemeinsam mit Rainer Haarmann aus der Sammlung Schlüsselwerke mit künstlerischen und biographischen Bezügen, exklusiv gestaltete Schallplatten-Cover dessen Edition Longplay sowie originale Entwürfe und Skizzen von Künstlern, die im Dialog mit den Musikern entstanden sind. Mit Haarmanns Edition vereint der ehemalige Festivalleiter von JazzBaltica zwei Leidenschaften: seine Liebe zum Jazz und zur Kunst.

Rainer Haarmann, unter dem damaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm Kulturreferent, gründet 1991 das JazzBaltica-Festival auf Gut Salzau im Kreis Plön, das er über zwanzig Jahre leiten wird. Von Clara Haberkamp, über Hank Jones, Wayne Shorter bis Wolfgang Haffner, fast alle Jazzgrößen der schleswig-holsteinischen Szene, den USA, Skandinavien und den baltischen Staaten haben hier gespielt. Daneben veröffentlicht Haarmann zahlreiche Publikationen, zuletzt 2008 „LONGPLAY – Zur Geschichte der Schallplatte und des modernen Jazz". Seit der Pensionierung widmet sich Haarmann seiner neuen Leidenschaft, seinem Vinyl-Label Edition Longplay, einem Label für Kunst und Jazzmusik. Zeitgenössischen Jazz und Gegenwartskunst, schon immer wichtige Komponenten in seinem Leben, verbindet er in erstklassigen Editionen. Fünfzehn Langspielplatten sind seit 2012 erschienen, limitiert auf je 500 Exemplare. Neben ausgesuchten Live-Mitschnitten und Einspielungen von Studioproduktionen sowie hochwertiger Pressung, bestechen die Klappcover durch ihre bildkünstlerische Qualität: eine wechselnde Inspiration aus Musik und Kunst.

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Haarmanns erste Langspielplatte, Edition 1, beinhaltet einen Liveauftritt des US-Pianisten Don Friedman. Im Juli 2011 gab er bei JazzBaltica ein vom Publikum begeistert gefeiertes Solokonzert „Don Friedman plays Don Friedman". Das Cover schmückt ein im Stil der Farbfeldmalerei komponiertes Acrylbild des in Krempe und Berlin lebenden Künstlers Rolf Rose.

Außergewöhnlich ist Edition 10: „Jahreszeiten - Die Stimme des Libanon". Eine Kombination aus Jazz und Lyrik. Aufgenommen im Berliner Jazzclub A-Trane, musizieren Christopher Dell (Vibraphon, musikalische Leitung), Magnus Schriefl (Flügelhorn), Jonas Westergaard (Bass) und Ernst Bier (Schlagzeug). Die Schauspielerin Katja Riemann rezitiert Texte der in Beirut geborenen Dichterin Etel Adnan. Das Cover, eine farbenfrohe geometrische Abstraktion, entwarf die Libanesin, die seit der documenta 2012 in Kassel auch als Malerin in Europa bekannt ist. Neben der hervorragenden musikalischen Präsenz, gelingt es Haarmann die heute über Neunzigjährige als Malerin und Literatin vorzustellen.

Ein Hörgenuss ist Edition 12 „Wood River" mit der jungen Altsaxofonistin Charlotte Greve und Keisuke Matsuno. Greve, 1988 geboren, gewinnt mit ihrer Band „Lisbeth Quartett" 2010 den JazzBaltica-Förderpreis. Mit Matsuno vom „Trio Schmetterling", dem aus Dublin stammenden Bassisten Simon Jermyn und dem Schlagzeuger Tommy Crane aus St. Louis gründet sie Anfang 2014 in New York die Band "Wood River". Aufgenommen im April als Live-Sets im James L. Dolan Music Recording Studio, New York, ist die Platte das Debütalbum der Musiker, veröffentlicht beim Label Edition Longplay. Das Cover ist ein Entwurf der Leipziger Malerin Julia Schmidt.

Wie erkennt der Jazzliebhaber ein Plattencover der Edition Longplay? An dem einmaligen Konzept, der schlichten und klaren Ästhetik: keine Schrift, kein Logo, nur ein Bild. Jedes Cover ist von einem anderen Künstler gestaltet. Verwendet wird kein ordinäres Papier, sondern dank einer speziellen Haptik ein an Originaldrucke erinnerndes Material.
Die Ausstellung in der Villa Wachholz und der Gerisch-Galerie zeigt mit den Arbeiten von siebzehn Künstlern ein breites Spektrum zeitgenössischer Kunst. Darunter Fotografien und Wandzeichnungen von Gabriele Worgitzki, großformatige Zeichnungen der in London lebenden Künstlerin Kerstin Kartscher. Holzdrucke und -tafeln der Stuttgarterin Martina Geist, Bilder von Christine Streuli aus der Schweiz, Malereien und Zeichnungen von Anton Henning, Ruprecht von Kaufmann oder Sabrina Fritsch, Bilder und Aquarelle der 2015 verstorbenen Flensburger Künstlerin Elsbeth Arlt sowie eine Ensemble der aus Brasilien stammenden Künstlerin Rosilene Luduvico.

In der Gerisch-Galerie stellt Rainer Haarmann zunächst Jazzcover aus seiner privaten Sammlung vor, Coverkunst von 1949 bis 2015. Mit der Popularität der Jazzmusik entdecken der amerikanische Jazzproduzent Norman Granz oder ECM (Edition of Contemporary Music) und Siegfried Loch von ACT die Plattenhüllen als bildkünstlerisches Medium. Originelle Fotografien von Francis Wolff verleihen zum Beispiel den Alben von Blue Note Records eine visuelle Identität. Neben dem legendären Bananencover für "The Velvet Underground" entwirft Andy Warhol Plattencover für Count Basie, Kenny Burell, Thelonious Monk und andere Musiker. Auch A.R. Penck, der selbst als Freejazz-Schlagzeuger auftritt, hat etliche Jazzcover entworfen. Die Schallplatte als Kunstobjekt spielt folglich seit den Anfängen des Jazz eine große Rolle im Musik-Business.

In den folgenden Galerieräumen zeigt Harrmann Plattencover der Edition Longplay, die diese Traditionen aufgreifen. Jazzmusik und bildende Kunst vereinen sich mit dem Medium Langspielplatte zu einem Gesamtkunstwerk. Die Schau in der Galerie besteht neben Papiercollagen von Theo Beckmann, Jazzsänger und bildender Künstler, Entwürfen von Max Neumann, Etel Adnan und Julia Schmidt auch aus musikalischer Begleitung von Einspielungen der Jazzmusiker.

Künstler: Etel Atnan, Elsbeth Arlt, Theo Beckmann, Sabrina Fritsch, Martina Geist, Anton Henning, Kerstin Kartscher, Rosilene Luduvico, Jakob Mattner, Max Neumann, Rolf Rose, Dietrich Rünger, Julia Schmidt, Christine Streuli, Ruprecht v. Kaufmann, Anna Virnich, Gabriele Worgitzki

Musiker der LPs: Rainer Böhm, Alan, Broadbent, George Cables, Edmar Castaneda, Christopher Dell, Johannes Enders, Don Friedman, Charlotte Greve, Clara Haberkamp, Hank Jones, Jonathan Kreisberg, Joe Locke, Romero Lubambo, Kate McGarry, Gary Smulyan, Martin Wind

Die Ausstellung „Für Augen & Ohren – Edition Longplay" ist ein ästhetischer, visueller wie akustischer Genuss. Zu sehen bis zum 29. Mai 2016 in der Herbert Gerisch-Stiftung, Brachenfelder Straße 69, 24536 Neumünster.
Öffnungszeiten: März: Mi-So 11 bis 18 Uhr, April bis September: Mi-Fr 11 bis 18 Uhr, Sa+So 11 bis 19 Uhr, Mo. und Di. geschlossen, und nach Vereinbarung.
Jeden Sonntag um 12 Uhr Führung durch die Ausstellung.
www.gerisch-stiftung.de

Am 29. Mai um 15 Uhr findet ein Jazzkonzert mit dem in New York lebenden Bassisten Martin Wind und dem schleswig-holsteinischen Gitarristen Ulf Meyer statt.
Eintritt: VV 18 €, AK 20 € (Reservierung empfohlen).

Die Schallplatten können zum Preis von 28 Euro im Direktvertrieb gekauft werden. Von jeder Edition gibt es außerdem noch "Special Issues" mit Original-Arbeiten der Künstler.
www.editionlongplay.com, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!



Abbildungsnachweis:
Header: Ausstellungsgrafik
Galerie:
01. Blick in die Ausstellung. Werke von Max Neumann und Anton Henning. Foto: Claus Friede
02. Zeichnungen von Anton Henning, o.T., 1994, Tusche auf Papier, 29x21cm. Foto: Claus Friede
03. Christine Streuli: Liebespaar, 2003, Lack, Acryl auf Leinwand, 180x140cm. Foto: Christel Busch
04. Jakob Mattner, „Russisch ich“, Lichtdruck, 1996, 64x44 cm auf 79 x 59 cm. und "Nachstück", 1979, Metall, Holz, bemalter Karton, Glas, 26x8x6cm. Foto: Claus Friede
05. Kerstin Kartscher: One trip abroad, 2003, Ink-Marker auf Papier
06. Blick in die Ausstellung. Diverse Werke von Rosilene Luduvico. Foto: Claus Friede
07. Etel Adnan, o.T., Farbkreide auf Büttenpaper, 2015, 30x30 cm
08. Gabriele Worgitzki, Wandzeichnung (Hund), 2016, Tusche auf Wand. Foto: Claus Friede
09. Blick in die Gerisch galerie mit Werken von Martina Geist, Julia Schmidt und Elsbeth Arlt. Foto: Wilhelm Bühse
10. Elsbeth Arlt, „close your eyes“
, 2014, Aquarell auf Papier, 30x30cm
11.
Martina Geist. Platten-Cover Nr. 13
12. Edition Longplay
13. Rainer Haarmann in der Gerisch-Galerie
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