Eine der namhaftesten Intellektuellen unserer Zeit, die polnisch-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum, hält die Festrede anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025.
2025 blicken die Salzburger Festspiele nicht nur in historische Machtzentren. Sie richten den Fokus auch auf aktuelle Entwicklungen. 80 Jahre nach der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus und 30 Jahre nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union befindet sich die Welt heute in einem krisenhaften Umbruch und steuert auf eine geopolitische Neuordnung zu.
Eine der namhaftesten Intellektuellen unserer Zeit, die polnisch-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum, die den Mauerfall 1989 als Korrespondentin in Berlin erlebte, hält die Festrede anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Salzburger Festspiele. Unter dem Titel „Demokratie und Musikfestspiele“ wird sie in ihrer Rede auf die tiefgreifenden ideologischen Umbrüche, den erkennbaren Niedergang der Demokratie und die Zunahme autoritärer Bündnisse in der heutigen Zeit eingehen und im Gegenzug Zivilgesellschaft und künstlerische Freiheit als Grundwerte der menschlichen Zivilisation verteidigen.
„Anne Applebaum gilt als eine der wichtigsten Beobachterinnen der erstarkenden Autokratien in Ost und West und als eine der eindringlichsten Mahnerinnen, die vor der Zersetzung westlicher Demokratien warnen“, sagt Intendant Markus Hinterhäuser. „In ihren brillanten Analysen stellt sie die wesentlichen Fragen zu einer komplexen und beängstigenden Weltentwicklung.“
Anne Applebaum, 1964 in Washington D.C. als Kind jüdischer Eltern geboren, studierte russische Geschichte und Literatur in Yale sowie Internationale Beziehungen an der London School of Economics. 1988 begann sie ihre journalistische Karriere als Auslandskorrespondentin der Zeitschrift The Economist in Polen. Ein Jahr später erlebte sie das Ende des Eisernen Vorhangs und berichtete vor Ort über den Fall der Berliner Mauer.
Anne Applebaum, Trägerin des Pulitzerpreises (2004) sowie des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (2024), zählt heute zu den profiliertesten Kritikerinnen autoritärer Herrschaftssysteme und analysierte in zahlreichen Büchern das brutale Vermächtnis der Sowjetunion (Der Gulag), die erschreckende Popularität antidemokratischer Herrschaft und die Verschiebung des politischen Diskurses nach rechts (Die Verlockung des Autoritären). In ihrer zuletzt erschienenen Publikation (Die Achse der Autokraten) entschlüsselte sie die Wirkmechanismen autoritärer Allianzen, die die demokratischen Kräfte untergraben. Bereits 2013 untersuchte sie, wie der östliche Teil des Kontinents nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hinter dem Eisernen Vorhang verschwand und beleuchtete die Anfangsjahre des Stalinismus bis hin zur Niederschlagung des ungarischen Aufstands 1956 (Der Eiserne Vorhang) – eine markante Epoche auch für die Geschichte Österreichs und seiner Demokratie-Werdung. „Bevor eine Nation wieder aufgebaut werden kann, müssen ihre Bürger verstehen, wie sie zuerst zerstört wurde: wie ihre Institutionen untergraben, ihre Sprache verdreht und ihre Menschen manipuliert wurden“, schrieb sie etwa in Der Eiserne Vorhang.
Anne Applebaum ist mit dem früheren und seit 2023 erneut amtierenden polnischen Außenminister Radosław Sikorski verheiratet.
Der Festakt findet am 26. Juli 2025 um 11:00 Uhr in der Felsenreitschule statt.
Offizielle Biografie
Die Pulitzer-Preisträgerin, Historikerin, Journalistin, Expertin für Geopolitik und gefragte Keynote-Speakerin Anne Applebaum beleuchtet die Herausforderungen und Chancen des globalen Wandels in Politik und Wirtschaft vor dem Hintergrund der Weltgeschichte und der aktuellen politischen Landschaft. Gestützt auf ihre Expertise in europäischen Fragen und ihre langjährige Erfahrung als Auslandskorrespondentin zeigt Applebaum die weitreichenden Konsequenzen der aktuell sehr volatilen Weltlage auf. Da autoritäre Regierungen mithilfe neuer Technologien die Medien und den politischen Diskurs in nie dagewesener Weise manipulieren können, beschäftigt sie sich auch mit Themen wie Fehlinformation, Propaganda und krimineller Ausbeutung, die ebenfalls das Weltgeschehen beeinflussen. Von syrischen Flüchtlingen bis zu Putins Desinformationskampagnen, von EU und europäischer Finanzkrise bis zum Kampf gegen den Terrorismus, vom Vorgehen gegen Korruption in politischen Umbruchphasen bis zur aggressiven Wahlkampfrhetorik politischer Populisten – zu all diesen Themen liefert Applebaum sowohl fundierte Hintergrundinformationen als auch aktuelle Einblicke, die es braucht, um die Risiken und Chancen des politischen und wirtschaftlichen Klimas in der heutigen Welt richtig einschätzen zu können.
Ihr Buch Der Gulag über die sowjetischen Internierungslager wurde mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Für Roter Hunger. Stalins Krieg gegen die Ukraine erhielt sie ihren zweiten Duff Cooper Prize und den 28. Lionel Gelber Prize. In diesem Buch weist Applebaum nach, was lange vermutet wurde: Stalins Ziel war die Vernichtung der ukrainischen Landbevölkerung. Als einzige Autorin hat Applebaum zweimal den Duff Cooper Prize gewonnen. Zu ihren weiteren Büchern zählen Der Eiserne Vorhang. Die Unterdrückung Osteuropas 1944–1956, für das sie mit dem Cundill Prize for Historical Literature ausgezeichnet wurde, sowie Between East and West: Across the Borderlands of Europe, das 2023 in einer aktualisierten Neuauflage erschienen ist. 2024 wurde ihr der renommierte Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen, womit sie in einer Reihe mit Autoren wie Salman Rushdie und Amartya Sen steht.
2021 erhielt sie den Excellence in International Reporting Award des International Center for Journalists (ICFJ). Im selben Jahr überreichte ihr der spanische König Felipe VI. den 38. Journalistenpreis „Francisco Cerecedo“. 2024 erschien bei Penguin ihr jüngstes Buch Die Achse der Autokraten. Kontrolle, Korruption, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten. Ebenfalls bei Penguin erschien 2020 Die Verlockung des Autoritären. Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist. Darin beschreibt sie höchst anschaulich, weshalb sich die Eliten in demokratischen Ländern auf der ganzen Welt vermehrt dem Nationalismus und Autoritarismus zuwenden. Das Buch wurde sofort zu einem Bestseller auf der Sachbuch-Bestenliste der New York Times. Für Barack Obama gehörte dieses Buch zu seinen Lieblingslektüren des Jahres.
Applebaum ist Senior Fellow of International Affairs und Agora Fellow in Residence an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies in Washington, D.C. Von 2011 bis 2015 leitete sie das Transitions Forum am Legatum Institute, einem internationalen Thinktank, und wirkte in dieser Zeit an der Gründung des Democracy Lab an diesem Institut mit, einer Online-Partnerschaft zwischen dem Institut und der Zeitschrift Foreign Policy. Sie ist außerordentliche Mitarbeiterin des Center for European Policy Analysis und hatte den Philippe-Roman-Lehrstuhl für Geschichte und internationale Angelegenheiten an der London School of Economics inne.
Viele Jahre lang schrieb Applebaum alle zwei Wochen eine außenpolitische Kolumne für die Washington Post, die weltweit vertrieben wird. Heute ist sie feste Mitarbeiterin bei The Atlantic. Ihre Artikel sind in Foreign Affairs, New Republic und The New York Review of Books erschienen. In früheren Jahren gehörte sie zum Redaktionsteam der Washington Post, sie war Auslandsredakteurin und stellvertretende Herausgeberin der Zeitschrift Spectator und Redakteurin für Politik beim Evening Standard. Von 1988 bis 1991 berichtete sie als Korrespondentin für The Economist aus Warschau über den Zusammenbruch des Kommunismus.
Anne Applebaum besuchte die Yale University und war als Marshall Scholar an der London School of Economics und am St. Antony’s College in Oxford.
Quelle: Salzburger Festspiele
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