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SD: Wieso Vanessa Mae?

NK: Sie ist zwar ein bisschen zu sehr Achtziger, aber sie ist eine hundertprozentige Performerin. Das ist nicht selbstverständlich – in der Musik heute ist viel zu viel Marketing-Denken im Spiel. Künstler werden am Reißbrett entworfen. Man betreibt einen Riesenaufwand für prahlerische Projekte, die letztlich doch nur Fahrstuhlmusik bieten. Mich regt es auf, dass die Musik nicht im entferntesten so entwickelt und ausgereift ist wie die ganze Marketing-Geschichte um sie herum.

SD: Brauchen wir vielleicht mehr Nigels?

NK: Wir brauchen nur mehr vernünftige Leute hinter den entscheidenden Tischen. Im Wiener Musikverein wollte ich mal Jimi Hendrix, Bach, Bartók und Miles Davis spielen, aber es wurde mir untersagt.

SD:
Wieso?

NK: Fragen Sie doch die alten Herren mal. Die Alten in ihrer Jugend bestimmt auch total stimulierende Musik gehört. Aber nein, sie werden für Idioten gehalten und bleiben in diesem Spinnennetz gefangen, das heute die ganze Klassik einschnürt.

SD: Mozart war der erste Punk in der Musik, Sie werden oftmals ebenso bezeichnet. Fühlen Sie sich ihm verbunden?

NK: Nicht wirklich. Mozart hat zweifellos tolle Musik komponiert, aber nicht für Violinisten. Seine Opern, seine Klavierstücke – großartig. Aber nichts für mich. Außerdem erinnert mich seine Musik immer sehr an Kaffeehausatmosphäre. Ich bevorzuge da lieber den Pub – und ein Pint in der Hand statt einem großen Braunen mit Wasser. Pfui Teufel.

SD: Sie nehmen sich immer wieder mit eigenwilligen Geigenversionen der Musik verstorbener Künstler wie Jimi Hendrix, Frank Zappa oder Jim Morrison von den Doors an. Warum?

NK: Weil die sich nicht mehr wehren können (grinst). Nein, im Ernst. Es ist Zufall, nichts weiter. Sie alle sind große Helden der U-Musik, und zu allen Künstlern habe ich eine Verbindung, weil ich mit ihrer Musik etwas Persönliches verbinde. Ich wollte beweisen, dass die Musik von beispielsweise Hendrix ganz wunderbar für klassische Interpretationen ausgelegt ist. Das ist mir gelungen. Hendrix ist heute ein Klassiker wie Bach und Beethoven.

SD: Sie leben in Krakau, in Polen...

NK: …stimmt, und ich genieße es jeden Tag dort! Meine Frau Agnieska kommt von dort, Krakau hat zudem eine ungeheuer lebendige Jazzszene. In den Clubs dort treffe ich alle bedeutenden Jazzmusiker der polnischen Szene, und unsere Jamsessions dauern oft die ganze Nacht. Es ist eine wahnsinnig kreative Atmosphäre dort, unvergleichlich!

SD: Sie gelten als ekstatischer Fußballfan. Halten Sie trotzdem noch dem englischen oder inzwischen dem polnischen Fußball die Treue?

NK: Selbstverständlich dem englischen. Fußball ist eine ebenso große Leidenschaft wie Musik für mich. Ich erinnere mich noch, als mein Vater mich das erste Mal mit ins Stadion genommen hat. Das ist für jeden halbwüchsigen Jungen eine bedeutende Angelegenheit und prägt fürs Leben. Seitdem halte ich meinem Club Aston Villa die Treue.

SD: Was hat Fußball mit Musik gemeinsam?

NK: Die Leidenschaft. Ich kann für beides gleichermaßen entbrennen. Wenn mich irgendwann Fußball und meine Musik nicht mehr entfesseln, bin ich tot. Selbst wenn ich noch leben sollte.

SD: Apropos: Stimmt es, dass Sie dem Club nach Ihrem Ableben Ihre Asche vermacht haben?

NK:  Ja, das ist richtig. Meine Urne soll nah am Spielfeldrand beerdigt werden. Fußball bedeutet Bewegung, Kampf und Trubel. Ich war schon immer ein unruhiger Geist. Das soll sich nach meinem Tod auch nicht ändern.

www.nigelkennedy.de

Foto Copyright: Chris Steele-Perkins licenced to EMI Classics

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