Die leidenschaftliche Begeisterung für die ästhetische Gestaltung von Landschaftsparks und Gärten führte im 18. Jahrhundert in Europa zu einer „Parkomanie“.
Der Jenischpark gilt bis heute als eine der schönsten und beliebtesten norddeutschen Parkanlagen und als ein bedeutendes nationales Gartenbaudenkmal.
Die neue Sonderausstellung im Jenisch-Haus setzt sich unter dem Titel „Parkomania“ anhand einiger bisher unerzählter Geschichten umfassend mit der facettenreichen Historie des nach seinem zweiten Eigentümer – Martin Jenisch – benannten Parks auseinander.
Um 1800 entstanden viele der heutigen Parks an der Elbe – damals gehörte das Gebiet bis 1866/67 zum Königreich Dänemark[1] – als private Anlagen der damaligen Oberschicht. Unter den wohlhabenden Kaufleuten entwickelte sich, wie in ganz Europa, eine Konkurrenz um die schönste Parkanlage. Der Jenischpark, den der Kaufmann Caspar Voght (1752–1839) vor 240 Jahren anlegte, war einer der größten Parks an der Elbe. Die heutige Grünanlage umfasst nur einen Teil der ursprünglich von Voght angelegten Flächen.
Carl Friedrich Stange, Eichen im Flottbeker Park, Aquarell, um 1825, Foto SHMH
Der Jenischpark, benannt nach seinem zweiten Eigentümer Martin Johann Jenisch (1793–1857) dem Jüngeren, war im Laufe der Geschichte eine „Ornamented Farm“[2] mit Ackerbau und hügeliger Landschaft, ein repräsentativer Landschaftspark mit „Pleasure Ground“ und seltenen Pflanzen und später ein Ort nicht realisierter Ideen des NS-Staates.
Seit 1927[3] ist der Park öffentlich und seit 1982 steht er unter Naturschutz. Heute ist er ein vielgeliebtes und vielgenutztes Naherholungsgebiet.
Die Ausstellung erzählt die Entwicklung des Jenischparks von seinen Anfängen bis heute mit einem besonderen Augenmerk auf die bisher nur selten erwähnten Geschichten. Was waren die Vorbilder des Parks? Wie hatte Caspar Voght das Vermögen erworben, mit dem er den Park kaufte und gestaltete? Welche besonderen Pflanzen wuchsen und wachsen hier? Die Antworten auf diese Fragen führen uns von Klein Flottbek in die ganze Welt.
Die Geschichten beginnen im Jahr 1785: der Kaufmann und Sozialreformer Caspar Voght schuf auf dem damaligen Gelände in Klein Flottbek nach dem Vorbild des englischen Landsitzes „The Leasowes“[4] die bedeutendste „Ornamented Farm“ in Norddeutschland.
The Leasowes. Haus mit Park um 1811. Farbiger Stich von J. Stewart. Gemeinfrei
Er holte 1795 den schottischen Gärtner James Booth (1772–1811) auf sein Anwesen vor den Toren Altonas. Booth legte auf dem 200 Hektar großen Gelände die öffentlich zugängliche „Ornamented Farm“ mit einer Baumschule an. Dort wurden Pflanzen und Gehölze für den Verkauf gezogen. 1798 eröffnete Booth eine eigene Handelsbaumschule, die bis 1884 bestand.
Caspar Voghts Ziel war es, in Form eines Musterguts das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden und landwirtschaftliche Nutzflächen in eine Parklandschaft zu integrieren[5]. Was bislang noch zu den unerzählten Geschichten gehörte, sind die Verbindungen von Caspar Voghts Handelshaus zu den wirtschaftlichen Strukturen des Kolonialismus, die bei der Entstehung seines Musterguts eine Rolle spielten, und in der Ausstellung erstmals vertiefend thematisiert werden.
1828 wurde Martin Johan Jenisch d. J. neuer Eigentümer des Parks, stellte die landwirtschaftliche Nutzung ein und ließ die bestehende Anlage zu einem klassischen Landschaftspark umgestalten. Im Zuge dessen errichtete Jenisch auch die heute nach ihm benannte Sommervilla und legte einen reich bepflanzten Pleasure Ground nach englischem Vorbild an. Vor diesem Hintergrund widmet sich die Ausstellung der bis heute beeindruckenden botanischen Vielfalt im Jenischpark sowie deren Herkunft und deren Rolle in Jenisch‘ Selbstbild als leidenschaftlicher Sammler besonderer Pflanzen.
Im nördlichen Teil des Jenischparks begegnet man noch heute besonderen Bäumen. Einem Ginkgo mit ungewöhnlich geformten Blättern oder einem Mammutbaum, riesig und mit weicher Rinde. Die beiden haben eines gemeinsam: Sie sind eigentlich nicht in Europa beheimatet. Wer außereuropäische Pflanzen besaß, zeigte seine Verbindungen in die ganze Welt. Sie beflügelten Fantasien über ferne Länder, von denen in Europa oft verzerrte Vorstellungen existierten. Die Hamburger Kaufleute waren für das Hobby der „Exotenpflege“ bestens vernetzt – sei es durch direkte Beziehungen zu den kolonisierten Gebieten oder über Handelskontakte, besonders nach England, dem damaligen Zentrum des internationalen Pflanzenhandels. Aber auch Hamburger Baumschulen halfen bei der Versorgung. Aufgrund der hohen Nachfrage gründeten sich am Elbufer immer mehr lukrative Handelsunternehmen, die die noch unbekannteren Pflanzen aufzogen, erforschten und sich über britische Erkenntnisse auf dem Laufenden hielten.
Eine alte Eiche, einer von mehreren Solitärbäumen im Jenischpark. Lizenz CC BY 3.0
Als die späteren Erben 1927 planten, die Anlage zu parzellieren und zu verkaufen, pachtete die Stadt Altona den Park und machte ihn öffentlich zugänglich. 1937 wurde dann die Villa samt Park von der Stadt Hamburg gekauft. Anhand der daraus folgenden Pläne für eine komplette Neugestaltung im Sinne der nationalsozialistischen Bau- und Kulturpolitik beleuchtet die Ausstellung erstmals besondere Themen und Zusammenhänge aus der jüngeren Geschichte des Jenischparks und des Jenisch Hauses. Die Erklärung von Teilen des Parks, insbesondere der Feuchtwiesen und Weichholzauen am Tieflandbach Flottbek, zum Naturschutzgebiet Flottbektal im Jahr 1982 nimmt die Ausstellung zum Anlass, um aktuelle Fragen und Projekte zum gegenwärtigen Erhalt des Parks und seines Ökosystems zu thematisieren.
Als zeitgenössische Perspektiven sind in der Ausstellung zwei künstlerische Positionen zu sehen, die einen jeweils sehr individuellen Blick auf den Jenischpark werfen. Gezeigt werden zum einen der speziell für die Ausstellung entstandene Zyklus „Vier Jahreszeiten im Jenischpark“ der Malerin Susanne Wind und zum anderen das zwischen 2019 und 2024 entstandene Kunstprojekt „Der wilde Garten“, des Fotografen Firat Kara, der sich dem Park als grüne Oase inmitten der urbanen Dichte der Großstadt Hamburg genähert hat.
Parkomania – Unerzählte Geschichten aus dem Jenischpark
Zu sehen bis 6. September 2026, im Jenisch Haus (Stiftung Historische Museen Hamburg), Baron-Voght-Straße 50, in 22609 Hamburg
Öffnungszeiten: Montag von 11 bis 18 Uhr, Samstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr
dienstags geschlossen
Weitere Informationen (Jenisch Haus)
Fußnoten:
[1] Großflottbek (wie es sich noch Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb) gehörte zunächst zur Grafschaft Stormarn, ab 1304 bzw. 1307 zur Grafschaft Holstein-Pinneberg, die ab 1640 in Personalunion von den dänischen Königen regiert wurde, und 1866 an Preußen fiel.
[2] Der Begriff aus der Landschaftsgestaltung bezeichnet die Strömung, die landwirtschaftlich genutzten Bereiche eines Anwesens ästhetisch mit den dekorativ genutzten Gartenbereichen zu einer Einheit zu verbinden.
[3] 1927 wurde Flottbek an Altona angeschlossen, 1938
[4] Gelegen, westlich von Birmingham.
[5] Das Areal bestand aus vier Teilen: Süderpark (heutiger Jenischpark), Norderpark (heute u. a. Botanischer Garten), Osterpark (heute u. a. Golfplatz) und Westerpark (zunächst Baumschulgelände, heute wieder Park)
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