„Kunst ist eine Brücke, die Völker einander näherbringt“, lautet ein kongolesisches Sprichwort. Mit der Ausstellung „Bakuba Kunst – Geometrie des Lebens" hat das Museum am Rothenbaum einmal mehr diese Brücke gebaut.
Derzeit zeigt es über 100 Kunst- und Kulturschätze der Kasai-Region, gelegen im heutigen Südwesten der Demokratischen Republik Kongo, die einen vielschichtigen Einblick in das soziale und spirituelle Leben des ehemaligen Kuba-Königreiches geben.
Diese Ausstellung zeigt sehr schön, wie sich das Verständnis für Weltkulturen geändert hat: Hier werden afrikanische Masken und Skulpturen als Kunstwerke gewürdigt und inszeniert, als herausragende Zeugnisse einer Kultur, in der die Verbindung von Kunst und Alltag untrennbar ist. Im Zentrum der Schau aber stehen die wunderbaren Textilien, unerhört akkurate Flechtwerke aus Palmenfasern mit einem enormen Variantenreichtum an geometrischen Mustern. Jedes Muster hat eine Bedeutung, spiegelt (für Eingeweihte) Status und Identität ihrer (ehemaligen) Träger*innen. Gleichzeitig dienten diese Stoffe als Schutzobjekte, denn die Kuba glauben, dass sie die Macht besitzen, böse Geister abzuwenden.
Alle historischen Artefakte stammen aus der Kolonialzeit. Aus einer Zeit, als das Königreich der Kuba – die Bezeichnung „Bakuba", (dt.: „Menschen des Blitzes“), prägten die benachbarten Luba – bereits dem Untergang geweiht war. Entstanden im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts aus einem Zusammenschluss von etwa 20 Bantu-Ethnien, umfasste das zentralafrikanische Reich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Fläche von über 100.000 Quadratkilometer und war berühmt für sein reiches künstlerisches und spirituelles Erbe. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es infolge unsäglicher Verbrechen unter belgischer Kolonialherrschaft (insbesondere durch Ausbeutung zur Kautschuk-Gewinnung) systematisch destabilisiert und zerfiel schließlich. Insgesamt, so schätzt man, forderte die belgische Kolonialherrschaft mehr als Zehnmillionen Opfer – die meisten zwischen 1885 und 1908 unter dem belgischen König Leopold II.
Genau aus jener Zeit, die später als „Kongogräuel“ in die Geschichte einging, stammt ein Großteil der nun gezeigten Werke. Zusammengetragen von dem renommierten deutschen Afrikanisten Leo Frobenius (1873–1938) während seiner ersten afrikanischen Expedition (1904–1906) durch die damalige Privatkolonie des belgischen Königs. Frobenius war zwar entsetzt von den Grausamkeiten vor Ort und der Brutalität, mit der aufständische Zwangsarbeiter verstümmelt und ermordet wurden, er stellte das Kolonialsystem jedoch nicht in Frage, im Gegenteil: Er profitierte davon. Klar ist heute, dass sein Handel mit „ethnographischem Kram“ (Frobenius, 1907) keineswegs ein so friedlicher und freiwilliger „kultureller Austausch“ war, wie man es gerne hätte, um sein Gewissen zu beruhigen. Klar ist auch, dass Hamburg von Leo Frobenius unerhört profitierte: Georg Thilenius (1868–1937), erster Direktor des Museums am Rothenbaum, kaufte von seinem umtriebigen Kollegen damals 9.231 Objekte der Bakuba, darunter 105 Masken und 400 Ahnenfiguren.
118 Jahre später werden diese Sammlungsbestände nun erstmals im Kontext des kolonialen Erbes aufgearbeitet und neu eingeordnet. Kabila Kyowa Stéphane, gemeinsam mit Oussounou Abdel-Aziz Sandja Kurator der Schau, reiste im Vorfeld in die Demokratische Republik Kongo und erfuhr in zahlreichen Gesprächen, wie vor allem die Frauen künstlerische Traditionen und profundes handwerkliches und spirituelles Wissen in der dortigen Gesellschaft mündlich überliefern. So konnten auch die Hamburger Artefakte wieder in den Kontext lokaler Erinnerungen eingebunden werden.
Futur-Velours.com 2024; Raphia-Textilkomposition; 150x200cm; Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen; Ankauf für das MARKK 2024. Die Künstler:innen Ida Bulape, Charo Mbawoto, Anastasie Laboko Bulape, Rachel Mbawoto, Ngokadi Agnes, Isabel Ishende, Emanuel Minga Minga und der Sohn von Isabel präsentieren das fertige Textilwerk in Ilebo, Februar 2025. Foto: Bren Heymans
Im Dialog mit zeitgenössischen Textilwerken der Künstlerkooperative „Futur-Velours.com" und einem eigens für die Ausstellung entstandenen Comics des kongolesischen Künstlers Sixte Kakinda werden die Erwerbungen während der Kolonialzeit kritisch reflektiert und neue Einblicke in die derzeitige künstlerische Rezeption im Kongo ermöglicht.
„Bakuba Kunst. Geometrie des Lebens“
Zu sehen bis zum 3. August 2025, im Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt, Rothenbaumchaussee 64, in 20148 Hamburg.
Geöffnet: Di. – So. 10–18 Uhr und Do. bis 21 Uhr
Weitere Informationen (MARKK)
Es ist ein Katalog erschienen im Verlag: MARKK Hamburg
Softcover, 196 Seiten, Sprache: Deutsch/Französisch
ISBN: 978-3-9441-9332-8
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