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Wiener Dog Film Trailer

Ein Dackel blickt in die Abgründe der menschlichen Seele: Kult-Regisseur Todd Solondz inszeniert seinen Episodenfilm „Wiener Dog” als aberwitzige morbide Komödie: zynisch, charmant, tragisch, bitterböse, höchst originell und manchmal zutiefst berührend. Vier skurrile, ästhetisch virtuose Miniatur-Porträts formieren sich zum Psychogramm amerikanischer Vorstädte. Obwohl, dergleichen Erfahrungen mit Hundebesitzern könnte ein Vierbeiner auch in unserem Land machen.

Noch nicht ganz stubenrein kommt „Wiener Dog“ zu dem neunjährigen Remi (Keaton Nigel Cooke). Der einsame kränkliche Junge hat grade den Kampf gegen Leukämie überstanden und ist begeistert von seinem drolligen Spielgefährten. Die Eltern dagegen tun sich schwer mit dem neuen Familienmitglied. Ihr Haus im Stil von Le Corbusier mag ein architektonisches Wunderwerk sein, aber strahlt eine beängstigende sterile Kälte aus. Ordnung scheint hier oberstes Gebot. Vater Danny (Tracy Letts) keift beim Gassi gehen im noblen Villenvorort „Bei Fuß, A.....”, („Heel, Motherfucker”) und zerrt hilflos an der Leine. Unbeeindruckt schnüffelt die kleine Dachshündin interessiert an jeder Hecke. Nachts wird der verschreckte Dackel fern tröstlichen Zuspruchs in Garage oder Keller gesperrt, sein enger Drahtkäfig würde selbst einem Wellensittich, der Gefangenschaft gewöhnt ist, missfallen. Das traurige durchdringende Bellen fordert den Zorn der Erwachsenen heraus. Remi schleicht sich heimlich zu seinem Freund und spielt ihm etwas auf der Querflöte vor.

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Danny belehrt den Sohn, man müsse den Willen eines Hundes brechen. Was „Wille” eigentlich sei, möchte der Junge wissen. „Charakter, das, was Dich ausmacht”. Und der muss gebrochen werden? Remi ist heillos überfordert von der rüden Reglementierung der Eltern. Ihre Yogamatte unterm Arm, hasten die beiden zum Auto, vollauf beschäftigt mit der eigenen Selbstoptimierung und extrem genervt von den ständigen Fragen des Neunjährigen. Warum müsse Wiener Dog sterilisiert werden? Die Mutter sieht hier die perfekte Chance zur politisch moralischen Instruktion ihres Jüngsten: Sie habe als Kind eine entzückende kleine reinrassige Hundedame besessen, Croissant hieß sie, die wurde in Frankreich von einem großen wilden Streuner namens Mohammed missbraucht. Nach kurzem schweren Leiden (Hunde-HIV?) starb Croissant qualvoll bei der Geburt der Welpen. Mohammed aber vergewaltigte ungestraft weiter alles, was ihm über den Weg lief. Ja sogar Eichhörnchen.

Politische Korrektheit bleibt bei Todd Solondz („Happiness“, „Life During Wartime“) auf der Strecke, sein tiefschwarzer hintergründiger Humor schreckt vor nichts zurück. Der 56jährige Regisseur und Autor hat viele Fans, aber nicht jeder Zuschauer steht auf diese Art überdrehter etwas selbstfälliger Pietätlosigkeit. Hier wird irgendwann die Satire selbst zur Persiflage. „Wiener Dog” ist das Gegenstück, oder besser das Gegenteil von Robert Bressons Leinwanddrama „Au hasard Balthazar” (1966). Die Parabel von dem Esel als Sinnbild einer gequälten Kreatur wurde zu einem Klassiker und ist ein Lieblingsfilm von Jean-Luc Godard. Lastesel, Zirkusattraktion, Werkzeug der Schmuggler, stumm erduldet das Tier jede Qual, bevor es am Ende durch die Schüsse einer Grenzpatrouille stirbt inmitten einer Herde von Schafen. Die Zuneigung der Kinder ist kein Schutz vor der rauen Wirklichkeit, das muss auch Wiener Dog erfahren. Allein im Haus tobt Remi mit seinem Dackel durch die weiße Wohnlandschaft, zerfetzt die Sitze, die Federn werden zu einem traumhaften Schneegestöber in Zeitlupe. Ein Moment der Anarchie und vollkommener Glückseligkeit, grandios fotografiert von Kameramann Edward Lachman („Carol”).

„Wir glauben nicht an Gott”, hatte die Mutter dem Sohn erklärt. Nur woran glaubt man in dieser Welt? Bestimmt nicht an die sozialistischen Ideale der Sechziger Jahre, gesunde Ernährung avanciert im 21. Jahrhundert zur Ersatzreligion und so ist es wenig verwunderlich, dass Remi mit dem körnigen Müsli-Riegel seiner kleinen Hündin eine besondere Freude bereiten will. Das Resultat: katastrophale Diarrhö, die „Wiener Dog“ fast ins Jenseits befördert. Eine elegante langsame Kamerafahrt entlang einer braunblutig schimmernden nie enden wollenden Hügelkette tierischer Fäkalien zu den Klängen von Claude Debussys „Clair de lune”. Das ist die schrullig-schräge Symbolik von Todd Solondz. In der Tierklinik soll der Dackel eingeschläfert werden. Doch ein rettender Engel ist in Sicht: Dawn Wiener, eine Figur, die schon einmal vor mehr als 20 Jahren auftauchte in „Welcome to the Dollhouse”, dem ersten erfolgreichen Film des Regisseurs. Damals war sie 12 Jahre alt, scheu, unattraktiv, trug eine scheußliche Brille, wurde von allen gehänselt und umhergestoßen. Gespielt wird sie nun von Greta Gerwig, äußerlich hat sie sich kaum verändert, ist aber innerlich gefestigter, freundlicher und mutiger. Sie jobbt in der Klinik und entführt erfolgreich den Todeskandidaten, von nun heißt der Dackel ‚Doody’, eine Anspielung auf den scheußlichen Durchfall.

Vor einem Mini-Markt taucht unversehens Brandon (Kieran Culkin) auf, einer der Jungen, die Dawn Wiener damals die Schulzeit zur Hölle machten. Diese Zusammenhänge muss man nicht kennen, sie sind mehr wie ein Insiderjoke, aber auch ohne ist „Wiener Dog” ein wahrlich amüsantes nihilistisches Road-Movie. Brandon mit vielversprechender Junkie-Karriere vor sich, streichelt den Dachshündin und stellt fest: „Sie sieht so aus wie Du”. Dawn Wiener nimmt es als Kompliment. Als er sie einlädt, mit nach Ohio zu kommen, fragt sie nur: „Was gibt es in Ohio?” „Chrystal Meth”. Viel anspruchsvoller wird die Konversation nicht zwischen den beiden. Auf der Fahrt nehmen sie drei Mariachi-Sänger, in mexikanischer Volkstracht als Anhalter mit. Die klagen bitterlich darüber, wie erdrückend, langweilig, trist und deprimierend das Leben nördlich der Grenze sei und dass sie es nicht erwarten können, wieder in die Heimat zurückzukehren: „Die USA sind wie ein trauriger Elefant, der langsam in einem See aus Verzweiflung ertrinkt.“ Wem immer der Zuschauer begegnet, quengelig sind sie alle irgendwie. Außer jenem wundervollen Moment der Befreiung und Anarchie, gibt es weder beim Dackel noch den anderen Akteuren Anzeichen tieferer Zufriedenheit. „Wiener Dog“ aka Doody zumindest erträgt ihr Hunde-Dasein stoisch, besonnen, fatalistisch. Reagieren tut der Zuschauer, mit vielleicht oft ungewollt reflexartigem Lachen.

Dawn Wiener schenkt den Dackel einem Pärchen mit Down-Syndrom. Fast glaubt man, dies könnte ein perfektes Heim für die kleine Hündin werden, da quietscht das Mädchen begeistert: „Ich habe mir schon immer eine Leine gewünscht.” Todd Solondz lässt eine Art Pausenfilm folgen als Hommage an das Kino seiner Kindheit. Der Dackel mutiert kurzfristig zum tapferen Westernhelden und trabt unverdrossen zu einer munteren Country-Ballade von Marc Shaiman („Hairspray”) quer über die Leinwand. Auf unerklärliche Weise landet Wiener Dog in New York City bei dem frustrierten Filmprofessor und einstmals erfolgreichen Drehbuchautor Dave Schmerz (Danny DeVito). Er ist einsam, desillusioniert, am Rande seiner Kräfte. Sein einziger Trost ist der kompakte kleine Hund in seinem Arm. Die Kollegen begegnen dem Mann mit unverholender Ablehnung, die Studenten haben sich über seine mangelnde Unterstützung beklagt. Ihre Filmideen sind von wahrlich erschreckend abstruser Dämlichkeit, die nur noch von ihrer Eitelkeit übertroffen wird. (Todd Solondz lehrt selbst abwechselnd an der Tisch School of the Arts in New York und Singapur.) Immer wieder versucht Schmerz seinen Agenten zu kontakten, hofft auf eine letzte Chance. Er wird vertröstet, angelogen. Als ein angesagter junger Regisseur ihn vor der gesammelten Studentenschaft beleidigt und erniedrigt, entscheidet sich der einsame jüdische Professor für eine explosive radikale Rache. Dog Wiener wird auf gerüstet zur tickenden Zeitbombe. Und doch geht die Odyssee des Dackels weiter bis zum dramatischen Finale

Dachshunde sollen über ein ausgesprochenes Selbstbewusstsein verfügen und ihre Bindungswilligkeit ist wenig ausgeprägt. Doch Wiener Dog taugt zumindest prächtig als Projektionsfläche für seine Besitzer. Er spendet Trost, Geborgenheit, macht Mut, ist von unendlicher Geduld, runzelt die Stirn und schaut immer ernst und weise drein. So die Geschichte. Aber Darsteller und Dackel, daraus wird nicht automatisch ein Traumpaar. “Die Arbeit mit dem Hund war hart” gesteht Solondz. Eigentlich handelte es sich dabei um zwei Hunde, die sinnigerweise beide auf den Namen „Hope” hörten oder eher nicht hörten. „...Ich denke, dass diese Rasse nicht unbedingt bekannt für ihre Intelligenz ist,” lautet das vernichtende Urteil des Filmemachers. Regieanweisungen wurden grundsätzlich nicht befolgt, und auch Greta Gerwig berichtet: „Sie sind total süß, wenn man Zeit mit ihnen verbringt und nichts von ihnen will. Aber wenn es um spezielle Dinge geht, wie Stillstehen oder nicht Wegrennen oder einen Hotdog essen, dann reagieren sie einfach nicht”. „Julie Deply hatte ihrerseits ganz andere Schwierigkeiten bei der Arbeit mit dem Vierbeiner: „Der arme Hund”, meint sie. „Ich musste ihn anschreien (laut Drehbuch), dann hatte er natürlich Angst vor mir, weil er nicht verstehen kann, dass ich nur so tue als ob. Ich habe versucht, es ihm zu erklären, aber da war kein Durchkommen Er hat einfach nicht kapiert, was ich von ihm wollte.” Tracy Letts: „Ich glaube, es hat schon seinen Grund, warum man Dackel so selten in Filmen oder im Fernsehen sieht.”

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Originaltitel: Wiener-Dog
Regie / Drehbuch: Todd Solondz  
Darsteller: Greta Gerwig, Zosia Mamet, Julie Delpy  
Produktionsland: USA, 2016  
Länge: 88 Minuten  
Verleih: Prokino Filmverleih 
Kinostart: 28. Juli 2016

Fotos & Trailer: Copyright Prokino Filmverleih

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