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KlassikKompass – Musik im Mittelalter: Blut der Schlachten und Mut der Helden. Kampf den Mauren und Sepharden

‘El Cid’ und Isabella von Kastilien
Spanien führte einen fast 400 Jahre langen Kampf gegen die Invasionen der Mauren aus Nordafrika. Schließlich regierte die ‚aller-katholischste Majestät’ Isabella von Kastilien mit einer kompletten Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien und Portugal – das Ende einer erfolgreichen Multikultur, die sich unter dem legendären Helden Spaniens, genannt ‚El Cid’ gebildet hatte.

Auch die Musik Spaniens wurde von dieser Kultur der Vielfalt namentlich durch die Mauren beeinflusst und ist in ihrer Eigenartigkeit bis heute davon bestimmt – zum Beispiel in Formen der Tänze, Estampies genannt und, bis bis heute, des Flamenco – allesamt arabischen Ursprungs wie der spanische Stierkampf.

‚El Cid’, eigentlich Rodrigo Díaz de Vivar (1043-1099) war ein kastilischer Ritter aus der Zeit der Reconquista (‚Wiedereroberung’), der schon zu Lebzeiten zum spanischen Nationalhelden avancierte. Der Name ‚El Cid’ ist aus dem arabischen ‚as-sayyid’‚ der Herr abgeleitet und stammt aus der Zeit, in der er als Söldnerführer in der spanischen Levante operierte. Rodrigos spätere Herrschaft in der Küstenstadt Valencia wird in den Quellen übereinstimmend als ein äußerst strenges Regiment beschrieben. Berichtet wird von Spitzelwirtschaft, Folterungen und grausamen Bestrafungen ihm feindlich gesinnter Bürger. Maurisch-arabische Chronisten und Dichter beklagten den Verlust Valencias nach der Eroberung durch ‚El Cid’ einhellig als schreckliche Katastrophe für die Bewohner. Natürlich erlebte die Mehrzahl der mehrheitlich muslimischen Einwohner diese Zeit als Okkupation. Allen war das Tragen von Waffen verboten. Gegner des Regimes wurden der Stadt verwiesen und mussten sich außerhalb der Mauern in der Vorstadt Alcudia ansiedeln, während wohlhabende Parteigänger des Cid ihre Besitzungen und innerstädtischen Häuser behalten durften. Dabei muss man sich die prekäre Lage des neuen Herrn dieser Stadt vor Augen halten, deren Umland ständig von feindlichen Kräften besetzt oder bedroht war und die sich daher praktisch dauernd in einer Art ‚Belagerungszustand’ befand. Offenbar bemühte sich der Cid in dieser Situation zumindest zeitweilig auch darum, religiöse Gegensätze zu überbrücken, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Als Beauftragte für die Stadtregierung bediente er sich der Mitglieder der jüdischen Gemeinde.
Gleichzeitig versuchte er dem Anschein nach, christliche Siedler ins Land zu ziehen, da er in umliegenden Orten, in denen es bis dahin keine mozarabischen Christen gegeben hatte, Kirchen stiftete.

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1086 ging der Emir der Almoraviden, Yusuf ibn Taschfin, mit großer Heeresmacht bei Algeciras an Land, 375 Jahre nachdem erstmals eine muslimische Invasionsstreitmacht auf gleichem Weg von Afrika nach Europa übergesetzt war.
Der Tod als Ritter und Heerführer des ‚Cid’ vor der Stadt Valencia gegen die angreifenden Sarazenen unter Yusuf ist legendär: In einem Hinterhalt tödlich verwundet, nahm er seinen Gefolgsleuten auf dem Sterbebett das Versprechen ab, den Feind erneut anzugreifen. Seinem Wunsch entsprechend band man den sorgfältig geschminkten Leichnam vor der Schlacht in voller Rüstung aufs Pferd. Sein treuer Hengst ‚Babieca’, ein Prototyp des weißen Andalusiers, trug den Toten mit dem Schwert in der Hand ins Getümmel voran. Auf diese Weise motiviert, errangen seine Leute einen glänzenden Sieg über die von der Erscheinung des Totgeglaubten erschreckten Berber.
Über die tatsächlichen Todesumstände ist wenig bekannt – wahrscheinlich starb ‚El Cid’ friedlich im Bett, möglicherweise infolge einer Pfeilverwundung.

Als Valencia 1102 dann erneut kurz vor der Einnahme durch die Almoraviden stand, konnte der zu Hilfe gerufene Alfons VI. nur noch die Witwe und den Leichnam des Cid zusammen mit seinen Truppen aus der Stadt evakuieren, die er dem Feuer preisgeben musste.
Das Ziel, den Vormarsch der berberischen Eroberer aus Nordafrika im Osten der Pyrenäenhalbinsel aufzuhalten, war damit final gescheitert.

„Mohameticae sectae prostratore
et heretice pervicacie extinctores
Ferdinandus Aragonorum et
Elisabetha Castelle vir et uxor unanimes
Catolice appellati marmoreo clauduntur hoc tumulo.“

„Die Vernichter der Mohammedanischen Sekte und
Auslöscher der ketzerischen Falschheit,
Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien
Gemahl und Gemahlin, allerseits die Katholische
geheißen, umschließt dieses marmorne Grab.“

Lateinische Grabinschrift von Isabella und Ferdinand sowie deutsche Übertragung.

Erst 400 Jahre später gelang es Isabella I. von Kastilien (1451-1504) Königin von Kastilien und León von 1474 bis 1504 und von 1469 bis 1504 als Gattin Ferdinands II. auch Königin von Aragón, die Mauren und ‚Sephardim’ – so wurden die jüdischen Spanier und Portugiesen genannt – zu vertreiben und Spanien ‚unter dem Kreuz’ zu einen.
Isabella und Ferdinand regierten ihre Reiche Aragon und Kastilien ab 1479 gemeinsam, obwohl Isabella die alleinige ‚Besitzerin’ der Krone von Kastilien blieb. So entstand die Grundlage für ein gesamt-spanisches Königreich.
Ihrer Verwendung verdankte Christoph Kolumbus 1486 die Unterstützung zu seinem Unternehmen, das die Entdeckung Amerikas 1492 unter spanisch-kastilischer Flagge zur Folge hatte. Dies schuf die Grundlage für das spätere spanische Kolonialreich.
Auf Basis der 1478 von Papst Sixtus IV. erlassenen päpstlichen Bulle ‚Exigit sincerae devotionis’ führten Isabella und Ferdinand die Inquisition in ihrem Reich ein. 1488 schufen sie den ‚Consejo de la Suprema y General Inquisición’.
Überwiegend richtete sich diese Inquisition gegen zum Christentum konvertierte Juden, die sogenannten Marranen, die verdächtigt wurden, insgeheim noch ihrem früheren Glauben anzuhängen. Mehr als die Hälfte, in Guadalupe etwa mehr als drei Viertel, aller so Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Die Eroberung des Emirats von Granada im Januar 1492 bildete den Endpunkt der ‚Reconquista’ und damit der rund 700 Jahre dauernden Präsenz der Mauren in weiten Teilen der iberischen Halbinsel. In der Folge gingen Ferdinand und Isabella mit großer Brutalität gegen Juden und Muslime vor.

Mit dem Alhambra-Edikt vom 31. März 1492 wurden zum Beispiel alle Juden im Herrschaftsgebiet von Isabella und Ferdinand gezwungen, entweder zum Christentum überzutreten oder das Land umgehend zu verlassen.

Papst Alexander VI., der umstrittene Spanier auf Petris Thron, Rodrigo Borgia (1431-1503), verlieh dem Ehepaar 1494 den Titel der ‚Reyes Católicos’ (Katholische Könige). 1502 folgte die Ausweisung der noch verbliebenen Muslime, was einen weiteren wirtschaftlichen und künstlerischen Aderlass bedeutete.
Isabella und Ferdinand führten die ‚Santa Hermandad’ (‚Heilige Bruderschaft’) ein, ein landesweites Polizei- und Justizsystem, das die bisher üblichen lokalen ‚Hermandades’ ablöste und die Rechte der lokalen Aristokratie einschränkte.
Isabella starb am 26. November 1504 in Medina del Campo. Ihre sterblichen Überreste befinden sich in der Krypta der Capilla Real (‚Königliche Kapelle’) in Granada, Andalusien. Die Grabinschrift berichtet über ihre ‚Helden-Taten’ im Namen des ‚wahren Glaubens’.

Der katalanische Gambist und Musikforscher Jordi Savall widmete Isabelle von Kastilien eine eigene CD mit ‚politischer Musik’ aus dieser Spätzeit des Mittelalters und der anbrechenden Renaissance. Aus seinem hochinteressanten Beiheft zu dieser Aufnahme ‚Isabel I, Reina de Castilla’:
„Die meisten ausgewählten Stücke (der CD) wurden ursprünglich in direktem Zusammenhang mit einem Ereignis der Regierungszeit Isabellas komponiert.
In der Tat wurde zu jener Zeit der Gesang als wirkungsvolles Kommunikationsmittel oft eingesetzt, in dem er die politisch genehmste Perspektive der sowohl national als auch international zu verbreitende, grundlegenden Botschaften übertrug.
Isabella und Ferdinand machten oft davon Gebrauch um ihr strategisches Ziel der Einführung einer einheitlichen, zentralisierten, christlichen Monarchie umzusetzen.
Alles in allem wurde die Musik hier etwa als eine Art Soundtrack zusammengestellt, die gar als Musik zu einem historischen Film über den faszinierenden Charakter der katholischen Königin dienen könnte...“

Die Musik dieser CD aus der Zeit Isabellas ist fast magisch, weil sie die Strenge Melodik der mittelalterlichen Harmonien mit der beginnenden Polyphonie und allgemeinen Klangveredelung durch die Renaissance verbindet. Dazu kommen die maurischen und sephardischen Einflüsse – auch gekennzeichnet durch Verwendung des vielfältigen Schlagwerks wie Schellen, Zimbale und Trommeln.
Die Aufnahme enthält frühe Renaissance ‚Hits’ wie den Danza Alta ‚La Spagna’ des Komponisten Francisco de la Torre (1483-1504) oder einen höfischen Schreittanz, eine Pavana, zu Ehren der Königin komponiert von Juan del Enzia. Daneben erklingen maurische Musiken wie ein ‚Marcha Turca’. Noch einmal wird die wunderbare Mischkultur an der Schwelle der europäischen Renaissance in Spanien in diesem musikalischen Reigen erfahrbar.

Als Empfehlung noch ein ‚Villancio’ dieser CD – ein Volkslied von Juan del Enzia (1468-1529) unter dem Titel ‚El que rige y el regido’ (‚Wer ohne Weisheit regiert und regiert wird’) veröffentlicht – es klingt fast wie eine versteckte Kritik an der autokratischen Regentschaft Isabellas :

„El que rige el regido sin saber,
Mal regidos pueden ser.
Mal rige qual non es prudente
Porque todo va al reves
Y el perfecto regir es
Saber mandar sabiamente
Que el regido y el regiente
Sin Saber mal regidos puenden ser.“

„Wer ohne Weisheit regiert und regiert wird,
Wird nur schlecht regiert.
Schlecht regiert der Unvorsichtige,
Denn alles gerät verkehrt.
Vollkommen regiert, wer weise befehlen kann.
Denn wer ohne Weisheit regiert und regiert wird
Wird nur schlecht regiert.’

Die CD mit ausführlichen Begleitheft „Isabel I. Reina de Castilla“ mit Jordi Savall, Hesperion XXI, der Capella Reial de Catalunya und der unvergessenen Sängerin Montserrat Figueras ist zu haben bei Alia Vox Records unter der Bestellnummer AV 9838.

Es gibt ihn nach wie vor in bester Qualität, den Film der Filme über Spaniens Mittelalter, ‚El Cid’ mit Charlton Heston in der Titelrolle und der bezaubernden und immer jungen Sophia Loren als ‚Donna Jimena’.
Unvergessen die hunderte von maurischen Trommeln in der Schlacht um Valencia. Auch wenn ‚historisch fragwürdig’, kaum wurde ein Turnier und eine Ritterschlacht faszinierender dargestellt. Kinohistorie gedreht bereits 1961 von Anthony Mann. Zu erhalten als DVD bester remasterter Qualität im Fachhandel.

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