Meinung
mail aus riga – Nebels Welt XXII

Von einem Medienhype und wie die Massen darauf reagieren, von Erkenntnissen jenseits der Tagesaktualität und von Erregungsständen im Alltäglichen.

Niemand kann ihm entfliehen, niemand weiß eigentlich was oder wem er vertrauen kann, doch nur wenige fühlen sich betroffen: Gemeint ist der weltweite Abhörskandal und gemeint ist auch, wo unsere Daten so landen. Ursache sind die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden.

Es ist schon ganz lehrreich, was man aus der Praxis so lernen kann. Zunächst lernen wir etwas über gebräuchliche sprachliche Verkürzungen. Es ist schon ein Unterschied, ob besagter Snowden Geheimdienstmitarbeiter war oder ob er an Programmen als Mitarbeiter eines externen Auftragnehmers für die NSA, den betroffenen Geheimdienst (es soll in den USA noch 22 andere geben), gearbeitet hat. Die Frage, die sich deshalb stellt: Ist es richtig, Dritte an so sensible Daten ran zu lassen?

Ein weiteres Phänomen ist die Reaktion breiter Bevölkerungsschichten. Sagen doch die Lehrbücher, dass durch massive Medienberichterstattung ein allgemein gültiges Verhalten geprägt wird. Dem ist ja wohl nicht so. Selbst als Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, bei Handygesprächen durch den großen Freund abhört worden war, erzeugten die Medien tagelang ein großes Erregungspotential bei den sogenannten und oft selbsternannten Eliten; bei den sogenannten breiten Schichten erzeugte es allenfalls Heiterkeit, oft auch eine indifferente Schadenfreude.

Quelle hierfür sind die Meinungsforschungs-Institute. Es wurde auch von diesen Eliten öffentlich gerügt, dass die ARD (Erstes Deutsches Fernsehen) keinen Brennpunkt nach den Nachrichten zu diesem Vorfall brachte. Wie richtig war das doch im Hinblick auf das breite Publikum. Und schaut man über die Landesgrenzen hinweg, ist Gleiches wahrzunehmen. In Italien war der britische Geheimdienst tätig – sein Auftrag soll auch Hilfe für die einheimische Wirtschaft beinhalten – mit dem Ergebnis, das Verständnislosigkeit und Desinteresse zu beobachten ist. In Frankreich ist zwar das nationale Ego gekränkt, aber ansonsten ist das eine Angelegenheit für „die da oben“. Ähnliches spielt sich auch in anderen Ländern ab. Ein internationales Phänomen also. Für das Kommunikationsmanagement zeigt es, dass mediales und politisches Handeln nicht immer mit dem Rezeptionsbedürfnis breiter Schichten (Konsumenten!) deckungsgleich sind. Und so kommt – zur Beurteilung der Wirksamkeit - der alte Lateinerspruch wieder zur Geltung: vox populi, vox dei. Das Mediale ist nicht immer Vox Dei.

Was ist zu empfehlen? Ich rate, mehr Briefe per Kurier zu schreiben. Aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte.

Ihr Klaus Peter Nebel


Prof. Dipl.-Bibl. Prof. h.c. Klaus Peter Nebel ist Leiter des Studiengangs Kultur- und Medienmanagement an der Lettischen Kulturakademie in Riga/Lettland. Von 2007 bis 2010 arbeite er als Professor für Marketing- und Unternehmenskommunikation an der UMC (University of Management and Communication), Berlin, Potsdam; In den Jahren 2007 und 2008 war er als Direktor der Konzernkommunikation der maxingvest AG, Hamburg tätig (Holding für Beiersdorf AG, Tchibo GmbH, tesa AG) und Leiter der Unternehmenskommunikation der Tchibo GmbH, Hamburg. Über 20 Jahre, von 1983 bis 2007 war er Leiter Presse & Public Relations der Beiersdorf AG in Hamburg.

Hinweis: Die Inhalte dieser "Kolumne" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.

Foto Header: Claus Friede

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