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Near The Pond. Foto: Søren Rønholdt

Der buddhistische Mönch und Poet Saigyō Hōshi (西行 法師); eigentlich: Satō Norikiyo wurde in Kyoto im Jahr 1118 geboren. Er gilt einer der wichtigsten Dichter Japans und Wegbereiter späterer Generationen.

In seiner eleganten Lyrik verschmilzt er Einflüsse von Shintoismus und Natur. Das, was 200 Jahre später durch Petrarca als kontemplative Naturerfahrung in Europa startete, hat Saigyō auf seinen Reisen bereits in Gedichtform formuliert.

 

Es ist aber nicht nur die Schönheit, Klarheit und Reduziertheit oder ein rein romantischer Blick auf die Natur, mit allen jahreszeitlichen Veränderungen den er fokussiert, sondern auch das Leben im Besonderen – er verband die politischen Rebellionen und Intrigen in einigen Werken mit seinen buddhistischen Auffassungen.

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In jener Zeit politischer Unsicherheit und Umwälzungen in Japan, in der die buddhistische Erlösung durch Politik, Militär und Herrscher-Clans in Frage gestellt wurde, blieb Saigyō seinen religiösen und asketischen Überzeugungen treu. Er verstarb 1190 im Hirokawa Temple nahe des heutigen Osaka.

 

Auf einer Reise nach New York stieß die schwedische Sängerin und Komponistin Josefine Cronholm auf ein Buch mit ins englische übersetzte Gedichten von Saigyō. Sie war von dem Werk fasziniert und fand in ihrem Trio die gleiche Begeisterung, was schließlich dazu führte, dass sich die Band intensiver mit der Poetik auseinandersetzte. Das soeben erschienene Album „Wild Geese“ ist das musikalische Ergebnis dessen.

 

Wie kann man sich der historischen japanischen Welt der Lyrik so annähern, dass es keine plumpe Aneignung wird, sondern zu einem transkulturellen, prozessualen Ausdruck zwischen nordischem Klang, englischen Texten und östlicher Poesie generiert?

 

Das ist den Musikern von „Near The Pond“ sehr gut gelungen, denn man denkt zu keiner Zeit an eine Adaption. Josefine Cronholms Gesang und der Klang der Band nehmen sowohl amerikanische Folklore als auch nordisch-skandinavischen Jazz auf. Eine Kombination aus Minimalismus, komplexen Rhythmen und Improvisation.

 

Als die Band 2021 ihr erstes Album veröffentlichte, hatte sie sich noch keinen Eigennamen gegeben. Das hat sich nun geändert: „Near The Pond“ steht für ein Kollektiv, eine Band von Gleichen, die ihren Sound individuell und künstlerisch erschaffen kann und keine Scheu vor außereuropäischer Inspiration hat.

 

Near The Pond COVERDas Kollektiv hat also einen eigenen Weg gefunden mit den Texten aus dem 12. Jahrhundert um zugehen und diese in ein sensibles musikalisches Gerüst einzubinden. Weder kommentier der Text die Musik noch andersherum. Alles scheint sich räumlich und zeitlich zu verbinden, ob Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

 

Saigyō hätte sich kaum vorstellen können, dass seine Worte in der ganzen Welt als etwas anderes als ein historisch und örtlich begrenztes Werk gelesen werden würden.

 

Die Gedichte sind im klassischen japanischen Waka-Stil formuliert; Kurzgedichte von 31 Silben, einfach und klar mit buddhistischer Tiefe. Dem wollten die Musikerauch musikalisch gerecht werden.

 

Josefine Cronholm sieht in den Texten des Dichters auch die Vision der Gruppe gespiegelt: „Viele der Gedichte könnten heute geschrieben worden sein. Saigyo kam aus einer sehr unterschiedlichen Zeit und Welt, aber wir ändern weder unseren persönlichen Sound noch unsere Herangehensweise an die Musik. Wir haben eine Form gefunden, die funktioniert, und wir entwickeln uns gemeinsam weiter."

Obwohl die Improvisation eine wichtige Rolle spielt, lässt sich die Musik nicht unbedingt nur auf das Jazz-Genre festlegen. Was sich jedoch entwickelt ist eine verbindende, kohäsive Energie.


Near The Pond: Wild Geese

Josefine Gronholm: Gesang, Percussion | Kirk Knuffke (Cornet, Gesang) | Thommy Anderson: Bass, Arrangements | Bent Clausen (Vibraphon, Schlagwerk, percussion |

Lena Fankhauser, Marta Potulska: Bratsche | Melissa Coleman: Cello (außer Nrn. 2, 4 & 6)

Label: Stunt Records | Vertrieb: in-Akustik

Vinyl, CD

EAN: 663993250125 (LP) 663993250113/

Weitere Informationen (Vertrieb)

 

Tracklist:
01 If Only (Saigyō / Josefine Gronholm) 4:58

02 Empty as Sky (Saigyō / Kirk Knuffke) 4:03

03 The Call of Wild Geese Far and Near (Saigyō / Josefine Gronholm) 4:40

04 Life's Long Sleep (Saigyō / Kirk Knuffke) 5:05

05 Winter Deepens in a Mountain Home (Saigyō / Thommy Anderson) 3:49

06 I know that's the Moon's Light (Saigyō / Kirk Knuffke) 5:15

07 Winter Night (Saigyō / Thommy Anderson) 3:20

08 Morning starts to Melt (Saigyō / Kirk Knuffke) 4:55

09 Time on my Pillow (Saigyō / Josefine Gronholm) 2:40

10 Only the Moon (Saigyō / Josefine Gronholm) 4:35

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