Kunsthandwerk, Grafik & Design
einfach gut. Design aus Dänemark

Design aus Dänemark genießt einen sehr guten Ruf. Den Fragen „warum“ und „was ist einfach und deswegen gut“, geht das Wilhelm Wagenfeld Haus in Bremen nach. In der Ausstellung werden teilweise berühmte Beispiele gezeigt als Objekt, als Fotografie oder Druck. Bezüge zu der und deren Geschichte werden konsequent hergeleitet und dargestellt.

Strukturiert ist die Ausstellung in sieben Räumen und in drei zeitliche Phasen. 1945 bis 1968: Wiederaufbau und Nachkriegszeit. Das klassische dänische Design; Gebrauchsgegenstände werden zu Ikonen – 1969 bis 1990: Der Überfluss der Wohlstandsperiode. Innovatives Design für neue Bereiche (Maschinen, Elektronik und Büromöbel) – 1991 bis heute: Die Spiegelung der Globalisierung. Design als Problemlöser in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Energie und Klima.

Wir kennen alle ein Grundproblem, dass wohl jeder von uns schon einmal hatte: schön designter Stuhl, nur darauf sitzen kann man nicht (lange). Es war gerade die Nachkriegszeit als dänisches Design international erfolgreich wurde, u.a. eben weil die dänischen Gestalter jener Zeit nach der Maxime arbeiteten: Niemals so avantgardistisch, dass man nicht ordentlich darauf sitzen könnte“. Sicherlich war das auch noch im Nachklang der Orientierung an Le Corbusier, das deutsche Bauhaus und die niederländische De Stijl-Bewegung zu sehen, die seit den 1920er Jahren immer noch wirkten, aber der Pragmatismus der 50er Jahre, insbesondere im rohstoffarmen Dänemark ist über Jahrzehnte deutlich sichtbar. Materialien wurden nicht importiert, die Designer arbeiteten schwerpunktmäßig mit Materialien aus der Umgebung: Leder, Seegras, Papiergarn, verschiedene Hölzer, Glas und Textilien.
Jørn Utzon (1918-2008), als Architekt berühmt durch den Bau des Opernhauses von Sidney, ist mit erst kürzlich entdeckten und produzierten stapelbaren Trinkgläsern (Spring [dt.: Quelle], 1957) vertreten. Die bauchige Form, typisch und sogleich optisch einordbar in die 50er sollten für Cocktails, Cognac und Wasser dienen.
Pragmatismus zeigt sich auch in Klassikern: die Hängeleuchten (Doo-Wop 1952) von Louis Poulsen wurde eigens für die dänische Marine entwickelt und sollte auch bei rauer See funktionieren. Formschön auch die „PH5“-Leuchte aus dem Jahr 1958 von Poul Henningsen. Beide hielten schon kurze Zeit später – und bis heute – Einzug in Büros und private Wohnbereiche. Diese Paradoxie, im Büro wie zuhause ästhetisch und funktionabel begründet sich – so die Kuratoren der Ausstellung, in einem Begriff, der „Hygge“ (gesprochen Hügge) heißt und mittlerweile sogar im Duden einen Platz fand. „Hygge hat seinen Ursprung nicht in der dänischen Sprache, sondern in der norwegischen, in der der Begriff so etwas wie „das Wohlbefinden“ bedeutet. Der Begriff tauchte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der dänischen Schriftsprache auf und seitdem haben die Dänen sich den Begriff zu eigen gemacht. Das Gute an „Hygge“ ist, dass es sich in alle Kontexte integrieren lässt“, heißt es in einem Tourismusführer aus Kopenhagen.

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Die zweite Phase erkennt der Besucher daran, dass die Bandbreite der entworfenen Objekte größer wird. Zwar sind auch hier Stühle, Tische und Lampen zu finden wie die Pendelleuchte „VP Globe“ vom Architekt und Designer Verner Panton (1926-1998) aus dem Jahr 1970. Futuristischer Chic ist von ihm auch in der ehemaligen Hamburger Spiegel-Kantine verwendet worden und fand zum Neubau der Spiegel-Zentrale – von Entwurfsarchitekt Ulrik Raysse vom Kopenhagener Architektenbüro Henning Larsen – seinen neuen Platz im Museum für Kunst und Gewerbe. Brillen, Typographien für modulare Beschilderungen, Telefone und TV-Monitore tauchen in jenen Jahren zu Hauf auf. Erik Magnussens (*1940) „Stelton Isolierkanne“ (1976) ist in der Schau ebenso zu finden wie Arne Jacobsens (1902-1971) Kanne „Cylinda Linie“ (1967) oder Nanna Ditzels (1923-2005) Trinidad-Stuhl (1993).
Zwei Räume sind ausschließlich dem „dänischen Stuhl“ gewidmet, wobei hier das Konzept insofern verlassen wird, dass die Besucher auch die historischen Bezugsstühle des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als Foto oder Druck sehen können.

Wie in so vielen Ländern hat die Entwicklung von Internationalisierung und Globalisierung auch vor Dänemark nicht halt gemacht. Seit den frühen 1990er Jahren stellen dänische Design-Unternehmen immer häufiger ausländische Mitarbeiter ein und kreieren damit ein neues Image sowie verbraucherfreundliche und nachhaltige Produktketten. Dadurch hat sich dänisches Design eine eigene Sparte aufbauen können: Gestaltung für exotische und weit entfernte Länder und individuelle Problemlösungen. Die Firma Verstergaard Frandsen, mit Sitz in der Schweiz, entwickelte bereits in den 1990gern Mückennetze für Malariagebiete, 2005 kam der „Life Straw“ hinzu, ein Miniwasserfilter, mit dem man Wasser von Bakterien, Parasiten und Chemikalien reinigen kann. Dieses kleine, an einen Stift erinnernde Objekt kann man überall, wo es kein sauberes Trinkwasser gibt in der Hosentasche mitnehmen. Mittlerweile entwickelte die Firma auch eine Produktpalette von größeren Life-Straw-Filtern, beispielswiese für Familien und Gemeinden.
Vergleichbares gilt für den „NovoLet Insulin-Pen“ (1989), an dem verschiedene Designer aus Dänemark und Norwegen arbeiteten. Die wiederauffüllbaren und farbig unterschiedlichen Stifte haben eine ganze Reihe von Funktionen, die Diabetes-Patienten das Leben einfacher machen. Novo Nordisk hat zwar seinen Hauptsitz in Dänemark, ist aber in 79 Ländern mit Mitarbeitern vertreten.
Ole Jensen (*1958) ist Keramiker, Handwerker durch und durch und traut der Gestaltung erst „Wenn ich diese mit meinen eigenen Händen und Fingern berührt habe“. Seine knallrote Spülschüssel ist zwar aus Gummi, wirkt aber wie ein aus Ton fabriziertes Objekt. Dieses und weitere wie das jüngste Stück, dass im Wilhelm Wagenfeld Haus zu sehen ist: der Aktiv-Lautsprecher von Beolit (2017) sind eingebunden in eine lange Reihe von großartigem Design von unserem nördlichen Nachbarn.

einfach gut. Design aus Dänemark

zu sehen bis zum 22.4.2019 im
Wilhelm Wagenfeld Haus, in 28195 Bremen
Öffnungszeiten:
Dienstag: 15-21 Uhr, Mittwoch bis Sonntag: 10-18 Uhr
Sonderöffnungszeiten/Feiertage
Heiligabend, Silvester: geschlossen; 1. Weihnachtsfeiertag: 12-18 Uhr; 2. Weihnachtsfeiertag: 10-18 Uhr; Neujahr: 13-17 Uhr
Eintritt: 5 € / 3,50 € ermäßigt

DesignerInnen und GestalterInnen:
Thomas Alken, Kay Bojesen, Poul Christiansen, Søren Ravn Christensen, Louise Campbell, Rosa Tolnov Clausen, Nanna Ditzel, Rasmus Bækkel Fex, Christina Liljenberg Halstrøm, Poul Henningsen, Arne Jacobsen, Hans Sandgren Jakobsen, Jacob Jensen, Ole Jensen, Sebastian Jørgensen, Finn Juhl, Karen Kjældgård-Larsen, Poul Kjærholm, Kaare Klint, Henning Koppel, Herbert Krenchel, Erik Magnussen, Cecilie Manz, Margrethe Odgaard, Verner Panton, Jens Quistgaard, Alexander Øivind Slaatto, Jesper K. Thomsen, Emil Thorup, Johnny Sørensen und Rud Thygesen, Jørn Utzon, Paul Volther, Hans J. Wegner, Stine Weigelt, Bjørn Wiinblad
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis
Header: einfach gut. Design aus Dänemark, Titelmotiv. Detail aus Spülschüssel und Bürste von Ole Jensen, 2002
Galerie:
01. Wilhelm Wagenfeld Haus. Foto: © BTZ Bremer Touristik-Zentrale
02. „PV Globe“, Pendelleuchte von Verner Panton, 1970. Foto: Claus Friede
03. Diverse Stühle „Herzstuhl“ von Hans J. Wegner, 1952; „Ankerstuhl“ von Stine Weigelt, 2017; „CH33-Stuhl“ von Hans J. Wegner, 1957. Foto: Claus Friede
04. Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
05. „Isolierkanne“ von Erik Magnussen, 1976
06. „PH5 Pendelleuchte“ von Poul Hennigsen, 1958/2013
07. „PH5 Pendelleuchte“ Beschreibung
08. Blick in die Ausstellung u.a. zu sehen der „LifeStraw“ sowie die „Spülschüssel“. Foto: Claus Friede
09. Blick über den „Coffee Table 90“ von Emil Thorup, 2016. Foto: Claus Friede
10. „Coffee Table 90“ Beschreibung

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