Musik
Berliner Symphoniker: Genealprobe mit Gastdirigent Gudni Emilsson. Foto: Jakob Tillmann

Am 19. Oktober, nachmittags um 15.30 Uhr, fand in der Berliner Philharmonie, unter der Leitung des isländischen Gastdirigenten Gudni Emilsson, mit den Berliner Sinfonikern ein in zweifacher Hinsicht ungewöhnliches ‚Doppelkonzert‘ statt.

 

Außergewöhnlich war einerseits, dass gleich zwei Klavierkonzerte auf dem Programm standen. Das 2. Klavierkonzert op. 18 in c-Moll von Sergei Rachmaninow vor der Pause, das 1. Klavierkonzert op. 23 in b-Moll von Piotr Tschaikowski zum Finale.

 

Also zwei wirkliche Schwergewichte aus dem Bereich der Solistenkonzerte. Wobei das Zweitgenannte tatsächlich, auf Grund seines Bekanntheitsgrades, etwas von einem Gassenhauer hat. Es gehört auf jeden Fall zu jenen Kompositionen, bei denen längst die Gefahr besteht, dass es zu Tode geritten wird.

 

Bemerkenswert war darüber hinaus, andererseits, dass zwei in der Kunstmusikszene gefeierte Pianisten engagiert worden waren: Gianluca Luisi brachte den Rachmaninow zu Gehör und der noch ‚blutjunge‘ Raffaele D’Angelo den Tschaikowski.

 

Das Entrée war das Vorspiel zu Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg (WWV 96).

 

Berliner-Symphoniker_01_Gianluca-Luisi_F_Jakob-Tillmann.jpg
Hervorzuheben ist zunächst, dass dieser Konzertnachmittag einer der ganz großen musikalischen Emotionen war. Denn da es sich bei den Meistersingern um einen Gesangswettstreit mit eindeutiger, wenngleich in einer Hinsicht bitter enttäuschter, Liebesintention handelt, ist auch bei dieser musikalischen Kurzeinleitung das Heldenhaft-Emotionale unschwer heraushörbar. Wobei der ansonsten für Wagners Musikschaffen in der Summe typische, verfließend-schwelgerische – cum grano salis das 12-Ton-Pathos – Sog in diesem Vorspiel von allenfalls sekundärer Bedeutung ist. Und entsprechend von dem, im übrigen fantastischen Orchester sozusagen kompositionskonform dargeboten wurde. Das Wagner-Pathos war zwar da, schwappte aber an keiner Stelle über.

 

Was das Klavierkonzert Nr. 2 von Rachmaninow betrifft, gehe ich davon aus, dass nicht nur mir sofort eine Wortkombination einfällt, die keine ganz unebene Gesamtcharakteristik beinhaltet. Ich spreche von anteilnehmender, hingebungsvoller und immer wieder auch besänftigender und ins Zart-Wehmütige tendierender Wärme vor allem in der Zwiesprache des 2. Adagio sostenuto-Satzes. Diese Form der Wärme, die die Grundlage jeder menschlichen Kommunikation ausmachen sollte, war in dem Zusammenspiel des Pianisten mit dem Orchester von der ersten Note an präsent. Vor allem gelang es dem Solisten, sich nicht in den Vordergrund zu spielen, sondern – primus inter pares – den Kontakt zu seinen Begleitern – ein mitteilendes Geben und Nehmen – konsequent durchzuhalten. Allenfalls in den Tutti-Passagen war mir sein Spiel ein ganz klein wenig zu unaufdringlich, was sich freilich auch so erklären lässt, dass meine Hörposition – relativ weit oben und schräg versetzt – nicht die allergünstigste gewesen ist. Bei den kraftvoll-verspielten Tausend-und-eine-Nacht-Phantasien des 3. Satzes mit seinen sprunghaften Kadenzen war er aber auf jeden Fall wieder auf der Höhe und auf eine angemessene Art präsent.

 

Seine zwei Chopin-Zugaben – und vor allem die zweite – fielen allerdings etwas zu ausführlich aus, so dass für den zweiten Solisten nur noch Zeit für lediglich eine Zugabe blieb, weil an diesem Abend an Ort und Stelle ein weiteres Konzert anberaumt worden war. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten der Anwesenden das als große Enttäuschung wahrnahmen, weil es eine unbedingte Freude gewesen wäre, diesem jungen Virtuosen nicht bloß bei seiner Schubert-Zugabe hingebungsvoll zu lauschen, sondern sich noch mindestens an einer Zugabe, welcher Art auch immer, zu ergötzen.

 

Kurz und schlecht, das Finale dieses Nachmittags hatte etwas abrupt Verhetztes, so dass man (also vermutlich nicht bloß ich und meine Begleitung) das unschöne Gefühl hatte, überrumpelt worden zu sein, also um etwas, das eigentlich hätte stattfinden müssen, betrogen worden zu sein.

 

Was den Tschaikowski angeht, muss ich mich zunächst in doppelter Hinsicht wiederholen. Zum einen war die Kraft des Klanges, die für dieses Konzert charakteristisch ist, unmittelbar präsent. Und auch das Zusammenspiel des Pianisten mit dem Orchester war ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe. Wobei, selbstredend, hier wie auch dort hinzugefügt werden muss, dass natürlich das Soloinstrument sich musikalisch exakt dort befand, wo es auch rein räumlich positioniert ist: im Vordergrund. Ohne sich doch dort demonstrativ zu positionieren.

 

Berliner Symphoniker F Jakob Tillmann

Generalprobe des Berliner Symphoniker. Foto: Jakob Tillmann

 

Die abgeduckte Feinfühligkeit des 2. idyllischen Andante-Satzes wurde so kommuniziert, dass – eventuell übertreibe ich ein wenig – eine wehmütige Betroffenheit den Saal ganz sanft einhüllte. Abgesehen natürlich von – was für ein Kontrast! – dem rasanten Passus über die französische Chansonette „Il faut s’amuser, danser et rire“ (Man muss sich vergnügen, tanzen und lachen).

 

Die triumphale Dynamik des spannungsreichen, von der schwebenden Leichtigkeit der russischen Volkstänze mit ihren Walzeranklängen durchwebten 3. Rondo-Satzes mit seinem, so noch nie gehörten – man denke – Klarinettenglissando und seinem Finale Furioso war natürlich ein Beschluss, der ohnehin zu Beifallsstürmen geradezu einlädt. Ohne, und das war in der Summe das Besondere dieses Konzertnachmittags, dass die beiden Pianisten, das Orchester und der Dirigent es unentwegt auf exakt diesen Effekt angelegt hätten. Nicht zuletzt und vor allem deswegen war dieses Konzert ein erweckendes, wirklich beglückendes, wirklich dankbares Ereignis.

 

Berliner Symphoniker Konzeart F Jakob Tillmann

Berliner Symphoniker. Foto: Jaokob Tillmann

 

Apropos der Dirigent. Gudni Emilsson verstand es auf eine außergewöhnlich feinfühlige Art – und also mit ganz wenig Aufwand –, die Struktur der Musik in die Bewegung seiner Hände umzusetzen. Er war auch in den Momenten sichtbar und dennoch unaufdringlich präsent, wenn das Orchester sich für ein paar Sekunden im Warte-, bzw. Vorbereitungszustand befand. So dass es, wenn man will, nie allein gelassen wurde. Seine Präsenz hatte etwas Väterliches, will sagen, die in das musikalische Geschehen Involvierten konnten sich sicher sein, in seiner liebevollen Geborgenheit vermittelnden Obhut nie und auf gar keinen Fall lediglich auf sich gestellt zu sein.


Forte & Piano

Am 19.10.2025 im Großen Saal der Philharmonie Berlin, Herbert-von-Karajan-Straße 1, in 10785 Berlin.

Berliner Symphoniker; Gudni A. Emilsson Dirigent

Gianluca Luisi: Klavier | Raffaele D’Angelo: Klavier

 

Programm:

- Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg: Vorspiel

- Sergej Rachmaninow: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18

Gianluca Luisi Klavier

- Peter Tschaikowsky: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23

Raffaele D’Angelo Klavier

Veranstalter: Berolina Orchester e.V./Berliner Symphoniker

Weitere Informationen (Berliner Symphoniker)

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment


Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.