Fotografie
Andreas Oetker-Kast: Auf der Suche nach wonderland

„wonderland – eine Reise durch Amerika – in Fotografie, Wort, Musik und Film" heißt ein Projekt des in Kiel lebenden Fotografen Andreas Oetker-Kast.
Schon bereits 2010 veröffentlichte Oetker-Kast ein Katalogbuch in der Reihe „ars borealis“ über seine Suche nach dem Wunderland in Schleswig-Holstein. Pendelte er damals zwischen Nordsee- und Ostseeküste, reiste er nun von Seattle nach New York über viele tausend Meilen amerikanischen Alltags, vorbei an San Francisco, durch die Wüste Nevadas, über Chicago und Boston. Knapp 12.000 Kilometer fuhr der Fotograf auf der Suche nach „wonderland“ zusammen mit seiner Frau und ihrem Hund.

Claus Friede traf Andreas Oetker-Kast zu den Vorbereitungen seiner Ausstellung und Projektvorstellung in Hamburg und sprach mit ihm über Fotografie, Heimat und amerikanischen Alltag.
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Claus Friede (CF): Wie kamen Sie auf die Projektidee zu „wonderland“?

Andreas Oetker-Kast (AOK): „wonderland“ ist in einen größeren Kontext eingebettet. Ich begann im Jahr 2007 mit einer Fotoserie in Schleswig-Holstein, die ich „wunderland“ nannte. Daraus hat sich dann ab 2011 die Fotoserie „wonderland“ mit Bildern und Texten aus den USA erweitert. Der eigentliche Überbegriff, der allen Serien zu Grunde liegt ist „Heimat“. Diesen verstehe ich nicht als geografischen Ort, sondern als emotionale Bestimmung: ein subjektiver Ort, eine Atmosphäre, ein Gefühl. Sprachlich ist „Heimat“ kaum übersetzbar. „Homeland“ meint etwas anderes. Dennoch habe ich versucht, Heimat und Homeland in den beiden Ländern Deutschland und USA fotografisch festzuhalten. Mich verbindet viel mit den USA, kam mit 16 Jahren das erste Mal fasziniert dort hin, später habe ich längere Zeit dort gearbeitet. Ich habe auch den Wandel des Landes miterlebt. Vielleicht ist es normal, dass man zu allem was einem Nahe ist immer auch ein gespaltenes Verhältnis hat. Das gilt insbesondere für die USA.

CF: Sind die USA denn auch „Heimat“ für Sie?

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AOK: Das ist schwer zu beantworten. In den USA habe ich oft die Momente des „Zuhause-Seins“, eine große Verbindung und vor allem, Dinge, die mich regelrecht dort hin ziehen. Ich fühle mich dort emotional eingebunden. Es wird einem dort außerdem nicht schwer gemacht sich „at home“ zu fühlen. Heimat ist sehr stark an bestimmte Emotionen geknüpft. Die können mit meiner Jugendzeit verbunden, oder an Bilder und Gegenstände an einem bestimmten Ort geknüpft sein, dann ist es eher Deutschland. Sie können aber auch mit späteren Erlebnissen, Eindrücken und Menschen zu tun haben, und hier spielt Amerika eine große Rolle.

CF: Wo ist die Verbindung zum Begriff „wunderland“ oder „wonderland“ zu finden?

AOK: Das ist recht prosaisch gekommen. Als ich in der Nähe von Seebüll fotografierte, dort, wo der Maler Emil Nolde lebte, sprang mich der Titel regelrecht an. In Noldes Autobiographie fand ich den Satz: „Mein Wunderland von Meer zu Meer“ und er meinte damit die ungeheure Vielseitigkeit der Landschaft, Farben und Menschen. Genauso habe ich es auch empfunden. Schleswig-Holstein ist zwischen den Meeren eine Aneinanderreihung von Wundern – wie die USA auch – nur in anderen Dimensionen. Außerdem wurden die USA schon früh auch metaphorisch als Land der unbegrenzten Möglichkeiten dargestellt, als ob es prädestiniert wäre für Wunder.

CF: Meine Konnotation zu „wonderland“ war eher eine künstliche Wunderwelt. Eine Kombination aus „Magic Mountain“, Disneyland“ und Hollywood Studios.

AOK: Dieses Amerika der Vergnügungsparks ist genau jenes Amerika, das mir überhaupt nichts sagt! Ich habe damit weder zu tun gehabt, noch hat es jemals mein Interesse geweckt. In Disneyland war ich zwar als Jugendlicher und auch in Las Vegas war ich mal, aber beides lässt mich kalt. Alice in Wonderland fällt mir noch ein, aber darum geht es in meiner Arbeit nicht.

CF: Womit haben die Bilder, die nun erstmalig in Hamburg ausgestellt werden zu tun?

AOK: Die Reise begann in Seattle im Staate Washington und endete in New York City. Einmal querdurch das Land. Die Ausstellung zeigt jedoch keine chronologische Reisedokumentation, sondern besteht aus einer Aneinanderreihung von ausgewählten künstlerischen Bildern, die im Grunde lediglich Fragmente und Momente zeigen. Sie haben zwar jeweils einen Ortsbezug, der ist aber nicht von primärer Wichtigkeit und nicht als Abfolge einer Route zu verstehen. Ich habe mich bei der Auswahl davon leiten lassen, was mich persönlich, ganz subjektiv mit den USA verbindet und was ich assoziiere. Mir war wichtig, dass die Bilder mehr Fragen stellen als beantworten.
Meine gelebten Augenblicke der Reise können per se nie die gelebten Augenblicke des Betrachters der Ausstellung sein oder werden. Also muss der Ausstellungsbesucher andere Augenblicke erhalten, die er selbst zusammensetzt oder mit seinen eigenen USA-Erinnerungen füllen kann, so er welche hat. Sehr häufig sehe ich die Bilder schon, bevor ich den Auslöser betätige: Ein Schild in der Wüste, Blechschornsteine auf einem Dach in Brooklyn. Eines meiner Lieblingsbilder ist ein Karussellpferd, das eine Baseball-Kappe trägt und hinter einem dünnen Fliegengitter sein Dasein fristet.
Im Buch sind allerdings noch weitere Fotos zu finden, die nicht in der Ausstellung hängen werden. Das Projekt besteht nämlich aus drei Komponenten: Fotografie (Ausstellung und Buch), Text (Buch) und einen Film (DVD), den ich zusammen mit meiner Frau Angelika gemacht habe. Der subjektiven Fotografieabfolge stehen ein Text und die DVD gegenüber. Letztere beschreiben und zeigen Stationen der Reise in chronologischer und erzählerischer Folge.

CF: Ich finde in den Fotos viele typische amerikanische Situationen, die ich nur dort verorten würde und ganz viel Normalität. Keine bekannten Sehenswürdigkeiten, keine spektakulären Orte, keine Dramatik, was wir medial allzu häufig aus den USA geliefert bekommen. Ist das Ihr Anspruch, Normalität zu zeigen?

AOK: Mich interessiert das Nebensächliche, weil ich glaube, dass dort viel mehr drinsteckt als im Offensichtlichen und weit mehr als wir erahnen. Mir erzählen Details andere Dinge als das große Ganze. Außerdem verbinde ich mit Nebensächlichem andere Gefühlswelten und stärkerer Bodenhaftung. Es ist eine Art Realismus, den ich übrigens auch bei Edward Hopper schätze, wenn ich den Vergleich ziehen darf. Ich suche den kurzen Moment zu einer bestimmten Tageszeit, an einem bestimmten Ort und ein bestimmtes Gefühl des festhalten Wollens.
Amerika zu fotografieren hat eine lange Geschichte mit sehr vielen Protagonisten, dennoch ist es für mich die Herausforderung gewesen mein „wonderland“ subjektiv zu entdecken. In der Zusammenstellung gehe ich dann eher vor wie ein Filmmacher, mich interessiert nicht so sehr das einzelne Bild, sondern vielmehr die Sequenzen und Geschichten. Ich zeige aber nicht alle Bilder und schon gar nicht in einer linearen Reihenfolge. Dadurch wird das ganze Projekt abstrakter, weil die Zwischenräume nicht mehr meiner Geschichte entsprechen müssen.

CF: Dadurch dass Bilder, Auswahl und Abfolge so subjektiv sind entsteht bei mir die Frage was mit dem Betrachter passiert. Gibt es da Ihrerseits eine Vorstellung oder vielleicht eine Erwartung?

AOK: Meine Erfahrung ist – wie ich das schon vorher angedeutet habe – dass meine Wahrnehmung sowieso nicht der des Betrachters entspricht. Das ist bei einem Fotoprojekt wie „wonderland“ auch überhaupt nicht zu erwarten. Mit gefällt es vielmehr, wenn die Wahrnehmungen der Ausstellungsbesucher sehr unterschiedlich sind und wir vor den Bildern darüber sprechen können. Das ist für mich ein eigener Reiz. Ich erwarte, dass die Besucher der Ausstellung sich darauf einlassen, sonst nichts.


Andreas Oetker-Kast ist freiberuflicher Fotograf, wohnhaft in Kiel. Nach dem Studium der Soziologie hat er sich erst für eine Karriere in einer internationalen Public Relations-Agentur entschieden, zunächst sechs Jahre in Deutschland, dann zweieinhalb Jahre in den USA. Seit 2003 lebt er wieder in Deutschland, 2004 folgte der Einstieg in die professionelle Fotografie mit einer Spezialisierung auf dokumentarische Fotografie und Musik. Von 2006 bis 2009 war er Seminarteilnehmer an der Ostkreuz-Schule für Fotografie, Berlin, zuerst unter der Leitung von Michael Trippel (2006), von Mai 2007 bis 2009 unter Werner Mahler. Seit 2006 wurden freie Arbeiten und Projekte in Einzel- und Gruppenausstellungen sowohl in Deutschland als auch international ausgestellt und als Katalog oder Buch publiziert worden. Einige seiner Fotowerke befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen.


„auf der Suche nach wonderland“
Zu sehen vom 10. bis 30. April 2013 im Amerikazentrum Hamburg e.V., Am Sandtorkai 48, in 20457 Hamburg
„auf der suche nach wonderland“ ist ebenso eine Buch/DVD-Kombination im Schuber, die anlässlich der Fotoausstellung vorgestellt wird (ISBN: 978-3-9815444-0-4) (DVD 34 Min.). Das Buch ist zweisprachig (dt./engl.) im bt:st-Verlag Kiel erschienen, hat 124 Seiten und ist für 49 Euro zzgl. Versandkosten zu bestellen unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Fotonachweis: Alle © Andreas Oetker-Kast

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