Bildende Kunst
„The World of Tim Burton“

„Edward mit den Scherenhänden“, „Beetlejuice“ oder „Frankenweenie“: Regisseur und Produzent Tim Burton fängt seine charmant-morbiden Geschichten in ebenso surreal-grotesken Bildwelten ein. Die Ausstellung „The World of Tim Burton“ im Max-Ernst-Museum Brühl gibt bis Januar 2016 Einblicke in den Schaffensprozess des eigenwilligen, amerikanischen Filmemachers.

Dass Tim Burton mal bei Walt Disney angestellt war, mag man kaum glauben: Ein wenig zu düster für Kinderaugen wirken seine Welten voller Gruselmonster, zusammengeflickten Körpern und untoten Gestalten. Und doch ist es die Trickfilm-Märchenfabrik, die den jungen Animationszeichner nach seinem Uniabschluss unter Vertrag nimmt. Die zuckersüße Disney-Flauschewelt mit ihren hopsenden Tierfiguren, wie er sie u.a. für den Film „Cap und Capper“ (1981) entwirft, ist aber langfristig nichts für Tim Burton. Als leidenschaftlicher Science-Fiction- und Horrorfilm-Fan kehren seine zeichnerischen Entwürfe immer wieder zu seinen skurrilen, bizarren und schauerlichen Charakteren zurück. Puppen, Fabeltiere, körperlose oder stark versehrte Kreaturen, oft durch tellergroße Augen leicht naiv-hilflos dreinblickend, aber dennoch nie ganz unschuldig – so erschafft Burton seine morbiden Fantasiewelten, festgehalten in Notizbüchern, auf Servietten, in Zeichenblöcken. Irgendwann will der exzentrische Zeichner seine Feder nicht mehr an den Mickey-Maus-Konzern verleihen und steigt aus, um eigene Projekte zu realisieren. Der Spagat zwischen Morbidem und Mainstream gelingt dem Regisseur: Heute feiert man Tim Burton als „Meister-Auteur“ des fantastischen Kinos.

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Einblicke in die Entwicklung seines bildkünstlerischen Schaffens gibt jetzt eine Wanderausstellung: „The World of Tim Burton“ ist nach den Stationen in Prag, Tokio und Osaka im eher beschaulichen Brühl eingekehrt. Über 500 Skizzen, Bilder, Zeichnungen, Fotografien, persönliche Dokumente und Storyboards, aber auch Puppen, Modellbauten und Filminstallationen sind zurzeit im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR zu sehen. Von frühen Arbeiten, verworfenen und abgelehnten Projekten, bis zu den ganz großen Erfolgen des Filmemachers wird hier die skurrile Vorstellungswelt von Tim Burton zugänglich gemacht. Deutlich sind einige rote Fäden in seinem kreativen Arbeitsprozess zu erkennen: Die Vorliebe für den Kinderreim, für verzerrte Dimensionen und Formen, der schwarz-weiße oder knallbunte Bildkosmos, das überall beigemischte Element von Tragik und Verwesung. Dass Tim Burton dann seine Ideen und Entwürfe in verschiedenen Medien ausprobiert, lässt sich direkt miteinander vergleichen.

„Burtonesk“ nennt man den Stil, der die charakteristischen Eigenschaften eines Werks von Tim Burton trägt, und heißt soviel wie bizarr, schaurig, düster. Mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter als Stammschauspielern sind Filme entstanden, die sich tief ins popkulturelle Gedächtnis eingegraben haben: „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Corpse Bride“ oder jüngst „Alice im Wunderland“. Trotzdem verzichtet die Ausstellung „The World of Tim Burton“ bewusst auf Star-Glitzer-und-Glamour Hollywoods, den die steigende Popularität von Tim Burtons Filmen so mit sich bringt, und konzentriert sich stattdessen auf die künstlerische Seite im Schaffen des Filmemachers. Obwohl die gezeigten Werke biografisch und nach zentralen Arbeitsschwerpunkten des Regisseurs angeordnet sind, tritt die Person Tim Burton hier kaum in Erscheinung; keine Porträtbilder, keine Zitate, kein Rotes-Teppich-Winken. Dass der Fokus ganz bei den Exponaten liegt, reicht vollkommen: Auf drei Ebenen gibt es mehr als genug zu sehen, auch wenn es nicht die allseits bekannten Filmausschnitte sind. Vereinzelte interaktive Elemente (wie ein verdunkelter Kubus, der mit Taschenlampe betreten werden muss) lockern die dicht gehängte Bilderwelt zusätzlich auf.
Der samstägliche Besuch zeigt: „The World of Tim Burton“ ist ungemein beliebt. Die Eintrittsschlange muss an der Museumstür grüppchenweise eingeteilt werden, um allzu viel Gedrängel zu vermeiden, ebenso dicht stehen Besucher an der Museumshop-Kasse, um den zugehörigen Katalog und allerlei bizarren Merchandise-Schnickschnack zu erstehen (Skelett-Jenga oder Totenkopf-Pappmaske gefällig?). Der Name Burton zieht also, auch wenn die Ausstellung dankenswerterweise wenig event-und spektakelhaft daherkommt. Einige mutige Eltern haben sogar ihre Kinder ins Horrorkabinett mitgebracht, und tatsächlich scheinen sich die Kleinen kaum an den abgehackten Extremitäten und hervorquellenden Augen zu stören, die da von den Wänden starren. Dass das weihnachtliche Puppenhaus mit Dudelmusik bei näherem Hinsehen aber eine Mordszene beherbergt, lässt vielleicht doch darüber nachdenken, ob die Welt für Tim Burton wirklich für jedermann gemacht ist. Für Fans des Skurrilen und Fantastischen ist die Ausstellung aber ein Muss.

„The World of Tim Burton“
zu sehen bis zum 3. Januar 2016 im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR,
Comestr. 42 / Max-Ernst-Allee 1, in 50321 Brühl (Rheinland)
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag: 11-18 Uhr; Montags geschlossen
Eintritt Erwachsene 9,50 €, ermäßigt 5,50 €. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.


Ausstellungstrailer
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis: © 2015 Tim Burton
Header: Tim Burton mit seinen Gemälden von Margaret Keane. © Foto: Leah Gallo
Galerie:
01. Blue Girl with Wine, um 1997, Öl auf Leinwand, 71,1x55,9 cm, Privatsammlung
02. Surrounded, 1996, Öl und Acryl auf Leinwand, 91,4x121,9 cm, Privatsammlung
03. Ohne Titel (The Melancholy Death of Oyster Boy and Other Stories), 1997, Tusche und Pastell auf Papier,
15,2x20,3 cm, Privatsammlung
04. Ohne Titel (The World of Stainboy), 2000, Tusche un Aquarell auf Papier, 22,9x30,5 cm, Privatsammlung.
05. The Last of Its Kind, 1994, Acryl auf Leinwand, 50,8x40,6 cm, Privatsammlung
06 Ohne Titel (Creature Series), 1998, Tusche auf Papier, 30,5x22,9 cm, Privatsammlung
07. Saucer and Aliens, um 1972–1974, Öl und Acryl auf Leinwand, 61x76,2 cm, Privatsammlung
08. Ohne Titel (Reindeer in Snow), um 1994–1999, Acryl, Öl und Pastell auf Papier, 43,2x35,6 cm, Privatsammlung
09. Tim Burton im Max Ernst Museum am 14.08.2015. Foto Julia Reschucha LVR-ZMB
10. Signierstunde von Tim Burton im Max-Ernst-Museum

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