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In den vergangenen 20 Jahren war Markus Sieber viel unterwegs. Sein wandernder, nomadischer Lebensstil hat ihn von der Hausbesetzer-Szene Berlins in abgelegene Dörfer Mittel- und Südamerikas bis nach Colorado geführt, wo er sich nun eine beständige Basis aufgebaut hat.

 

Mit Hilfe seines musikalischen Projekts Aukai nahm Sieber die Hörer*innen mit auf seine Wege: die beruhigenden Klänge seines Charangos - ein südamerikanisches Saiteninstrument, das er sich angeeignet und auf ein neues ausdrucksstarkes Niveau geführt hat - führt uns durch faszinierende Landschaften. Seen, Wasserfälle, Wälder und Gebirge sind alle durch Aukais einzigartigen Sound zum Leben erweckt worden – ein Sound, in dem er gegenwärtige klassische und südamerikanische Folk- Einflüsse vermischt, um einen magischen Sinn des Entdeckens zu vermitteln. Aukais neues Album „Apricity“ führt das Publikum nun zu neuen satten, filmischen, akustischen Ausblicken – dennoch ist die Stimmung dieses Mal zurückhaltender mit elf musikalischen Meditationen gestaltet, die in Richtung eines insgesamt reiferen Musikers deuten. „Apricity“, ein altenglisches Wort, das die Wärme der Sonne im Winter beschreibt, enthält weniger treibende Kraft und dafür mehr Stille; Erhabenheit und Prunk werden durch eine tiefe Intimität ersetzt und die Scheu vor dem Reiz des Neuen macht einer Wertschätzung der leisen Annehmlichkeiten Platz.

 

„Es ist eher eine innere Reise“, merkt Aukai zum Album an. „Ich denke, meine Alben der vergangenen sechs Jahre sind in ihrer Komplexität und Dichte irgendwie gestiegen und plötzlich hat sich meine Stimmung drastisch verändert, alles schien so laut und unruhig und es entstand ein Verlangen für mehr Schlichtheit und einen viel intimeren akustischen Sound.“ Der Musiker führt zwei Gründe an, die zum Richtungswechsel inspiriert haben könnten: ein achtmonatiger Aufenthalt in Irland und der Erwerb einer neuen Oktavgitarre. Das neue Instrument brachte alle Formen des Experimentierens, die auf „Apricity“ zu hören sind, ein – und sein größerer Corpus ermöglichte zusätzliche Resonanz und Sustain um einen insgesamt wärmeren Sound zu schaffen. Weiterhin brachte der Aufenthalt in Irland etwas Einsamkeit, die wiederum zur Selbstbeobachtung des Musikers und der Musik führte. Aber vor allem bot sie Aukai einen Perspektivwechsel auf das, was wichtig ist: in der Trostlosigkeit der Wintermonate erfüllten ihn nur ein paar Momente draußen in der Sonne mit Freude: er genoss die Wärme, wenn sich die Wolken plötzlich lichteten: „auf dem Album geht es sehr viel um die Wertschätzung dieser einfachen Dinge im Leben“, sagt er.

 

Aukai ApricityDiese Wertschätzung und Dankbarkeit für die grundlegenden Dinge ist ein wiederkehrendes Motiv auf dem Album. Im Track Leaning reflektiert Aukai über diese zarten Momente im Leben, in denen wir uns danach sehen, uns an jemanden anzulehnen, aber zu stolz oder zu schüchtern sind, um Unterstützung zu erbitten. „Vielleicht haben wir uns selbst zu viel unter Druck gesetzt, vielleicht mühen wir uns im täglichen Leben ab und kommen an einen Punkt, wo wir uns leer und schwach fühlen und alles in Frage stellen“, überlegt er, „und alles, was wir wollen, ist uns einen Moment zurücklehnen, träumen, und von jemandem aufgefangen fühlen – einem guten Freund oder einer guten Freundin oder einem Liebhaber bzw. einer Liebhaberin. Oder uns einfach nur an einen Baum lehnen, einen Felsen – einen Moment haben, in dem wir getragen werden, gestützt und umsorgt.“ In dem Track sind es die feinen Klaviernoten, Cello-Akkorde und der Gesang der Tänzerin Sita Ostheimer, die die so ersehnte Umarmung ermöglichen. Zusammenarbeiten waren immer ein wichtiger Aspekt in Aukais musikalischer Entwicklung und wie man es von jemandem, der überall auf der Welt Freunde hat, erwarten kann, sind die Beiträge auf Apricity wahrhaft global. Abgesehen von Langzeitkomplizin Sita Ostheimer schickte Anne Müller Cello-Segmente aus Deutschland, während Bogdan Djukics Geigen-Parts im Jungle von Tulum, Mexiko, aufgenommen wurden. Dann ist da noch die spontane Beteiligung von AWARÉ, einem neuem musikalischen Projekt angeführt durch Djukic und dem argentinischen Sänger und Gitarristen Matias da Via. „Wir haben für Matias nicht mal ein anständiges Gesangsmikro benutzt und einen, höchstens zwei Takes aufgenommen,“ sagt Aukai über die Beteiligung des Duos an den Tracks Dayal und Weavers. Gerade bei Weavers kamen viele Ansprüche Aukais zusammen. Der Track vereinigt drei Künstler, deren Sounds – Charango, Gitarre und Geige – nahtlos ineinander verwebt wurden zu einer verzaubernden Ode an die Freundschaft. „Ich pflege wundervolle Freundschaften in allen Teilen der Welt und ich frage mich oft, was es ist, das uns trotz der Entfernungen eng im Herzen zusammenhält und alles so vertraut anfühlen lässt, wenn man sich wieder trifft. Als ich ‚Weavers‘ skizziert habe, kam in mir eine große Dankbarkeit für diese Verbindungen hoch und so wollte ich, dass dieses Stück fast wie zeremonieller Gesang wird, eine Hymne auf diesen Bindung zwischen gleichgesinnten Menschen, die sich gegenseitig unterstützen, egal was ist“, sagt Aukai.

 

In vielerlei Hinsicht zeigt „Apricity“ einen Aukai, der zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Nach dem jahrelangen Experimentieren mit neuen Texturen, Polyrhythmen und Dynamiken, dem immer neuen Hinzufügen von Schichten, Beats und Synthesizern in seiner Musik führt dieses Album Aukais erste selbst-betitelte Veröffentlichung fort, auf der er sich den Klängen mit einer schlichteren und fragmentarischeren Art und Weise näherte und etwas schaffte, was er als „kurze, filmische Klanggedichte“ bezeichnet. Der schwedische Fotograf Dan Isaac, der seinen träumerischen Blick dem Artwork des ersten Albums verlieh, kehrt ebenso auf „Apricity“ mit einem weiteren stimmungsvollen Polaroid zurück. Das Foto ähnelt der Musik: ein romantischer wasserfarbener Traum, der uns zuwinkt in das Reich der Stille und Gelassenheit.


Aukai: Apricity

Formate: CD & Digital

Artwork of Dan Isaac Wallin

 

Tracklist:

1. Azure

2. Lomita

3. Café Papantia 4. Leaning

5. Lumi

6. Dayal

7. Inward Road

8. Chaumasse

9. Forest Scene

10. Weavers

11. Daylight

(gesamt: 32:57 Min)

 

YouTube-Video:

Inward Road by Aukai ( feat. Anne Müller) | Official Music Video (1:55 Min.)

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