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Sunset Film

„Sunset” ist eine atemberaubende verstörende Vision, hinter deren unfassbar exquisiter Schönheit sich der Horror selbstzerstörerischer Zivilisationen verbirgt. Budapest, 1913 am Vorabend des Ersten Weltkriegs, László Nemes kreiert ein Labyrinth ständig wechselnder Eindrücke und Empfindungen. Korruption, Gewalt, wohl getarnter Menschenhandel, Sadismus, die Schreie der Aufständischen hallen durch die Straßen, lodernde Flammen inmitten morbider Pracht.

Der ungarische Regisseur und Oscar-Preisträger („Son of Saul”) will den Zuschauer mit der eigenen Zerbrechlichkeit und Ungewissheit konfrontieren, ihm geht es vorrangig um subjektive Erfahrung nicht die chronologische Aufarbeitung von Historie. Seine Protagonistin, eine junge Hutmacherin, entwickelt sich auf der Suche nach Wahrheit zur spröden Johanna von Orléans, das Geheimnisvolle aber bleibt unergründlich.

 
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Zwischen den Zeilen Film

„Zwischen den Zeilen” ist Dialektik für Genießer, ein ironisch scharfsinniges Sittengemälde mit philosophischem Touch: Elegant, überbordend, voller Pointen, Anspielungen, Anekdoten, mit hinreißenden Dialogen, amüsant und manchmal spannend wie ein Spionagethriller.
Während der französische Regisseur Olivier Assayas seine Protagonisten über den kulturellen und digitalen Wandel im Literaturbetrieb diskutieren lässt, geht es eigentlich um Liebe, Ehe, heimliche Beziehungen, die Angst vor Veränderung, sie alle führen ein Doppelleben, so lautet auch der französische Originaltitel: „Doubles Vies”.

 
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High Life Claire Denis und die Ohnmacht der Begierde

Ihre Odyssee durchs Weltall möchte Regisseurin Claire Denis nicht als Science Fiction Film verstanden wissen. Die Grande Dame des französischen Arthouse Kinos inszeniert „High Life” als apokalyptische Vision selbstzerstörerischen Verlangens und unerträglicher Einsamkeit: Radikal, suggestiv, poetisch, kompromisslos, von manchmal betörend grausamer Schönheit.
Das implodierende Schuld- und Sühnedrama fordert den Zuschauer heraus wie kaum ein anderes Leinwand-Epos der letzten Jahre. Hier dominiert die Bewegung, der Körper. Seine Narben, Verletzungen, Zerfall, Sekrete, Blut, Sperma ersetzen Landschaften und Gefühle, entwickeln eine ureigene Sprache zwischen alttestamentarischer Parabel und den Traumata der Gegenwart.

 
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All My Loving Film

Mit einem untrügerischen Gespür für die menschlichen Untiefen erzählt Regisseur Edward Berger in „All My Loving” von den Verirrungen und Verletzungen, die uns daran hindern glücklich zu sein. Familie, das steht nur zu oft für Reglementierungen und Kränkungen, aber auch für ihr großes Versprechen von Zusammenhalt, Geborgenheit und unbedingter Liebe.
Es ist die Geschichte dreier grundverschiedener Geschwister, die scheinbar außer ihren kleinen Querelen wenig verbindet. Chaos, Leere, Unsicherheit, alle drei sind an einem Punkt angelangt, wo sie der Realität nicht länger ausweichen können, sich notgedrungen neu erfinden müssen. Der feine lakonische Humor nimmt dem Drama jede endgültige Bitterkeit. Ein wundervoll konstruierter Episodenfilm.

 
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Stan und Ollie Film

Sie waren das erfolgreichste Comedy-Duo der Filmgeschichte: Stan Laurel und Oliver Hardy. Millionen lachten über ihre hinreißenden Sketche, den skurrilen Wortwitz. Als „zwei, die der Himmel geschickt hat“, bezeichnete sie der Schriftsteller J.D. Salinger und Samuel Beckett sah in ihnen die Idealbesetzung für „Warten auf Godot“. „The Boys” nannten ihre Fans sie liebevoll.
„Stan & Ollie” ist kein konventionelles Bio-Pic, John S. Bairds charmant melancholisches Leinwand-Epos konzentriert sich auf wenige Wochen im Leben der beiden Künstler, die Zerreißprobe ihrer Freundschaft. Es wechselt zwischen Tragik und Komik, erzählt von der Angst vor dem Alter, der eigenen Bedeutungslosigkeit, von Konkurrenz, Verrat, Abschied und einer Loyalität, die uns zu Tränen rührt.

 
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Ray und Liz

Mit „Ray & Liz” re-kreiert der britische Regisseur und Fotograf Richard Billingham den Mikrokosmos seiner Kindheit im sozialen Abseits Birminghams: Erinnerungen zwischen Zorn und Zärtlichkeit, Abscheu, widerwilligem Mitleid und widerspenstigem Stolz. Er inszeniert dieses fragmentarische Familien-Porträt mit verstörender Akribie als Tryptichon äußerer und innerer Zerstörung.
Der Film ist Bestandsaufnahme, ästhetische Spurensuche ohne jede Schuldzuweisung. Wie verändert Armut den Menschen? Lassen die Bilder der eigenen Vergangenheit ihn jemals wieder los, unabhängig davon, ob irgendwann die Flucht gelingt? Der Künstler eröffnet uns einen völlig neuen visuellen Zugang in jene schäbig groteske Welt unerträglicher Gefühlskälte, Einsamkeit und Stumpfsinns.

 
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Ein letzter Job

Das Alter ist ein besonders tückischer gefräßiger Moloch, die Zeit drängt, doch Schauspieler wie der 86jährige Michael Caine in „Ein letzter Job” trotzen ihr, machen den Gegner zum Komplizen: Wir sind hingerissen von Caines kühler Ironie, seinem Wortwitz und jener Verletzbarkeit, die wir selbst fürchten, ignorieren, bekämpfen. Hier wird sie voll ausgespielt.
Der britische Regisseur James Marsh inszeniert den legendären Hatton-Gardens-Einbruch anfangs als amüsant melancholische Kriminalkomödie, ein geschicktes Täuschungsmanöver, denn es geht in Wirklichkeit um Macht und Gier, den Kampf mit sich selbst, Loyalität, Verrat, den ewigen Traum vom großen Coup, die Angst vor Armut, Leere, Einsamkeit, der eigenen Bedeutungslosigkeit.

 
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Border

Ali Abbasis Film „Border” ähnelt einem eigenwilligen scheinbar unberechenbaren Wesen, das die Genres abstreift wie lästige Kokons. Es wächst, gewinnt an poetischer Kraft und absurder Komik, entzieht sich immer mehr der Realität, und lässt sie doch nie außer Acht. So wird aus dem Nordic Noir bald eine beklemmende Love Story, die zum Horror-Mystery-Drama mutiert mit der finsteren Entschlossenheit skandinavischer Sagen.
Das Phantastische verbirgt sich hinter dem fälschlich Vertrauten. Protagonistin ist Tina (grandios Eva Melander), die schwedische Grenzbeamtin besitzt eine außerordentliche Gabe, sie kann Gefühle wie Scham, Schuld, Wut und Angst riechen, entlarvt Täter ob Drogenschmuggler oder Pädophile.

 
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Willkommen in Marwen

US-Regisseur Robert Zemeckis durchbricht seit Jahrzehnten immer wieder gezielt die Grenzen zwischen den Genres, zwischen Spielfilm, Animation und Cartoon, revolutionierte so behutsam den Mainstream. Mit „Forrest Gump” kreierte er einen neuen Heldentypus fern protzender Supermann-Qualitäten, mit „Zurück in die Zukunft” setzte er die Zeit außer Kraft.
Der Oscar-Preisträger lehrte uns Macht und Tücken der Fantasie. „Willkommen in Marwen” ist eine Suche nach Identität, signalisiert das Ende traditioneller Geschlechterrollen. Hier marschieren kämpferische Barbie-Puppen im Stechschritt zu den Klängen von „Addicted to Love”, greifen zu den Gewehren, um ihren Captain gegen seine Nazi-Verfolger zu schützen. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten, schildert, wie der schwer traumatisierte Mark Hogancamp (Steve Carell) nach einer fast tödlichen Prügelattacke, sich eine imaginäre Welt als Refugium schafft: Kunst als Form des Überlebens.

 
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Vorhang auf für Cyrano

Die Filme von Steven Spielberg und Robert Zemeckis waren unverzichtbarer Teil seiner Kindheit. Jene Blockbuster setzte sich Alexis Michalik später als Maxime für seine Theaterinszenierungen: Klar, virtuos, populär, intelligent ohne intellektuelle Spitzfindigkeiten aber mit einem unverwechselbarem Rhythmus. „Ich will, dass es swingt,” sagt der 36jährige Regisseur und Autor, sein Publikum in Frankreich ist begeistert von ihm.
Michaliks Kino-Debüt „Vorhang auf für Cyrano” schildert die turbulente Entstehungsgeschichte der romantischen Tragikomödie „Cyrano de Bergerac” über den heroischen Poeten mit der riesigen Nase. Fiktion und Reflexion der Wirklichkeit verschmelzen ähnlich wie in John Maddens „Shakespeare in Love”, werden zu einer hinreißenden Hommage an die Welt der Bühne.

 
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Beale Street

Woher die innere Kraft nehmen zum Widerstand? Wie sich wehren als Schwarzer gegen die täglichen Demütigungen des Rassismus? Der afroamerikanische Autor James Baldwin war Ikone der Bürgerrechtsbewegung und Gay Community. In einer Welt von Gewalt proklamierte er Liebe als Akt der Rebellion.

Sein 1974 erschienener Roman „If Beale Street Could Talk” galt lange als unverfilmbar. Nun hat „Moonlight”-Regisseur Barry Jenkins jene Chronik juristischer Willkür für die Leinwand adaptiert. Entstanden ist eine schwermütige suggestive Lovestory von unglaublich betörender, schmerzhafter Schönheit. Wahrlich ein Meisterwerk.

 
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Der Goldene Handschuh Film

„Der Goldene Handschuh”, jenes Hybrid aus Charakterstudie und Horrorfilm, polarisiert Kritiker wie Zuschauer: Regisseur Fatih Akin inszeniert wagemutig Heinz Strunks gleichnamigen Bestsellerroman als Plädoyer für den Voyeurismus, gibt Ekel und Würde eine neue tiefere Bedeutung.

Das klaustrophobische Kammerspiel über den Serienmörder Fritz Honka (grandios Jonas Dassler) entwickelt sich in seiner Radikalität zum ästhetisch atemberaubenden ungeschönten Gesellschaftspanorama der 70er Jahre, deutlich spürbar der Einfluss von Charles Bukowski und Rainer Werner Fassbinder.

 
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Frühes Versprechen

Er war Schriftsteller, Kampfflieger für die Luftwaffe der France libre, Generalkonsul in Los Angeles, Filmregisseur und Ehemann von Jean Seberg: Romain Gary (1914–1980). Mit „Frühes Versprechen” verwandelt Eric Barbier den gleichnamigen autobiographischen Roman des genialen Autors und zweifachen Prix-Goncourt-Trägers in eine schillernde bildgewaltige manchmal fast groteske Tragikkomödie.
Das opulente Leinwand-Epos ist zugleich zornige Anklage wie auch verzweifelte Liebeserklärung an jene wilde, verrückte Mutter, Nina Owczinski, die von ihrem achtjährigen Sohn unerbittlich zukünftige Heldentaten einfordert, Künstlerruhm und politische Erfolge. Die Welt soll ihrem Jungen zu Füßen liegen, Nina schreit, schmeichelt, beschwört, treibt ihn an, erstickt jede Freiheit im Keim. Eine Traumrolle und Herausforderung für Charlotte Gainsbourg.

 
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Green Book- Eine besondere Freundschaft

Das schillernde Spiel mit Rollenklischees und Diskriminierungsmechanismen, mit Komik und Tragik ist riskant, Bruchlandungen oft vorprogrammiert, aber US-Regisseur Peter Farrelly gelingt der Balanceakt: Sein Roadmovie „Green Book” über die Rassentrennung im Süden Amerikas Anfang der Sechziger Jahre entwickelt sich zum verblüffenden Konstrukt zwischen Identitätskrise und Selbstfindung: lakonisch, klug, anrührend, süffisant ironisch, bodenständig witzig, scharfsinnig, dreist, dann wieder melancholisch oder gar sentimental, den permanent wechselnden Ton bestimmen die beiden Protagonisten.

Der Film, für fünf Oscars nominiert, basiert auf wahren Begebenheiten und ist vor allem ein Revival des genialen schwarzen Jazz-Pianisten Don Shirley (1927- 2013), seine Kompositionen spiegeln als Subtext die Konflikte jener Zeit.

 

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