Kultur Blog
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Sieben Stunden Theater. Sieben Stunden griechische Tragödie mit mehr als 100 Schauspielern, Sängern und Musikern auf der Bühne.
Einen derartigen Kraftakt hat Hamburg zuletzt beim „Faust“-Marathon erlebt. Karin Beier hat in ihren „Rasenden“ am Deutschen Schauspielhaus alle Register gezogen – von Oper und Drama, über neue Musik und Tanz, bis hin zum Live-Cooking, zur Video-Installation und zum Klamauk. Sie hat ein Feuerwerk an Ideen gezündet, die jedoch – bis auf wenige kostbare Gänsehaut-Momente - so schnell verblassen, wie die Silvesterraketen über der Hamburger Alster. Die Mitwirkenden sind allesamt großartig, die fünf Stücke um den Trojanischen Krieg handwerklich perfekt inszeniert. Nur: Der geniale Wurf, den Hamburg so lange ersehnte, blieb aus. Anstatt sich auf die Wucht der Dramen und die Ausdruckskraft der Darsteller zu konzentrieren, setzt Beier zum Auftakt ihrer Intendanz am Deutschen Schauspielhaus über weite Strecken auf Aktionismus und blutige Show. Wir schauen dem Grauen zu und bleiben unberührt. Leider.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Carmen haucht in einer letzten, diesmal tödlichen Umarmung ihr Leben unter den Messerstichen des eifersuchtsrasenden Don José aus.
Derweil hockt das arbeitende Volk von Sevilla in Gestalt des Opernchores in einer schäbigen Kneipe und verfolgt den Triumph des Toreros Escamillo auf einem kleinen Fernsehschirm. Es bekommt das reale Ende des Dramas zwischen der Zigeunerin Carmen und dem baskischen Sergeanten, der dem Lockruf vermeintlicher Liebe gefolgt bis ins Verderben, gar nicht mehr mit.
Es dauert lange, bis die neue Hamburger „Carmen“ in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog wenigstens in ihrem Schlusspunkt eine dramatische Fallhöhe erreicht, die anrühren kann. Dabei hatte es sich der derzeitige Intendant der Oper in Dortmund doch vorgenommen, den romantisierenden Kleister von Bizets Opern-Hit abzutragen und den Blick auf die wahre Geschichte freizulegen. Er ist ist auf halbem Wege anständig gescheitert, zu anständig und zu brav.
- Geschrieben von Horst Schinzel -
Der 1989 gegründete Verein Literaturhaus Schleswig-Holstein ist ein Netzwerk der Literatur im nördlichsten Bundesland.
Er begleitet, unterstützt und verknüpft die Arbeit der etwa 20 angeschlossenen Vereine und Verbände, bietet eigene Veranstaltungen in Kiel und im Land an und gibt eigene Publikationen heraus.
Der Rückblick auf das Jahr 2013
Lyrik im Gespräch: Sehr erfreulich waren die Bemühungen des Literaturhauses Schleswig-Holstein in Kiel im allgemeinen Jahresprogramm 2013, die Lyrik ins Gespräch zu bringen. Angefangen mit einer großen Präsentation aktueller Arbeiten von sieben Autoren, darunter die Kieler Arne Rautenberg, Christopher Ecker und der Lübecker Hendrik Rost, zum „Welttag der Poesie“ im März über die Vorstellung neuer Werke von Doris Runge, Bodo Heimann und Ingrid Glienke und die Auftritte der französischen Slam-Poeten Poison d'Avril und Alice Ligier bei ihrem Besuch in Kiel bis hin zu einem eindrucksvollen Lyrikabend zur polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska hatte die Lyrik große und durchweg sehr gut besuchte Abende im Literaturhaus, die schließlich im Dezember mit den drei Veranstaltungen zur Liliencron-Dozentur des Kielers Arne Rautenberg einen weiteren Höhepunkt fanden.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Zwei Frauen aus Hamburg. Zwei Generationen. Zwei jüdische Schicksale.
Was die beiden Künstlerinnen eint, ist das Verständnis der Linie als Körper im Raum, die minimalistische Formensprache und die Liebe zum Experiment. Grund genug für die Hamburger Kunsthalle, die Werke von Eva Hesse (1936-1970) und Gego (1912-1994) im Doppelpack vorzustellen. So richtig gelungen allerdings ist nur die zweite Schau „Line as Object“.
- Geschrieben von Dorrit Riege -
Nachdem der verheerenden Bühnenunfall am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg den Start unter neuer Intendanz vereitelt hatte eröffnet Intendantin Karin Beier schließlich am 18. Januar ihr Haus.
Keinen Tag länger, war ihr erster Gedanke, nachdem der Eiserne Vorhang hochgeschnellt war und die Gegengewichte den Bühnenboden durchschlagen hatten. „Notfalls bring ich das Stück auf den Bahnhofsvorplatz.“ Etwas später spürte sie, dass „es Quatsch ist, an einen alternativen Spielort zu gehen, das große Projekt wurde für genau dieses Haus mit seinem großen Zuschauerraum konzipiert.“
In der nächsten Nacht folgten hitzige Debatten, die für Kreativität sorgten, wie die 49-jährige Intendantin lachend erzählt. Am Morgen darauf trommelte sie ihr Ensemble auf der Probenbühne zusammen und verkündete ihren Plan: „Die Rasenden“, erklärte sie, werde sie auf Eis legen, die anderen Arbeiten kämen zunächst aber wie geplant auf Außenspielstätten heraus und würden dann so schnell wie möglich auf die große Bühne wechseln. Dass dies dann erst über zwei Monate später soweit sein würde, sei kräftezehrend gewesen, erzählt sie weiter.
- Geschrieben von Claus Friede -
Das Kunstforum Markert Gruppe in Hamburg präsentiert von Mitte Januar bis Ende März internationale Videokunst zum Thema Landschaft.
Der Begriff ‚Landschaft’ wird vor allem in zwei Bedeutungen verwendet: zum einen bezeichnet es die kulturell geprägte, subjektive Wahrnehmung einer Gegend als ästhetische und geistige Ganzheit (philosophisch-kulturwissenschaftlicher Landschaftsbegriff), zum anderen wird es, vor allem in der Geographie, verwendet, um ein Gebiet zu bezeichnen, das sich durch naturwissenschaftlich erfassbare Merkmale von anderen Gebieten abgrenzt (geographischer Landschaftsbegriff) (1).
Generell aber gibt es keine einheitliche Definition, was Landschaft sei, weshalb der Begriff aufgrund seiner lebensweltlichen, ästhetischen, territorialen, sozialen, politischen, ökonomischen, geographischen, planerischen, ethnologischen und philosophischen Bezüge auch als ein „kompositorischer“(2) bezeichnet werden kann, dessen „semantischer Hof“(3) von einer über tausendjährigen mitteleuropäischen Ideen-, Literatur- und Kunstgeschichte geprägt wurde.
- Geschrieben von Anna Grillet -
Kapitalismuskritik als berauschendes obszönes Spektakel.
Martin Scorsese inszeniert dramaturgisch virtuos den Aufstieg und Fall des amerikanischen Finanz-Betrügers Jordan Belfort mit viel Zynismus und schwarzem Humor. 179 Minuten Gier, Größenwahn, Sex und Drogen, mittendrin Leonardo DiCaprio, der genüsslich den schmierigen machtbesessenen Gangster und charismatischen Clown mimt. Genial.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Einen Tag ungestört in Muße zu verleben, heißt einen Tag lang ein Unsterblicher zu sein.
Wenn diese chinesische Weisheit zutrifft, haben Wibke und Stefan Bartkowiak viele unsterbliche Tage hinter sich. Seit 25 Jahren beschäftigt sich das Ehepaar aus Hamburg-Winterhude mit Dingen, für die man wirklich Muße braucht: Mit handgemachten Büchern. Dieser Tage allerdings haben die beiden kaum Zeit, ihre bibliophilen Kostbarkeiten in Ruhe zu genießen: Kommenden Freitag eröffnet die „BuchDruckKunst“, die Norddeutsche Handpressenmesse, die Wibke Bartkowiak nun schon zum 9. Mal im Museum der Arbeit organisiert. 50 ausgewählte Buchkünstler und -künstlerinnen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland, aus England, Holland, Irland, Italien und Spanien, präsentieren hier ihre Werke: Buchobjekte, Mappenwerke und Einblattdrucke, die in Punkto Qualität und Originalität Kunstwerken gleichkommen – und mittlerweile auch zunehmend als solche geschätzt und gesammelt werden.
- Geschrieben von Harry Popow -
Welch ein naiver Glaube, dass einer erst Prophet – sprich Kommunist – sein muss, wollte er bestehende gesellschaftliche Zustände kritisch unter die Lupe nehmen.
Es reicht, ein aufrechter Demokrat und politisch hellwacher Bürger zu sein, um u. a. Bedrohungen durch die sogenannte „Neuvermessung der Welt“ (1) kritisch zu registrieren. So heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag, die EU müsse im 21. Jahrhundert „die internationale Politik mitgestalten“ und dabei „eine starke eigenständige Rolle wahrnehmen“. Man müsse die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander verknüpfen und darüber hinaus alle denkbaren Interventionsmittel – „zivile sowie militärische“ – schlagkräftiger gestalten.
- Geschrieben von Anna Grillet -
Ein atemberaubender Überlebenskampf auf hoher See von verstörender Eindringlichkeit.
J.C. Chandor inszeniert den Action-Thriller ästhetisch-virtuos als subtile Polit-Parabel fast ohne Worte mit großen Gefühlen und nur einem Darsteller. Grandios: der 77jährige Robert Redford als einsamer Segler. Es ist die faszinierendste Rolle seiner Karriere.
13. Juli, 16.50 Uhr. Blick auf den strahlend blauen Ozean, kein Schiff, kein Horizont in Sicht. Aus dem Off kommt die leise Stimme eines Mannes, es tue ihm leid, sorry, er habe wirklich alles versucht: „...Ehrlich zu sein...und...stark zu sein. Gütig zu sein...und zu lieben. Also das Richtige zu tun. Aber das habe ich nicht. Alles ist verloren...” Er entschuldigt sich wieder und wieder. „Ihr werdet mir fehlen.” An wen er seine Worte richtet, Familie, Freunde, Fremde, wir erfahren es nie. Die Botschaft endet als Flaschenpost im Meer.