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Rezensiert!

Vorab:Â "Störtebekers Vermächtnis" - mit diesem Untertitel landet ein Werk von Jörgen Bracker mit großer Wahrscheinlichkeit in der Abteilung Jugendbuch.
Zudem wäre der Seufzer "schon wieder ein Störtebeker-Buch" nur allzu verständlich. Wer auch immer sich diesen ganz überflüssigen Zusatz hat einfallen lassen, der hat dem Buch keinen Gefallen getan. Obendrein ist der Untertitel auch noch falsch! Der 'gute' alte Seeräuber Störtebeker, Traumfigur aller kleinen Jungs kommt nämlich nur posthum vor, als einer der "Vitalienbrüder", die nach - auch im Auftrag von Landesherren - getaner Arbeit eingefangen und hingerichtet wurden. Aus deren Schatz übernimmt sein Freund Goedeke Michel die "Reliquien von Lissabon", ein Armreliquiar.
Bevor der Henker zuschlägt, vertraut er sie, um ein Gelübde zu erfüllen, dem Hamburger Ratsherren Nikolaus Schoke an, und schickt diesen auf große Reise, um sie an ihren rechten Ort zu bringen.

Aus dem nordischen, mittelalterlichen, "gotischen" Hamburg über London in den Süden Spaniens, schließlich nach Lissabon, und wieder zurück zu seiner verehrten, ehrbaren und fanatisch frommen Gattin führt die Reise. Das bedeutet bei Bracker eine übergeordnete Fülle von Episoden, Milieuschilderungen, seemännischen Erfahrungen und handelnden Personen. Es gibt ein echtes und ein gefälschtes Reliquiar, echte und falsche Priester, Christen, Juden und Araber, Mord und Totschlag, Schurken und gute Freunde, Träume und das „zweite Gesicht“.

Die Reise als Odyssee – nicht nur dieses gern benutzte Schlagwort ist hier stimmig, sondern auch der Aufbau des Buches erinnert an Homers Epos. Die Abfolge der einzelnen „Geschichten in der Geschichte“ lässt den Leser auch an einen abendfüllenden Film denken oder an einen Dreiteiler im TV-Abendprogramm. Sie ermöglicht es ihm übrigens auch weitgehend, an einem der sieben Abschnitte in die Lektüre einzusteigen: Spannung garantiert!

„Die Reliquien von Lissabon“: auch ein hintergründiges Buch mit der Atmosphäre der Bilder Hieronymus Bosch oder Mancher werke von James Ensor, ganz dicht etwa in der Heimkehr-Szene, als die über alles geliebte Tochter eben einem brutal beschriebenen Exorzismus zum Opfer gefallen ist.

Empfehlenswert ist auch die aufmerksame Lektüre des Nachwortes „Wahr oder wahrscheinlich?“, der Hinweise „weiterführende Literatur“ und des Glossars zu Begriffen, Orten und Personen. Jörgen Bracker ist eben nicht nur ein fulminanter Geschichtenerzähler, er ist auch „in der Wolle gefärbter“ Historiker und last but not least Schipper.

„Die Reliquien von Lissabon – Störtebekers Vermächtnis“

Jörgen Bracker
Murmann-Verlag Hamburg, 2008
360 Seiten


Abbildungsnachweis:
Buchumschlag (Detail)

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