Kultur Kolumne
- Geschrieben von Willy Theobald -

Als ich Tom Gaebel zum ersten Mal hörte, war ich schwer beeindruckt: Der singt ja wie Sinatra – ist aber nicht Sinatra. Soweit, so gut. Aber was soll ich mit Sinatra-Songs von Gaebel wenn ich jede Menge Sinatra-Platten habe? Okay, live ist das etwas anderes: Sinatra ist tot – Gaebel lebt.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -

Nikolaus Harnoncourt gehört zu den Pionieren des Originalklang-Musizierens und geht auch beim Wiener Walzerkönig auf die revolutionären Wurzeln der Walzer-Musik zurück.
Es war ein Siegeszug ohnegleichen, eine Massenbegeisterung jenseits aller Standesunterschiede, als sich sich der Wiener Walzer im 19. Jahrhundert die Tanzsäle der Alten Welt eroberte. Wiener Walzer, das war etwas anderes als das bedächtige, fein ritualisierte und an Fingerspitzen geführte Menuett der Feudalgesellschaft, wie es von Roman Polanski in seinem Film „Tanz der Vampire“ großartig parodiert wird. Der Walzer war Musik einer neuen Zeit, die nicht zufällig fast gleichzeitig mit der Französischen Revolution die Bühne betrat. Zuerst in der Oper „Una cosa rara“ von Vicente Martín y Soler, die 1786 in Wien die erste große Walzerwelle auslöste.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Unverkennbar – das ist sie! Auch wenn der erste Titel sich erstmal aus leisem Tongemurmel empordrängeln muss. Wenn Annie Lennox’ Stimme dann erklingt, ist nach wenigen Takten klar: Sie ist wieder da, einzigartig wie immer. Nach ihrem Weihnachtsalbum vor vier Jahren setzt sie nun auf das „Great American Songbook“, belebt Jazz und Blues der 30er und 40er. Sie hat sich 12 Titel von Größen wie Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong oder Duke Ellington ausgesucht, die – zwar immer als Klassiker erkennbar – durch ihre Stimme und Interpretation einen neuen, coolen, modernen Touch bekommen.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -

Manchmal passiert das in Städten, die man sich neu erobert: Man biegt aus bekanntem Gebiet um eine Ecke, erwartet wieder Unbekanntes, findet aber überrascht ein gut erkundetes Gebiet – nur der Link zwischen beiden hatte bisher gefehlt.
- Geschrieben von Harry Popow -

„...überzeugt, das Richtige zu tun.“
Es war der neunte Juli 2013, genau 14 Uhr Eastern Standard Time (EST/Ostküste USA), da hielt die Welt wieder einmal den Atem an – ein Name jagte um den Erdball: Edward Snowden. Der Mann, der den Mut hat, ein menschenverachtendes und höchst geheimes Überwachungssystem, den NSA (Nationale Sicherheitsbehörde, der größte Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten) ans Tageslicht der empörten Öffentlichkeit zu zerren. Von den einen sofort als „Außenseiter, als Krimineller und Verbrecher“ abgestempelt, von der Masse der Völker allerdings frohlockend begrüßt, nein, bejubelt. Hatte er doch dem amerikanischen Mißbrauch gegen die Privatsphäre aller Menschen und Völker die Maske vom Gesicht gerissen.
- Geschrieben von Claus Friede -

Der preisgekrönte argentinische Countertenor Franco Fagioli widmet sich auf seinem soeben veröffentlichen Album einem der großen Komponisten des Kastratengesangs: Nicola Antonio Porpora (1686-1768). „il maestro Porpora arias“ ist eine Hommage an einen der wichtigsten Gesangslehrer und Komponisten des italienischen, des europäischen Barocks.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Momente, Szenen, Bewegendes einfangen – das will Till Brönner mit seiner neuen Veröffentlichung wieder einmal. Diesmal geht es darum, was rings um Filmhits aller Couleur in Erinnerung bleibt – bei jedem mit einem sehr eigenen Bild. Brönner geht es etwas leichter an als andere – geschmeidiger, ruhiger, auf keinen Fall aber weniger emotional. Dramaturgisch genau stellt er einen Filmsong hinter den anderen, klassische wie neuzeitlichere, mal mit Jazzband, mal mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Man meint, er male ein Bild.
- Geschrieben von Claus Friede -

Der musica inaudita – der ungehörten Musik widmet sich seit 2002 das Zürcher Barockorchester. Gute Kompositionen, die im Laufe der Zeit aus unserem kulturellen Gedächtnis und aus verschiedenen Gründen entschwunden sind, die Konzertsäle heute selten oder nie ertönen lassen, gilt es wieder zu entdecken. Das klingt danach, in die Katakomben der Musikgeschichte hinabzusteigen und viel Recherchearbeit zu leisten. Das mag mit der verbrannten und zerbombten Geschichte Dresdens nicht ganz einfach zu sein.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -

Einer der großen Vorzüge der CD ist es, dass ganze Werkpakete in relativ handlichem Format an die Zuhörer gebracht werden können: Der ganze Bach, Alles von Vivaldi, Mozart komplett. Manchmal allerdings sind solche Komplettpakete erstaunlich schmal. So wie bei „Carlos Kleiber – Complete Orchestral Recordings on Deutsche Grammophon“: drei CDs – zwei Beethoven-Symphonien, zwei von Schubert und die vierte von Brahms. Dazu eine „Pure Audio-Blu-ray“ mit demselben Programm, abgespeichert in höherer Qualität (24 bit/96 kHz) und einem informativen 70-Minuten Audio-Essay „Carlos Kleiber – A Memoir“, mit vielen O-Tönen von Freunden und Weggefährten über Dirigierstil, Qualitäten, Charakter und Umgang des Dirigenten mit Sängern und Orchestermusikern und weiteren Musikbeispielen von Aufnahmen, die nicht in dieser Sammlung enthalten sind.
- Geschrieben von Claus Friede -

Das Cover-Motiv der neuen CD des David Orlowsky Trios „Klezmer Kings – A Tribute“ zeigt einen Blick auf das Chrysler-Building in New York City von der 42. Straße westlich zur 2. Avenue. Die Aufnahme stammt irgendwann aus den Jahren zwischen 1935 und 1941. Sie dient als Reminiszenz an jene Einwanderer aus Zentral-, Ost- und Südosteuropa, die die Klezmer-Musik bereits ab den 1900er-Jahren nach New York und ab den 20ern in die Lower East Side Manhattans brachten. Naftule Brandwein, Sam Spielman, Josef Solinski, Dave Tarras, das Abe Schwartz Orchestra und das Max Leibowitz Orchestra haben die Musik aus den Shtetln aufgenommen und selbst über Doires (Generationen) weitergeben. David Orlowskys (Klarinette) „Klezmorim“ (Musiker), Florian Dohrmann (Kontrabass) und Jens-Uwe Popp (Gitarre) stehen seit vielen Jahren in der Yikhes (Erblinie).
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Wie das wohl war, als der knapp 20 Jahre alte Bach, Johann Sebastian, die thüringische Orgelszene aufmischte? Mit eigenen Werken, die gleichwohl auf den kräftigen Schultern unterschiedlicher musikalischer Traditionen standen, mit einer Spieltechnik, die bis verblüffend ist, mit einem Ungestüm, das ihn zu einem jungen Wilden macht.
- Geschrieben von Claus Friede -

Ist es Anachronismus in eine Vergangenheit musikalisch einzutauchen, die von einer schönen und heiteren Welt erzählt, während um dieselbe herum zwei Kriege tobten? „Du bist die Welt für mich“ heißt eine soeben erschienene CD, auf der von Jonas Kaufmann, dem Tenor „mit der goldfarbenen Honigstimme“ (The Sydney Morning Herald), Evergreens der Ära zwischen 1925 und 1935 erklingen. Begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Jochen Rieder und bei drei Stücken begleitet von der Sopranistin Julia Kleiter, genießt der wohl eher ältere Hörer Lehár, Tauber, Benatzsky, Stolz, Abraham und andere.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -

So ist das mit den Dicken – sie werden gern unterschätzt, und dann wundert man sich. Zum Beispiel über das Klangspektrum, das Andreas Martin Hofmeir seiner Tuba entlockt. Ganz entgegen dem Humpta-Image entlockt er dem glänzenden Fünfeinhalb-Meter-Blechrohr einen angenehmen, fast verträumten Ton. Eine Mischung aus dem Verführerischen eines tiefen Saxophons, dem Sonoren der Posaune und dem weichen Timbre des Horns.
- Geschrieben von Christoph Forsthoff -

Riskant, solch ein musikalisches Selbst-Portrait. Natürlich gibt jeder (wahre) Künstler mit seinem Werk ein Stück seiner Seele preis, doch wer gleich einem ganzen Album den Titel „Self-Portrait“ verpasst, der weckt beim Zuhörer nicht nur Neugier, sondern auch Erwartungen. An eine vielfältige Musiker-Persönlichkeit und eine ganz eigene Note, an Erkundungen, ja Offenbarungen des musikalischen Ichs – gerade im Jazz.