CDs KlassikKompass

Peter Tschaikowsky und Alexander Glasunow haben jeweils nur ein Solokonzert für die Violine komponiert. Aber in jedem von den beiden werden alle virtuosen Register ausgereizt.

In einer neuen Aufnahme mit diesen beiden Meisterwerken trifft der Geiger Ivan Pochekin auf das Russische Nationalorchester – eine prominentere und erfahrenere Kombination ist wohl kaum denkbar, um diesen Werken einen individuellen Stempel aufzudrücken.

 

Violin Concertos CoverDas Violinkonzert D-Dur von Peter Tschaikowskys (1840-1893) wartet gleich zu Beginn mit der großen Geste auf. Der leidenschaftliche Gestus hat dieses Meisterwerk heute zu einem der populärsten Repertoire-Stücke werden lassen, welches aber angesichts seiner spielerischen Schwierigkeiten immer nur den Besten aller Spielerinnen und Spieler vorbehalten bleibt. Die Besetzung der Uraufführung erwies sich deshalb als ein Problem, da der zunächst von Tschaikowsky anvisierte Geiger das Werk als unspielbar befand. Tatsächlich können, ja müssen die Solisten hier sämtliche virtuose Bravour und Brillanz ausreizen, etwa durch expansive Doppelgriffpassagen und einem Spiel in oft sehr hohen Lagen. Dass der strenge Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick mit einem polemischen Verriss auf diese Komposition antwortete, ist heute nur noch eine Randnote, gilt dieses Werk doch als Glanzstück der Konzertliteratur. Die russische Seele atmet tief in dieser Musik, aber das ist nur die eine Seite – andererseits zeigt die Mischung aus Stileinflüssen, wie sehr Tschaikowsky – ebenso wie andere russische Komponisten, Künstler und Literaten dieser Zeit, nach Westeuropa blickten. Diese Offenheit stellt hohe Anforderungen an die interpretatorische Differenziertheit von Solist und Orchester.

 

Alexander Glasunows (1865-1936) Violinkonzert ist das Werk eines Musikbesessenen. Das Gesamtœuvre des Russen ist nicht übermäßig groß – dafür gilt nahezu jede von Glasunow hinterlassene Komposition als Meisterwerk. Das trifft im Besonderen auf sein 20-minütiges einsätziges a-Moll-Violinkonzert zu. Man kann hier auch von zwei Sätzen reden, die in starkem Bezug zueinanderstehen.

 

Glasunows Konzert markiert einen gewissen Kontrast zum Tschaikowsky-Konzert. Wobei Tschaikowsky viel Brillanz dominiert, da dominiert im zweiten Pro- grammpunkt dieser Aufnahme eine noch ausgeprägtere slawische Melancholie. Zugleich offenbaren Anspielungen auf Brahms und vor allem ausgeprägte Ausflüge in eine orientalische Klangsinnlichkeit eine große stilistische Offenheit und künstlerische Neugier. Genug virtuose Herausforderungen sind dabei allemal zu meistern.

 

Ivan Pochekin

„Die Russische Schule ist in technischer Hinsicht sehr grundlegend - vielleicht so ähnlich wie im Sport. Von den Darstellern wird schon in sehr frühem Alter ein hohes Maß an Können und Virtuosität verlangt. In Deutschland ging es mehr um die persönliche Interpretation. Beide Systeme ergänzen einander“ brachte der Geiger Ivan Pochekin in einem Interview für das Magazin „pizzicato“ die Erfolgsformel für seine künstlerische Vita auf den Punkt. Hineingeboren in eine Musiker- und Geigenbauerfamilie begann er sein Violinstudium im Alter von fünf Jahren bei Galina Turchaninova und Maya Glezarova an der Moskauer Zentralen Musikschule. Seinen ersten Soloauftritt mit Orchester hatte er mit sieben Jahren. Später studierte er bei renommierten Pädagogen wie Maya Glezarova oder Viktor Tretjakov. Seit seinem Debüt mit Prokofjews Violinkonzert Nr. 2 trat er in den renommiertesten Konzertsälen Moskaus, St. Petersburgs und anderer russischer Städte auf. Mittlerweile ist er längst auf internationalem Parkett unterwegs und mit allen führenden russischen und ausländischen Orchestern und Dirigenten aufgetreten. Dazu zählen Klangkörper wie das Mariinsky Theater Symphony, das Sinfonieorchester Basel, das State Symphony Orchestra of Russia „Evgeny Svetlanov“ sowie Persönlichkeiten, wie Vladimir Yurovsky, Valery Gergiev und Thomas Sanderling. Ivan Pochekin hat zahlreiche Aufnahmen für Naxos, Hänssler, Melodiya, PhilArti Vienna und Divine Art gemacht. Das aufgenommene Repertoire variiert von klassischen bis zu zeitgenössischen Kompositionen. Ivan Pochekin spielt auch Bratsche. Einen besonderen Platz in der künstlerischen Tätigkeit des Musikers nehmen gemeinsame Duo-Auftritte mit dem Bruder, dem Geiger Mikhail Pochekin ein. 2018 veröffentlichten die Brüder beim Label Melodiya ihr gemeinsames Debütalbum „The Unity of Opposites“.

2021 hat er mit Mikhail und dem Stuttgarter Kammerorchester die Sinfonia Concertante von W. A. Mozart Hänssler Classic veröffentlicht.

 

Russisches Nationalorchester

„Als heute vielleicht interessantesten Klangkörper seines Landes“ charakterisierte die FAZ das Russische Nationalorchester, welches auch das englische Musikmagazin „Gramophone“ zu einem der besten 20 Orchester der Welt kürte. Seit seiner Gründung im Jahr 1990 durch Mikhali Pletnev wird das RNO auf allen internationalen Konzertpodien in Europa, Asien und Amerika gefeiert. Im Jahr 1991 nahm das Orchester Tschaikowskys „Pathetique“ auf – sie wurde auf Anhieb zur jemals besten Aufnahme dieses Werkes gekürt. Seitdem sind mehr als 80 weitere Einspielungen für viele renommierte Labels gefolgt. Eine von Kent Nagano dirigierte Aufnahme von Prokofjews Peter und der Wolf mit Sophia Loren, Bill Clinton und Michail Gorbatschow als Sprecher wurde mit einem Grammy ausgezeichnet. Diese gefragte Auszeichnung gab es auch für eine Aufnahme von Schostakowitschs „Siebter Sinfonie“ unter dem Dirigat von Paavo Järvi. Das RNO ist als privates, also nicht-staatliches Ensemble einzigartig unter den russischen Orchestern und erfährt Unterstützung von Einzelpersonen und Firmen aus Russland und aus der ganzen Welt. Im Jahr 2010 feierte es sein 20-jähriges Jubiläum mit Gidon Kremer als Solisten unter Leitung seines Gründers Mikhail Pletnev.


Tchaikovsky & Glasunow – Violin Concertos

Ivan Pochekin, Violine | Russian National Orchestra. Leitung Mikhail Pletnev

Edition Günter Hänssler

CD, Booklet

EAN: 881488210521

 

YouTube-Video:

Violin Concerto in A Minor, Op. 82: II. Andante sostenuto (Hörprobe, 8:13 Min.)

Violin Concerto in A Minor, Op. 82: III. Più animato (Hörprobe, 2:41 Min.)

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