Kultur Kolumne
- Geschrieben von Herby Neubacher -
Es gibt einen hochspannenden Lohengrin für die Ohren. Der kommt von den „neuen“ Wagner-Russen wie dem Dirigenten Seymon Bychkov aus St. Petersburg – von 1997 bis 2010 war er Leiter des WDR Sinfonie-Orchesters in Köln.
Sozusagen zum Abschied seiner Tätigkeit dort und im Anschluss an drei Live Konzerte, spielte er Wagners Lohengrin als CD neu ein.
Russland hat eine unterbrochene große Wagner-Tradition aus dem 19. Jahrhundert die künstlerisch heute wieder spannend aufflammt. Das lässt sich an nindestens zwei Gegebenheiten festmachen:
- Seymon Bychkov nimmt Wagner dramaturgisch ernst und geht zurück an dessen Quelle.
- Bei dieser Neueinspielung ist der Lohengrin als persönliches und psychologisches hochmodernes Drama wörtlich genommen.
- Geschrieben von Herby Neubacher -
Ein Rück- und ein Ausblick – Umstrittener Neuenfels-Lohengrin auch 2012 wieder in Bayreuth.
Die Menschen sind eigentlich Laborratten und nur wenn sie sich befreien, dann haben sie die Chance, wirkliche Menschen zu werden. Nach diesem simpel gestrickten Dramaturgie-Konzept verursacht Hans Neuenfels in seiner Lohengrin-Inszenierung von 2011 einen mittleren Wagner-Skandal der eigentlich gar keiner ist. Denn Hans Neuenfels – der diese viel diskutierte Neuinszenierung der Oper vom Schwanenritter ablieferte und die in diesem Jahr Wiederaufnahme in Bayreuth findet, hat das Epos leider, aber gründlich missverstanden. Der Ritter der Ratten ist nichts weiter als eine dummhafte Verballhornung die künstlerisch nicht einmal sticht, wie der Rückblick auf die Inszenierung zeigt.
- Geschrieben von Claus Friede -
Auf Einladung bin ich nach Burghausen gefahren. Die größte Stadt im oberbayerischen Landkreis Altötting zählt etwas mehr als 18.000 Einwohner und ist jeden Kilometer Reise wert.
Burghausen ist in der glücklichen Lage nicht nur eine der reichsten Gemeinden Bayerns zu sein, denn es gibt viel Industrie, sie kann auch mit dem Guinness-Bucheintrag „längste Burg Europas“ aufwarten und touristisch nutzen. Über einen Kilometer erstreckt sich auf einem Höhenzug das Bauwerk aus Burgen, Höfen, Kirchen und Kapellen, Zwischentoren, Zeughaus, Waffen- und Pulverturm.
Die Hauptburg ist gerade gesperrt: Dreharbeiten zu „Der Baron von Münchhausen“ mit Jan Josef Liefers, Katja Riemann und Jessica Schwarz.
- Geschrieben von Ekkehard Nümann -
Über die desaströse finanzielle Lage der Hamburger Museen ist in den letzten zwei Jahren viel berichtet worden. Teilschließungen, unbesetzte Stellen, baulicher Verfall – oft fehlt es am nötigsten, um die Museumslandschaft der Stadt, die kulturelle Lunge unserer Gesellschaft, am Leben zu erhalten.
Wir haben uns beinahe daran gewöhnt, dass Ankäufe von Kunstwerken nur noch über Spenden finanziert werden können, weil es keinen Ankaufsetat mehr gibt. Der bauliche Zustand der Depots lässt höchst fraglich erscheinen, ob die Sammlungen angemessen für die Nachwelt erhalten werden, und Forschung betreiben die Häuser eigentlich nur noch, wenn Drittmittel z. B. von Stiftungen, Freundeskreisen oder Einrichtung wie der DFG, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, eingeworben werden können. Damit sind bereits drei der vier zentralen Aufgaben eines Museums akut gefährdet: Das Sammeln, das Bewahren und das Erforschen.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
„Ohne Worte“ titelte jüngst das Hamburger Abendblatt mit Verweis auf die peinlichen Presse-Interventionen des Bundespräsidenten.
„Ohne Worte“ – das kam mir auch in den Sinn, als ich die Nachricht vom Stopp des geplanten Munch-Museums in Oslo las. Nicht wegen der mehr als 11 Millionen Euro, die das Projekt bereits schluckte. Oslo boomt wie keine zweite Stadt in Europa, insbesondere kulturell. Mit einem Sparstrumpf von 1.500 Milliarden Euro ist das auch keine große Kunst. Da erscheinen die 11 Millionen wie Peanuts, sogar die 500 Millionen Euro, die für den Siegerentwurf von Juan Herreros veranschlagt waren.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Die Pressemeldung war mehr als dürftig: „Die Wege von Dr. Jürgen Fitschen und dem Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte haben sich getrennt“, ließ Peter Harry Carstensen, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf am 23. November 2011 mitteilen – mit dem Zusatz, dass dies „auf Wunsch von Dr. Fitschen“ geschah.
Seitdem scheinen die Mauern auf der Schleswiger Museumsinsel noch dicker geworden zu sein, als sie ohnehin schon waren. Kein Kommentar, nirgendwo. Im Auflösungsvertrag wurde offenbar Stillschweigen vereinbart und das wiederrum legt nahe, dass Fitschens „fluchtartiger Abgang“ nach knapp zwei (von vertraglich auf fünf befristeten) Jahren doch nicht ganz so freiwillig war, wie allseits beteuert. Dafür spricht zum Beispiel, dass es seitens Fitschens keinerlei Vorwarnung gab.
- Geschrieben von Delf Schulz -
Man muss dem Langen-Müller-Verlag bescheinigen, dass die Ausstattung dieses Buches einfach gelungen ist. Klein und schmal, passt es in eine Wintermanteltasche: sehr zweckmäßig, da es sich bestens als Mitbringsel der Adventszeit ‚statt Blumen‘ empfiehlt.
Gehalten ist der Titel in den durchaus zum Thema passenden Farben Schneeweiß (der Hintergrund) Weihnachtsmannrot und Himmelblau.
Da fährt er, Santa, bequem zurückgelehnt auf seiner Harley, nix mit Rentieren und Schlitten. Das ist zwar die Illustration zu einer der Erzählungen, nämlich der titelgebenden, ‚Nachtschicht für Engel‘, doch es umreißt auch, wie Dagmar Seifert in diesem Buch Zimt- und Pfefferkuchenduft mit Kettenfettgeruch mischt. Im Übrigen handelt es sich in der speziellen Geschichte tatsächlich bei dem Motorradfahrer keineswegs um einen Weihnachtsmann, sondern um einen Altrocker. Aber das tut nichts, die Stilisierung des Graphikers passt sehr gut.
- Geschrieben von Heiko Langanke -
Live-Musik-Clubs – jeder kennt sie, hat sie besucht und gar einen Teil seiner Jugend in ihnen verbracht, sich die Nacht und die Musik um die Ohren geschlagen und später manch Legende um sie gesponnen.
Musik in Clubs, egal ob Metal, Punk, Rock, Reggae, Jazz oder Folk, sind heute Teil einer jeden Sozialisation und Hörkultur zugleich. Sie mögen klein, schmuddelig, stickig, zu laut und vielleicht auch zu eng sein, aber genau das ist auch zugleich das Pendant zur großen, platznehmenden Hochkultur. In Clubs tobt sich im wahrsten Sinne des Wortes der Nachwuchs aus, experimentiert, setzt den Trend von Morgen und befriedigt ein Lebensgefühl, das sich aus Rock´n´Roll, Neugierde, Toleranz und Spontaneität speist. Unter anderen hat Autor Christoph Twickel diesen Spirit in seinem Buch „Läden, Schuppen und Kaschemmen“ eindrucksvoll dokumentiert.
- Geschrieben von Carolin Peiseler -
Wir befinden uns Ende 2011 nach Zeitrechnung. Ganz Hamburg scheint am verkaufsoffenen Sonntag nur der Wunsch nach Shopping zu bewegen. Ganz Hamburg? Nein!
Ein von unbeugsamen Kulturschaffenden bevölkerter Info-Stand in der HSH Nordbank Shopping Passage hört nicht auf, für Theater und Kunst zu werben und versucht wacker, aus den Konsumenten von heute die Kulturinteressierten von morgen zu machen. Alexandra Ucke und Audrey Rina Sachse stehen seit 13.00 Uhr im Erdgeschoss der Einkaufspassage an ihrem Tischchen mit Prospekten der Hamburger Kammerspiele. Zur „Halbzeit“, so gegen 15.30 Uhr, haben sie ihrer Schätzung nach etwa 50 Personen in ein Gespräch verwickeln können. Immerhin! Auf Nachfrage zu den Stücken, die derzeit auf dem Spielplan stehen (z.B. „Das kunstseidene Mädchen“ bis 22. November 2011 und „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ bis 24. Januar 2012) kommt auf den Punkt die Kurzfassung der Story gefolgt von dem Flyer mit den weiteren Informationen. Das macht neugierig auf mehr!
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Was sich in und um die Stiftung Historische Museen Hamburg derzeit abspielt, ist so grotesk, dass man es kaum glauben mag.
Der Reihe nach: Im November 2010 erhielt Stiftungs-Vorstand Kirsten Baumann von der Kulturbehörde den Auftrag, ein Konzept zur Weiterentwicklung des Museumsverbundes (Altonaer Museum, Museum für hamburgische Geschichte, Museum der Arbeit, Helms-Museum Harburg) auszuarbeiten. Am 20. September 2011 wurde es im Kulturausschuss der Bürgerschaft mit Vertretern aller Parteien diskutiert und von Kultursenatorin Barbara Kisseler ausdrücklich gelobt und bekräftigt.
- Geschrieben von Claus Friede und Dagmar Reichardt -
Der Hamburger Storck Verlag hat soeben den Titel „Der Geist der Palmaille“ der vor anderthalb Jahren verstorbenen Kunsthistorikerin, Archäologin und Sozialwissenschafterin Ruth Pinnau in dritter Auflage vorgestellt.
In der erstmalig 1997 publizierten Hamburgensie tritt die norddeutsche Autorin nachdrücklich und leidenschaftlich für den einzigartigen und autonomen Geist des ehemals eigenständigen Altonas und die Bewahrung jenes kulturhistorischen Gedächtnisses ein, von dem die Freie und Hansestadt Hamburg gerade auch in Eigendefinitions- und Imagefragen bis heute profitieren konnte.
- Geschrieben von Claus Friede -
Es gibt Alben, die ihr großes Publikum nicht finden werden. Es gibt Alben, die dennoch wirkungsvoll sind. Und es gibt Alben, da muss man zuhören, konzentriert und mit Feingefühl.
Ricardo Villalobos, einer der bekanntesten DJs und Produzenten für elektronische Musik hat sich mit seinem musikalischen Partner Max Loderbauer wohl einen kleinen Traum erfüllt. Sie haben ein sensibles und mutiges Stück Musik bei einem der großen deutschen Labels abgeliefert. Die Musikwelt der Münchner ECM dient den beiden Elektronikern als Spielwiese und Steinbruch zugleich. Das Ausgangsmaterial stammt aus Werken von Christian Wallumröd, Alexander Knaifel, John Abercrombie, Miroslav Vitous, Louis Sclavis, Wolfert Breverode, Paul Giger, Enrico Rava/Stefano Bollani/Paul Motian, Arvo Pärt und Bennie Maupin.
- Geschrieben von Claus Friede -
Diana Nasher ist Ärztin in Deutschland und stammt aus Afghanistan, präzise aus dem Norden des Landes, aus Kunduz, jenem Ort in dem heute die Bundeswehr einen großen Stützpunkt unterhält.
Sie hat ihr erstes Buch geschrieben; eine Familienchronik. „Töchterland“ handelt von drei Frauengenerationen, Großmutter, Mutter und Tochter die zwischen Deutschland und Afghanistan eingewoben sind – bis heute.
- Geschrieben von Claus Friede -
Viel habe ich mir vorgenommen – wie immer zu viel. Und schließlich komme ich aus einem ein Quadratkilometer großen Umfeld gar nicht hinaus.
Meine Stationen, sechs an der Zahl, sind kurzweilig, spannend, faszinierend und die Lange Nacht verfliegt auf wundersame und wunderbare Weise.
Es ist sonnig, der Samstagabend angenehm mild und die Innenstadt ist voller Menschen. Zwischen Fußballfans aus Hamburg (dunkelblau) und Hannover (grün/rot) immer wieder ein Pulk von Menschen mit kleinen Heften (hellblau) in den Händen. Magisch angezogen scheinen die Kulturlemminge gen Deichtorhallen zuzustreben. Ich bewege mich in Gegenrichtung und komme mir vor wie ein Gegen-den-Strom-Marschierer.