Ein Schlagabtausch der Extraklasse: Zum Ende des diesjährigen Hamburger Theater Festivals brillierten Caroline Peters und Michael Wächter in Marius von Mayenburgs Beziehungsdrama „Egal“ am Deutschen Schauspielhaus. Begeisterter Applaus für die Inszenierung von Thomas Jonigk, der das Stück im Februar an der Wiener Burg herausbrachte.
Ist Beziehungsdrama überhaupt der richtige Begriff? Ja, in der Tat, es ist ein Drama – aber verpackt in eine irrwitzige Klipp-Klapp-Komödie, die mit ihrem rasanten Tempo, scharfsinnigen Dialogen und einer hinreißenden Situationskomik immer wieder laute Lacher im Publikum hervorruft.
Ein Stück, dass sich schon an der Grenze zur Farce bewegt, dem allerdings ein Konflikt-Thema zu Grunde liegt, mit dem absolut nicht zu spaßen ist – und das wohl alle berufstätigen Paare mit Kindern kennen: Wer macht Karriere, wer übernimmt die Care-Arbeit im Haus und begnügt sich mit einem Teilzeit-Job im Homeoffice, damit der Laden läuft, der Sohn mit Nasenbluten von der Schule abgeholt werden kann und natürlich auch der anstehende Termin mit der Kinderärztin wahrgenommen wird? Na, wer wohl?
In Marius von Mayenburgs Ehe-Zwist ist Simone anfangs die erfolgreiche Elektro-Ingenieurin, die gerade von einer Geschäftsreise zurückkehrt und ihrem Mann Erik, Lektor und Übersetzer mit Spezialgebiet holländische Literatur, ein Geschenk mitbringt. Erik allerdings ist gefrustet, die Woche war grässlich, seine Star-Autorin ist mitten in der Übersetzung ihres Buches gestorben, dann war da noch der naseblutende Sohn, der ihn von der Arbeit abhielt und überhaupt – er braucht kein Geschenk, nur damit sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen kann, weil sie die ganze Woche mit ihrem Chef bei irgendwelchen superwichtigen Terminen und schicken Abendessen in Italien umhergondelte.
Und schon sind wir mittendrin in den psychologisch abgründigen Szenen einer Ehe, in denen Caroline Peters und Michael Wächter dem Affen (einen übergroßen, den Erik in den Armen hält und lange nicht loslassen will) mächtig Zucker geben. Was für ein schwindelerregendes Wort-Gefecht! Und dabei so überaus realitätsnah. Welcher Ehe-Clinch ist von einer ähnlichen Güteklasse? „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ vielleicht? Nein, bitte keine Missverständnisse: Die beiden Stücke haben inhaltlich nichts gemein, in „EGAL“ geht es um den ganz alltäglichen Wahnsinn zweier berufstätigen Eltern und nicht um einen brutalen Geschlechterkrieg bis zur gegenseitigen Zerstörung. Edward Albees Klassiker sei nur genannt, um auf die Liga hinzuweisen, in der „EGAL“ spielt. Von Mayenburg hat das Stück einfach hervorragend gebaut – und Regisseur Thomas Jonigk zieht alle Register, lässt seine beiden großartigen Protagonisten ein wahres Feuerwerk der Dialogkunst zünden. Zudem hat Jonigk es überzeugend für Hamburg adaptiert. Gemeinsam mit Lisa Däßler wohlgemerkt, deren Bühnenbild man nicht anmerkt, dass es ursprünglich für die Wiener Burg konzipiert wurde.
Klipp-Klapp, Tür auf, Tür zu - und so sieht man die beiden plötzlich in vertauschten Rollen (mit fast identischem Text). Egal? Das muss jeder Zuschauer, jede Zuschauerin für sich allein entscheiden. Dieser Rollenwechsel wiederholt sich noch mehrfach und ganz langsam schreitet dabei auch der Plot voran. Irgendwann wird das ominöse Geschenk ausgepackt – und die Katze aus dem Sack gelassen: Ein neuer Job winkt im Ausland – und die Familie? Egal? „Wir sind Avantgarde, hast Du mal gesagt“ – ja, aber dieser Satz wirkt nur überzeugend, wenn die Frau, wenn also Simone die Karriereleiter hochklettern darf und ihr Mann sich tatsächlich damit begnügt, ihr zuhause den Rücken freizuhalten.
Und die Moral von der Geschicht‘? Gleichberechtigung in einer Ehe, zumal mit Kindern, ist wohl immer noch glatte Utopie. Und das ist wirklich gar nicht witzig.
Hamburger Theater Festival 2025
Marius von Mayenburg: Egal
Eine Produktion Burgtheaters Wien
Im Deutschen Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20099 Hamburg
Mit: Caroline Peters, Michael Wächter
Regie: Thomas Jonigk, Bühne: Lisa Däßler, Kostüme: Esther Geremus, Kostüm-Mitarbeit: Maria-Lena Poindl, Musik: Julian Stetter, Licht: Marcus Loran, Dramaturgie: Jeroen Versteele, Markus Edelmann
Weitere Informationen (HTF)
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