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Den Komponisten, zu dessen Ehren zum zweiten Mal ein internationales Festival in Cosenza, einer Stadt im Zentrum Kalabriens stattfindet, sollten nicht nur eingeweihte Musikliebhaber kennen, sondern alle, die sich für die Klaviermusik der Romantik interessieren.

 

Es lohnt sich, wenn wir uns mit dem Musiker eingehender beschäftigen: Alfonso Rendano, 1853 in Carolei in der kalabrischen Provinz Cosenza geboren und 1931 in Rom verstorben, war vor allem der Erfinder des 3. Pedals des Konzertflügels, das dem Pianospiel weitere Ausdrucksmöglichkeiten hinzufügte. Dieses dritte – auch „unabhängiges Pedal" genannt – wurde zwischen den zwei Standardpedalen des Klaviers platziert, um die Schwingung einzelner Klänge oder Akkorde zu verlängern.

 

Alfonso Rendano studierte ab 1863 zunächst am Konservatorium „San Pietro a Majella“ in Neapel. Seine angeborenen musikalischen Fähigkeiten fielen dem Komponisten und Direktor des Konservatoriums Francesco Saverio Mercadante (1795-1870) sofort auf. Auf dessen Empfehlung nahm Sigismund Thalberg (1812-1871) den jungen Rendano in seine Obhut, um ihn dann in Paris dem Opernkomponisten Gioacchino Rossini (1792-1868) vorzustellen. Die Begegnung mit Rossini sollte sich als entscheidend für Rendanos Karriere erweisen, denn er führte ihn in die wichtigen Pariser Salons ein und bemühte sich erfolgreich um verschiedene Stipendien in Paris und in Deutschland. So konnte Alfonso Rendano 1871 und 72 am „Conservatorium der Musik zu Leipzig“ bei Carl Reinecke (1824-1910) und dem Thomaskantor Ernst Richter (1808-1879) studieren, wo ihm beide höchste Anerkennung in seinem Abschlusszeugnis bestätigten. Seine herausragende Leistung in der Beherrschung des Klaviers wurden besonders herausgestellt.

 

Königin Victoria war von seiner vollendeten Kunst des Interpretierens so begeistert, dass sie 1870 ihm zu Ehren den Palast von Windsor erstmalig seit dem Tod des Prinzgemahls Albert wiedereröffnete, um gemeinsam mit ihm sein Quintett für Klavier und Streicher aufzuführen.

 

Rendano unterhielt eine aufrichtige und liebevolle Freundschaft mit Franz Liszt, der seinerseits den jungen kalabrischen Musiker bewunderte und schätzte. Liszt lud ihn 1880 für mehrere Monate nach Weimar ein, wo er die Uraufführung dessen Quintetts für Klavier und Orchester sowie die erneute Aufführung des Quintetts für Klavier und Streicher am Hof ​​des Großherzogtums während des Hofquartettwettbewerbs arrangierte, wobei Liszt während seiner Aufführung die Seiten für Rendano umblätterte.

 

Cosenza Villa Rendano F Claus Friede

Villa Rendano in Cosenza. Foto: Claus Friede

 

Alfonso Rendano wurde schließlich selbst zum Musiklehrer an den Konservatorien von Neapel und Rom sowie Komponist vieler weiterer Klavierwerke und der Oper „Consuelo“ (Libretto von Francesco Cimmino) die 1902 in Turin uraufgeführt wurde. Auch in Deutschland fanden Aufführungen statt, im gleichen Jahr wie die Uraufführung sowie 1904 am Hof- und Staatstheater in Stuttgart als auch in Mannheim, Frankfurt/M. und Bremen – mit ephemerem Erfolg.

 

Diese Oper war von dem gleichnamigen Roman (1842/43) der französischen Schriftstellerin Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil (1804-1876) inspiriert, die unter dem männlichen Pseudonym George Sand publizierte.

 

Rendano war ein bemerkenswerter Künstler, der weder in seinem eigenen Land Italien noch in Europa bislang angemessen gewürdigt wird. Er starb am 10. September 1931 in Rom.

Was Rendanos Kompositionstechnik der Klavierkonzerte der Kammermusikgattung angeht, so sind diese eine Kombination aus unterschiedlichen Stilen (Barcarola, Valse fantastique), dem „antiken Stil“ und seinen Bezügen zur kalabrischen Folklore (Il montanaro calabro, Variazioni sopra un tema calabrese).

 

Rendano Festival Plakat 2022

 

Alfonso Rendano ist auf dem Festival in Cosenza eingebettet in Kompositionen anderer Musiker, die Bezug auf ihn nehmen oder auf die er Bezug nahm. Neben seinen sind Werke von Franz Liszt, Ludwig van Beethoven, Felix Mendelssohn, Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch, Alessandro Longo und Anton Rubinstein zu hören. Gespielt an drei Abenden – und von der künstlerischen Leiterin und der Rendano-Interpretin Daniela Roma eingeladen, musizieren der australisch-britische Maestro Leslie Howard am ersten Abend, Marco Ruffolo im Dialog mit der Festivalleiterin und Pianistin Daniela Roma, gefolgt von Teresa Cardace (Sopran), die mit Angela Floccari am Piano den zweiten Abend bestreiten. Schließlich schließt das Trio Dmitrij (Henry Domenico Durante, Francesco Alessandro De Felice, Michele Sampaolesi) den dritten Abend ab.

 

Der Eröffnungsabend mit dem 74-jährigen Ausnahmepianisten und Franz-Liszt-Ehrenpreisträger Leslie Howard begann mit Ludwig van Beethovens Fünfzehn Variationen mit einer Fuge für Klavier (Es-Dur) op. 35, gefolgt von Franz Liszts Klavierwerk „Zwei Legenden“ (La prédication aux oiseaux und Marchant sur les flots), die dessen Namensvettern Franz von Assisi und Franz von Paola gewidmet sind und während seiner Zeit in Rom 1863 entstanden. Im abendlichen Garten der Villa Rendano, gegenüber der Altstadt Cosenzas und am Hang gelegen, spielt Howard virtuos und mit klarem Anschlag und predigt selbst den Vögeln. Schwalben antworten aus heiterem Himmel, Hunde bellen im Hintergrund. Spätestens mit dem „Gang über die Wellen“ hat Leslie Howard das Publikum für sich gewonnen.

 

Während sich das Tagesende mit der heranziehenden Nacht verbindet, spielt Howard – melodisch passend – Alfonso Rendanos nur wenige Minuten dauerndes Chant du paysan („Ländlicher Gesang“). „Nicht allzu schwer, aber gut durchdacht“ kommentiert der Pianist dieses Werk in seiner in italienischer Sprache gehaltenen kurzen Vorstellung des Stücks. Zum Ausklang spielt der Maestro Liszts Harmonies poétiques et religieuses, das dieser als erste Version mit 21 Jahren komponierte „…vielleicht aus Langeweile…“ ergänzt Leslie Howard ironisch lapidar. Technisch jedoch und vom Leistungsniveau eine wahre Herausforderung. Eine brillante Komposition von Anton Rubinstein (1829-1894) die Sonate Nr. 1, op. 12 in E moll beschließt den Abend, den der hervorragende Pianist mit seinen Interpretationen vervollständigt hat.

 

Leslie Howard F Salvator Tambato

Leslie Howard am Flügel. Foto: Salvatore Tambato

 

Der zweite Konzertabend widmete sich Rendano und seinem direkten Umfeld.

Zunächst erzählte Marco Rufolo, Urenkel des Komponisten Alfonso Rendano, Biographisches, ein paar Anekdoten und Lebensbezüge. Zwischen den einzelnen Abschnitten spielte Daniela Roma kleine und kurze Stück Rendanos aus den jeweiligen Lebensabschnitten. Wie engagiert einige Zuhörer:innen in Sachen Alfonso Rendano sind, zeigte sich in den Fragen, die Rufolo beantwortete, sie kamen von einem Historiker, einer Rendano-Biografin, einem Musikverleger und Vertretern verschiedener Bildungseinrichtungen der Stadt.

 

 

Daniela Roma F Salvator Tambato

Daniela Roma. Foto: Salvatore Tambato

 

Kompositionskollegen wie der ebenfalls in Cosenza geborene Alessandro Longo (1864-1945) und lediglich regional bekannte Musiker wie Scaramuzza, Cilea und Salfi standen anschließend auf dem Programm: Teresa Cardace mit ihrem lyrischen Sopran und Angela Floccari am Pianoforte gestalteten trotz eines heftig aufkommenden Windes den Abend und machten ihn zu einer konzentrierten Rendano-Hommage. Ausnahmslos alle Stücke waren eingebettet in die Kompositionsstile des späten 19. Jahrhunderts, und so konnten die Festivalbesucher in jener Zeit verharren.

 

Den finalen Abend bestreiten drei Musiker, die aus den Marken stammen: Henry Domenico Durante an der Violine, Francesco Alessandro De Felice spielt Cello und Michele Sampaolesi am Flügel. Sie nennen sich als Hommage an einen der wichtigsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts: „Trio Dmitrij“ (Schostokowitsch).

Hervorragend und ausdrucksstark beginnt das Trio mit dessen Klaviertrio Nr. 2 in e-Moll, op. 67. Man merkt, in seiner Welt sind die drei Musiker zuhause! 1944 komponiert, spielt das Trio Dmitrij all die feinen Facetten des viersätzigen Stücks (1. Andante – Moderato; 2. Allegro con brio; 3. Largo; 4. Allegretto), die zwischen tiefer Trauer und leichtfüßigem Lebensmut angelegt sind. Ihnen gelingt es, die Atmosphäre von Anbeginn an zu verdichten und ernten verdienten langanhaltenden Applaus. Michele Sampaolesi spielt anschließend Rendanos Sonatina in stile antico Nr. 1, ein kurzes, dreiminütiges fließendes Stück mit spieluhrartigen Sequenzen, indem die Noten über die Klaviatur tanzen und springen.

 

Trio Dimitrij F Claus Friede

Trio Dmitrij. Foto: Claus Friede

 

Zum offiziellen Abschluss des Abends und des Festivals erklingt Felix Mendelssohn. Sein Klaviertrio Nr. 1 in d-Moll op. 49, 1839 komponiert, gilt als eines der populärsten Kammermusikwerke. Das im Stile Fanny Hensels und Robert Schumanns gearbeitete viersätzige Werk (1. Molto allegro ed agitato; 2. Andante con moto tranquillo; 3. Scherzo; 4. Finale) ist tief in der Romantik verwurzelt. Das Trio Dmitrij spielt eine Frühfassung und verdeutlicht, warum Robert Schumann es das „Meistertrio der Gegenwart“ bezeichnete.


Internationales Musikfestival Alfonso Rendano

WeitereInformationen zum Festival

Weitere Informationen zu Cosenza (it.)

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